Dokumentarfilm | Israel/Deutschland 2023 | 81 Minuten

Regie: Assaf Lapid

Dokumentarfilm über das Leben und Werk des israelischen Schriftstellers Yehiel De-Nur, der unter dem Pseudonym KA-Tzetnik berühmt wurde. Der 1909 in Polen als Yehiel Feiner geborene Autor überlebte zwei Jahre im Vernichtungslager Auschwitz und sorgte mit seinen „Holocaust-Pulp-Fiction“-Romanen für Furore. Bereits 1945 entstand sein erstes Buch über das Leben im KZ. Der Film nutzt Interviews, Archivaufnahmen und nachgestellte Szenen, aber auch die Hilfe von Psychologen, um De-Nurs Persönlichkeit auf die Spur zu kommen. De-Nurs Versuche in den 1970er-Jahren, seine Schuld-Komplexe beim niederländischen Psychiater Jan Bastiaans mit LSD zu lindern, nehmen ebenfalls breiten Raum ein. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE RETURN FROM THE OTHER PLANET
Produktionsland
Israel/Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Black Sheep Film Productions
Regie
Assaf Lapid
Buch
Assaf Lapid · Naomi Levari · Saar Yogev
Kamera
Tulik Galon
Musik
Moshe Baavour
Schnitt
Nohar Haseen · Assaf Lapid
Länge
81 Minuten
Kinostart
13.03.2025
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Doku über den israelischen Schriftsteller Yehiel De-Nur, der unter dem Pseudonym KA-Tzetnik mit „Holocaust-Pulp-Fiction“ berühmt wurde.

Aktualisiert am
17.03.2025 - 14:37:31
Diskussion

Schon bevor Yehiel De-Nur im Eichmann-Prozess in den Zeugenstand trat, waren seine Bücher in Israel berühmt. Ihn selbst bekam die Öffentlichkeit zum ersten Mal zu sehen, denn De-Nur schrieb unter einem Pseudonym: KA-Tzetnik. Der Name sprach für sich. Zwei Jahre seines Lebens hatte der Autor von drastischen Romanen wie „Salamandra“ und „Haus der Puppen“ in der Hölle von Auschwitz verbracht. Anfangs hatte sich De-Nur dagegen gesträubt, im Prozess auszusagen. Es wurde ein denkwürdiger Auftritt. Das Gericht nahm seine verrätselten, einer klassischen Zeugenaussage kaum entsprechenden Schilderungen höchst unwirsch zur Kenntnis. Schließlich brach der Zeuge buchstäblich zusammen, musste medizinisch versorgt und aus dem Verhandlungssaal gebracht werden – vor den Augen jener Öffentlichkeit, die er so lange von sich fernhalten konnte.

Von einem anderen Stern

Im Dokumentarfilm „Der Code“ kann man Yehiel De-Nurs Zusammenbruch im Zeugenstand in körnigen Schwarz-weiß-Bildern nachvollziehen. Es ist bedrückend, seine stockenden Erinnerungen an das Geschehen in Auschwitz an einer auf sachliche Exaktheit geeichten Justiz zerschellen zu sehen. Der Originaltitel des Films „The Return from the Other Planet“ drückt ein Grundmotiv im Schaffen von KA-Tzetnik aus: Auschwitz als einem anderen Stern, auf dem eigene Gesetze galten, die einem Außenstehenden letztlich unvermittelbar waren.

Im Film kommen Psychologen zu Wort, die erläutern, warum das Schreiben unter Pseudonym für De-Nur notwendig war: um den KZ-Überlebenden von sich fernzuhalten. „Als er die Figuren verbindet, bricht er zusammen“, sagt einer von ihnen. Ein anderer betont: „Man entscheidet sich nicht für eine gespaltene Persönlichkeit.“ Yehiel De-Nur alias Yehiel Feiner alias KA-Tzetnik litt offenbar an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auch der Begriff der „Survivor’s Guilt“ fällt einmal. Wie sich die Begriffe wissenschaftlich zueinander verhalten, bleibt im Film bisweilen unklar.

Wenn Regisseur Assaf Lapid den Lebensweg des 1909 im polnischen Sosnowiec als Yehiel Feiner geborenen Protagonisten Yehiel De-Nur nachzeichnet, stehen ihm neben den Einschätzungen der Experten auch zahlreiche Archivaufnahmen zur Verfügung. Vergilbte alte Fotos, Einbände der Erstauflagen seiner Romane, die er bereits 1945, kurz nach der Befreiung, zu schreiben begann und die in Israel dann einen enormen Erfolg hatten. KA-Tzetniks Bücher zeichnet eine Direktheit aus, deren exploitative, sado-masochistische Ästhetik wohl eher unfreiwillig enormen Einfluss auf Filme wie „Ilsa, She Wolf of the SS“ hatte.  Auch wenn es das KZ-Bordell aus „Haus der Puppen“ so nicht gab, drückte er damit eine Wahrheit aus, wie ein Experte betont.

Die sechs Millionen waren immer dabei

In einem Interview ist auch De-Nurs Frau Nina Asherman zu sehen, die in ihrer temperamentvollen Art einen starken Kontrast zu dem introvertierten Schriftsteller bildete. De-Nur bestand darauf, dass der Rabbiner bei ihrer Hochzeit das Totengebet Kaddisch sprach. „Die sechs Millionen waren immer dabei.“ Regisseur Lapid verwendet auch nachgestellte Szenen in animierter Computerspielästhetik, um die inneren Konflikte De-Nurs verständlich zu machen.

Langjährige Weggefährten schildern die Eigenarten des verschlossenen Mannes, der sich in den 1970er-Jahren in den Niederlanden von dem Psychiater Jan Bastiaans mit LSD behandeln ließ. Heute, da Therapien mit bewusstseinserweiternden Drogen mehr Zulauf erleben, klingt diese Methode weniger ungewöhnlich als zu der damaligen Zeit. In einem Fernsehinterview hört man Yehiel De-Nur darüber sprechen. Zu dieser Zeit hatte er in Büchern wie „Ich bin der SS-Mann“ davon abgelassen, Auschwitz als anderen Planeten darzustellen. Ihm ging es fortan darum, aufzuzeigen, wie anfällig Menschen generell für barbarisches Verhalten sind. Yehiel De-Nur, an dessen wechselvolles Leben „The Code“ eindrucksvoll erinnert, starb im Jahr 2001.

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