Niemand würde freiwillig nach Axehead reisen, wo eine der Hauptsehenswürdigkeiten die gekreuzten Beile hinter der Theke der (einzigen) Dorfkneipe sind, die sicher einst dazu genutzt wurden, um den wenigen Baumbestand hier im australischen Outback final für nutzlose Bretterverschläge zu opfern. Maddy (Tess Haubrich) ist hier geboren. Als Tochter des örtlichen Sheriffs ist sie behütet aufgewachsen und nur dank ihres heldenhaften Vaters noch am Leben, der sie als Mädchen vor dem Ertrinken rettete, bei dieser Aktion aber tragischerweise selbst ums Leben kam.
Diese Last schleppt Maddy seither tief eingegraben mit sich herum. Eine doppelte Last sogar, denn sie ist seit geraumer Zeit Chief der Ortspolizei und wandelt in den viel zu großen Fußstapfen des berühmten Vaters. Allerdings recht erfolgreich, zumindest, was das Schlichten der chronischen Rangeleien in der Kneipe betrifft. Und mehr ist hier eigentlich nicht zu tun.
Randale mit Riesenkänguru
Bis jetzt. Denn plötzlich gibt es unerklärliche Leichenfunde im Outback zu verzeichnen. Neben Rinderkadavern sogar menschliche. Arg zugerichtet, sodass man zunächst über Wildhunde oder andere Beutegreifer sinniert. Doch ausgerechnet Schmitty (Michael Biehn), ihr gerne etwas wirr agierender, als Schrat verschriener Onkel, meint den wahren Täter ausgemacht zu haben: ein unsterblich scheinendes Rotes Riesenkänguru.
Ein außerhalb der Brunftzeit recht friedlich vor sich hin hoppelndes Känguru soll Menschen zerreißen? No way! Doch als es in der Dämmerung selbst junge und kräftige Jogger erwischt, wird Maddy nachdenklich. Immerhin verlangt die Stadt Ermittlungsergebnisse vom jungen Sheriff. Zusammen mit ihrer Tante Donna (Angie Milliken) geht sie dem wirr scheinenden Gefasel Schmittys nach und stößt tatsächlich auf ein Monster, das selbst den Salven der Schrotflinte zu trotzen scheint.
Mit dem Beuteltier ist nicht zu scherzen
Wenn ein Film vom Verleih „Rippy – Das Killerkänguru“ (um)benannt wird, scheint das Genre eindeutig in Richtung „lustig“ definiert. Aber Achtung: Im weiten Feld des Tier-Horrorfilms können auch an sich harmlose Kreaturen zu sehr unangenehmen Monstern mutieren und gepflegten Schrecken verbreiten: Schafe, Katzen, ja sogar Frösche. Ursprünglich hatte Regisseur Ryan Coonan sein nach dem eigenen Kurzfilm „Waterborne“ konzipiertes Langfilmdebüt schlicht „The Red“ genannt, was die ortsübliche Bezeichnung der Spezies „osphranter rufus“, des Roten Riesenkängurus, ist. Doch das klang wohl nicht reißerisch genug. Da im Film schließlich auch ein trotteliger, gerne von Whisky benebelt agierender Michael Biehn die prominenteste (Neben-)Rolle spielt, lag „Rippy“ als Wortschöpfung aus „Skippy“ (der putzigen Kinderserie mit dem Buschkänguru) und „to rip apart“ (englisch für auseinanderreißen) nahe. Dummerweise gibt der Marketinggag die Seele dieses Horrorfilms nur bedingt wieder, denn die ist durchaus grimmig.
Australien hat mit „Razorback“ (von Russell Mulcahy) einst bewiesen, wie brutal Nationaltiere (hier: das Wildschwein) down under in Szene gesetzt werden können. In dieser Tradition bewegt sich auch das Zombie-Känguru von Coonan.
Die Figuren sind nicht nur Kängurufutter
Durch giftiges Wasser einer Mine mutiert, geht das Tier unartgerecht und sehr berserkerhaft mit allem um, was in die kleinen, aber scharfen Fänge kommt. Sicher, wie alle Horrorfilme enthält auch dieser den einen oder anderen „Comic Relief“-Moment zum befreienden Aufatmen, aber ansonsten gerät „Rippy“ recht spannend und zudem blutig. Coonan weiß geschickt mit Bedrohungslagen – sei es hilflos im Auto oder verschanzt in der Dorfkneipe – umzugehen und zeigt recht explizit, dass ihm die ganze Sache ziemlich ernst ist. Die kurz angerissene Umweltschmutz-Thematik dient zwar nur als dramaturgischer Kniff für die Genese des Monsters, dennoch hat die Geschichte mehr zu bieten als pure Oberflächenreize. Denn Maddys schmerzliche Hintergrundgeschichte gibt gleich sämtlichen Familienangehörigen eine kaum geahnte Tiefe. So ist Maddys Vater Stan (Mungo McKay) nicht der angenommene Held und Tante Donna und Onkel Schmitty sind nicht nur skurril, sondern haben ihre eigenen Dämonen aus der Vergangenheit.
„Skippy“ macht Spaß, wie eine Achterbahnfahrt Spaß macht, wenn man den Horror-/Pointen-Mix denn mag. Vor allem aber ist „The Red“ ein solide produzierter, effektiver, mit seinem tierischen Titelhelden wie mit den menschlichen Figuren geschickt arbeitender Horrorfilm, sogar mit einer finalen augenzwinkernden Zombie-Volte. Chapeau!