Drama | Frankreich 2024 | 284 (sechs Folgen) Minuten

Regie: Yan England

1997 fordert der Großkonzern IBM den mehrfachen Schachweltmeister Garri Kasparow zu einem Rückkampf gegen den Supercomputer Deep Blue heraus, nachdem Kasparow das erste Duell im Vorjahr für sich entschieden hatte. Mit dem weiterentwickelten Computer hat der Champion jedoch weitaus mehr Probleme und sieht der Niederlage gegen die Maschine entgegen. Die Miniserie dramatisiert das große mediale Wellen schlagende Schachduell und schlägt einen Bogen zu aktuellen Debatten um Künstliche Intelligenz. Während die Figurenzeichnung nicht immer überzeugt, fällt die Betrachtung des Wettstreits zwischen Mensch und Maschine durchaus vielschichtig und anregend aus. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
REMATCH
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Unité
Regie
Yan England
Buch
Yan England · André Gulluni · Bruno Nahon
Kamera
Jérôme Sabourin
Musik
Grégoire Auger
Schnitt
Xavier Sirven · Jean-Baptiste Beaudoin
Darsteller
Christian Cooke (Garri Kasparow) · Sarah Bolger (Helen Brock) · Tom Austen (Paul Nelson) · Orion Lee (PC) · Luke Pasqualino (Xavier Valens)
Länge
284 (sechs Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Mystery | Thriller
Externe Links
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Eine Miniserie um das Turnier zwischen dem russischen Schachgroßmeister Garri Kasparow und den IBM-Computer Deep Blue 1997.

Diskussion

Es ist ein eigenartiger Moment der Weltgeschichte: Der Schachspieler Garri Kasparow sitzt einem unscheinbaren Mann gegenüber und rauft sich die Haare, während er auf ein Schachbrett starrt. Kasparow steht hastig auf, zuckt unbeholfen mit den Schultern und verschwindet mit kleinen Schritten aus dem Rampenlicht. Sein Gegner bleibt, leicht verwirrt, vor einem flackernden PC-Bildschirm zurück. Die Bilder vom Match gegen den IBM-Computer „Deep Blue“ gingen um die Welt. Millionen sahen sich das Duell in ihren Wohnzimmern an. Es war eine Zeit, in der die Menschen noch dachten, sie hätten tatsächlich eine Chance gegen die Maschinen.

Computer gegen Großmeister

Die Serie „Rematch“ erzählt vom zweiten Duell zwischen dem Großmeister Kasparow (Christian Cooke) und dem von IBM entworfenen Computer Deep Blue. Bereits 1996 spielten beide gegeneinander; Kasparow, der damals als bester Schachspieler aller Zeiten galt, konnte von den sechs angesetzten Partien vier für sich entscheiden. Doch in diesem Triumph versteckte sich ein kleiner Skandal, denn die Spiele, die Deep Blue gewann, waren die ersten Triumphe eines Computers über einen Großmeister.

An dieser entscheidenden Stelle greift „Rematch“ die Ereignisse auf. Die strauchelnde Firma IBM sucht nach neuen Impulsen und wittert eine Chance, zu beweisen, dass ihre Computer das Unmögliche vollbringen können: den großen Garri Kasparow zu bezwingen. Für Helen Brock (Sarah Bolger) ist es die Chance, sich endlich einen Namen zu machen, und so setzt die aufstrebende IBM-Mitarbeiterin ihre Karriere und die Zukunft der Firma aufs Spiel, um die Weiterentwicklung von Deep Blue voranzutreiben. Ein Jahr bleibt Zeit bis zur Revanche, und IBM steckt alle finanziellen Mittel in diese Unternehmung, damit der „Deep Blue“-Erfinder, den alle nur unter seinem Spitznamen P.C. (Orion Lee) kennen, das Unmögliche schaffen kann.

Die groben Züge dieser Ereignisse stimmen mit der Realität überein, doch obwohl prominente Bilder detailverliebt nachgestellt werden, nimmt sich die Serie viel kreativen Freiraum. Helen Brock gab es in Wirklichkeit nicht, andere historische Figuren werden in einem Filmcharakter amalgamiert oder ausgelassen. „Rematch“ geht es nicht darum, den damaligen Wettstreit akkurat zu dokumentieren, sondern die historischen Ereignisse als Rahmen zu nutzen, um in einer Mischung aus Thriller und Sportfilm über KI und Digitalisierung nachzudenken.

