Leben ist jetzt - Die Real Life Guys

Biopic | Deutschland 2024 | 99 Minuten

Regie: Maria-Anna Westholzer

2016 gründen die Zwillingsbrüder Johannes und Philipp Mickenbecker einen YouTube-Kanal und erreichen mit Videos über ihre handwerklichen Projekte ein großes Publikum. Der Aufstieg als Influencer wird jedoch jäh gestoppt, als bei Philipp Krebs diagnostiziert wird und ihre Schwester bei einem Unfall stirbt. Das biographische Drama porträtiert zuerst die innige Beziehung der Geschwister und die Freuden der Jugend, um dies dann mit den Schicksalsschlägen und der Trauer in Kontrast zu setzen, wobei auch der Glaube der aus einer evangelikalen Familie stammenden Jungen eine große Rolle spielt. Berührende Szenen gelingen, wenn der Film seinem Stoff vertraut, aufdringlich und vereinfachend erscheint er im Hang zur Werbefilmästhetik und im Musikeinsatz. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Eyrie Ent./Lieblingsfilm/Real Life Film
Regie
Maria-Anna Westholzer · Stefan Westerwelle
Buch
Lynda Bartnik · Sven Fockner · Toks Körner
Kamera
Martin Schlecht
Musik
Andrej Melita
Schnitt
Diana Matous
Darsteller
Anton Fuchs (Johannes Mickenbecker) · Richard Fuchs (Philipp Mickenbecker) · Kya-Celina Barucki (Elli Mickenbecker) · Serge Mateso (Max) · Samirah Breuer (Nele)
Länge
99 Minuten
Kinostart
16.01.2025
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Biopic | Drama | Familienfilm | Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Biographisches Drama um Zwillingsbrüder, die zu YouTube-Stars aufsteigen, bis Schicksalsschläge ihre Familie heimsuchen.

Diskussion

Willkommen im hessischen Bickenbach. Weil sie noch ein Bobbycar-Rennen einen Feldweg hinab austragen, kommen die Zwillinge Johannes und Philipp Mickenbecker (Anton und Richard Fuchs) verspätet zur Schule. Aber das Abitur haben sie so oder so bald in der Tasche. Und spannender ist gerade ohnehin Anderes. Mit Apps und Technikverständnis spielen die Brüder Streiche mit dem Schulcomputer oder bauen kuriose Dinge wie ein gelbes Badewannen-U-Boot mit dem Sichtfenster einer Waschmaschine – das bei der Jungfernfahrt im See die Biege macht.

Angeregt von ihrer Schwester Elli (Kya-Celina Barucki) gründen die Brüder den YouTube-Kanal „Real Life Guys“, um ihre Praxisprojekte zu dokumentieren. Helfende Hände aus der Clique kommen dazu. Die Jugendlichen werkeln in einer Scheune auf dem elterlichen Bauernhof, einer ihrer ersten Clips erreicht 70.000 Aufrufe. „Das ist zweihundert Mal die Kirche voll,“ erklären die Teenager ihren gläubigen Eltern (Victoria Mayer und Alexander Hörbe). Bald kommen Sponsoren und eine von YouTube entsandte Influencer-Managerin an Bord.

Eins, obwohl sie zwei sind

Das emotionale Zentrum des Coming-of-Age-Films nach einer wahren Geschichte besetzen die eineiigen Zwillinge Johannes und Philipp gemeinsam mit ihrer Schwester Elli. „Sie sind eins, obwohl sie eigentlich zwei sind“, beschreibt Elli die Brüder. Die Bilder bestätigen das, wenn die Burschen in parallelen Bewegungen mit Sensen eine Wiese stutzen; später kommt Verbindendes wie die Tour auf einem selbstgebauten Tandem dazu. Im ersten Filmdrittel porträtiert die Regisseurin Maria-Anna Westholzer, deren Zepter Stefan Westerwelle nach den Dreharbeiten übernahm, die innige Beziehung der Geschwister, den Zusammenhalt ihrer Familie und den zugehörigen Freundeskreis aus der Dorfjugend. Im Vordergrund steht zunächst die gute Laune. Es wird viel gelacht, oft in Close-ups. Mehrere Musikpassagen mit erbaulicher Popmusik wollen das Gefühl an der Schwelle zum Erwachsensein fassen, bleiben aber austauschbar.

Letztlich schraubt die etwas forciert wirkende Leichtigkeit die Fallhöhe für das Kommende hoch. Wer den 2016 online gegangenen YouTube-Kanal der „Real Life Guys“ oder den Dokumentarfilm „Philipp Mickenbecker - Real Life“ (2023) kennt, weiß, was passiert: Ein Tumor in der Brust zwingt Philipp in eine Chemotherapie; dann stirbt Elli beim Absturz mit einem Sportflugzeug. Trauer überschattet die anfangs so betont unbeschwerte Jugendzeit.

Wechselbad der Gefühle

Einiges an „Leben ist jetzt – Die Real Life Guys“ wirkt trivial. Zum einen der Hang zur Werbefilmästhetik, der sich wohl auch als Anlehnung an den Stil von Internetvideos ergeben hat – passenderweise werden ein paar Clips der echten Mickenbeckers eingestreut. Seicht ist auch der penetrante Klangteppich, der gelegentlich für launige Montagen sorgt, insgesamt aber der Einfühlung eher im Weg steht. Gelungen ist hingegen die reflektierte Perspektive, die der Film auf das Leben selbst einnimmt. Höhen und Tiefen stehen hier oft direkt nebeneinander, mal in einer Parallelmontage, mal durch plötzliche Stimmungswechsel, wenn etwa eine dramatische Sequenz in jugendliches Kichern mündet. Das Wechselbad der Gefühle und die Lanze, die der Film allen Schicksalsschlägen zum Trotz für das Leben bricht, markiert seinen eigentlichen Kern, der ihn aus dem Einerlei der Oberflächenreize heraushebt.

Recht seltsam, doch den realen Hintergründen verpflichtet, muten die vereinzelten Glaubensbekenntnisse an. Die Mickenbeckers gehören einer evangelikalen Freikirche an. Erst deutet sich das nur im Tischgebet an, gegen Ende kommt ein aufgepfropfter missionarischer Eifer dazu. Immerhin führt die Thematik zu charakterlichen Nuancierungen, wenn sich die in der Glaubensfrage uneinigen Brüder auf der Beerdigung ihrer Schwester an den Kragen gehen.

Nebeneinander am Klavier

In der berührendsten Szene sitzen die drei Mickenbecker-Geschwister nebeneinander am Klavier. Ganz ohne Worte werden ihre tiefe Verbundenheit und die geteilte Trauer über Philipps Erkrankung deutlich. In solchen Momenten erreicht „Leben ist jetzt“ sein volles Potential als thematisch ambitionierter Jugendfilm. Ein Hemmnis bleiben aber die Plattitüden, die weite Passagen der Inszenierung prägen – da wäre weniger einfach mehr gewesen.

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