In seinen Grundfesten erschüttert

Im Anfangsmonolog erklärt Kasparow, dass Schach Krieg ist. Es vernichtet einige Spieler, macht aber andere „zu besseren Menschen“. Ob es Kasparow besser machen oder ihn zerstören wird, gehört zu den Fragen, denen sich die Serie stellt. Doch als der selbstsichere Profi das erste Mal an sich zweifelt und fürchtet, er könne gegen eine Maschine verlieren, beginnt ein mentales Erdbeben, das ihn in seinen Grundfesten erschüttert. Das Drahtseil zwischen Hoffnungen und Ängsten, auf dem Kasparow von diesem Augenblick an balanciert, wird konsequent als Spannungsbogen genutzt.

Die heute obsolet wirkende Frage, ob ein Schachcomputer ein Spiel gegen die weltbesten menschlichen Spieler gewinnen kann, war damals noch nicht beantwortet. Und nicht allein Kasparow fürchtet, dass ein Triumph von IBM der Anfang vom Ende sein könnte. Für die Gegenseite, die aus IBM-Technikern und konkurrierenden Schach-Großmeistern besteht, geht es darum, den Mythos Kasparow zu demontieren und einen Weg in die Zukunft zu ebnen. Es geht darum, die eigenen Grenzen und die der Technik auszuloten und dem eigenen Intellekt die Anerkennung zu verschaffen, die er verdient. Das Duell im Zentrum der Serie ist zwar Kasparow gegen Deep Blue, aber diese beiden Figuren stehen für eine Vielzahl anderer Ideen, die sich im Zeitgeist bekämpfen.

Die Inszenierung krankt etwas an den üblichen Problemen einer filmischen Darstellung von Schach. Damit ein breites Publikum Partien auf dem höchsten Level nachvollziehen kann, müssen Außenstehende das Geschehen kommentieren, und der Soundtrack wird als Stimmungsmesser genutzt. Um die entscheidendsten Züge greifbarer zu machen, müssen die Schachmeister immer wieder spontane Geistesblitze haben, die auf simple Weise das Spiel plausibel machen. Eine mundgerechte Portionierung der legendären Schachspiele, die etwas unbeholfen wirkt, ähnlich wie die häufige Erwähnung von KI und artverwandter Begriffe, die die Ideen der Serie mitunter etwas plakativ ausstellen. Da scheint die Inszenierung von Yan England – wie Kasparow als Figur – in entscheidenden Momenten das Selbstvertrauen zu verlieren und aus Angst vor dem Versagen falsche Züge zu machen.

Eine Welt, die sich schneller entwickelt als die Menschen

Nichtsdestotrotz ist „Rematch“ im Ganzen lohnend. In der Serie wird eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Diskursen an ein Ereignis gekettet, das auf den ersten Blick wenig Schauwert hat: Zwei Männer sitzen vor einem Schachbrett und im Nebenraum steht eine gesichtslose Maschine. Doch trotz einiger verpasster Chancen gelingt es den Serienmachern, diesem Szenario Leben einzuhauchen. Das Kernstück, die Geschichte eines Menschen, der versucht seinen Wert in einer Welt zu bewahren, die sich schneller entwickelt als er, funktioniert heute wahrscheinlich besser denn je. In einer der visuell einprägsameren Szenen träumt sich Kasparow den Computer Deep Blue auf die Bühne. Er starrt auf ein Geschöpf, das aus Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ entsprungen zu sein scheint. Ein riesiger schwarzer Monolith mit einem blinkenden Auge, das erbarmungslos Millionen von Zügen pro Sekunde vor sich hinrechnet. Kasparow selbst scheint dieser Maschine in manchen Szenen ähnlicher als den Menschen, mit denen er zu tun hat.

„Rematch“ sehnt sich nach diesen Momenten und will Gefühle der technokratischen Gegenwart in Bilder bannen. Die Ideen sind wichtiger als die Figuren, die sie ausführen. Während die enorm erfolgreiche Schachserie „Das Damengambit“ im Kern ein Drama war, das Schach nutzte, um seine Geschichte zu erzählen, ist „Rematch“ ein Thesenpapier, das Schach nutzt, um seine Ideen zu vermitteln. Zum Beispiel die Idee, dass die KI-Revolution der 2020er-Jahre in einigen Dekaden genauso von der Zeit überholt wirken wird wie heute ein Mensch, der meint, dass kein Computer einen menschlichen Meister im Schach besiegen könne.

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