Klitschko - Der härteste Kampf

Dokumentarfilm | Großbritannien 2024 | 96 Minuten

Regie: Kevin Macdonald

Ein Dokumentarfilm über den ukrainischen Ex-Boxer, Politiker und Bürgermeister von Kiew Vitali Klitschko. Man sieht das rastlose Stadtoberhaupt im Kriegsalltag und im täglichen Kampf gegen russischen Bombenterror, wobei der Film eindrücklich das Leid der Zivilisten vermittelt. Als Porträt Klitschkos, das auch Rückblenden auf die Boxkarriere und familiäre Hintergründe nicht ausspart, durchaus packend, kann die filmische Machart durch reißerische Mittel und das Aussparen von Schattenseiten gleichwohl nicht immer überzeugen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KLITSCHKO: MORE THAN A FIGHT
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Docsville Studios/SKY Studios/Expanded Media/Broadview Pictures
Regie
Kevin Macdonald · Edgar Dubrovskiy
Buch
Kevin Macdonald
Kamera
Edgar Dubrovskiy
Musik
Tom Hodge
Schnitt
Andrew Cross
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm | Dokumentarisches Porträt
Externe Links
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Doku über Vitali Klitschko, in der weniger der Boxer, sondern vor allem der ukrainische Politiker im Mittelpunkt steht.

Diskussion

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 stehen in den deutschen Medien vor allem zwei ukrainische Politiker im Mittelpunkt. Der Ex-Comedian und heutige Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Ex- Boxweltmeister im Schwergewicht und seit 2014 amtierender Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko.

Beide verbindet neben dem Umstand, dass ihre Muttersprache eigentlich Russisch und nicht Ukrainisch ist, ansonsten eine herzliche Feindschaft. Die wird im Dokumentarfilm des Schotten Kevin Macdonald immer wieder thematisiert, steht aber dennoch nicht im Mittelpunkt. Klitschko wirft dem Präsidenten und seinem Umfeld vor, lokale Politiker zu entmachten und immer autoritärer zu agieren. Selenskyj versucht dagegen, Klitschko immer wieder zu diskreditieren, für Kriegsopfer haftbar zu machen. Schon als er noch ein populärer TV-Komiker war, machte sich Selenskyj in seinen Sketchen über den oft rustikalen und tapsigen Neupolitiker Klitschko lustig, allerdings mit einer unverkennbaren und nicht sonderlich sympathischen Häme. Persönlich gesehen haben sich Selenskyj und Klitschko übrigens seit Ausbruch des Krieges und den ersten Angriffen auf Kiew im Februar 2022 nicht mehr.

„Dieser Krieg verzehrt dich“

Die Kamera begleitet Vitali Klitschko in seinem Kriegsalltag in der Hauptstadt. Er muss ständig für nationale und internationale Medien Interviews geben oder aber an Unglücksstellen eilen, wo es Zerstörung, Tote und Verletzte gibt. Es sind diese Szenen in zerstörten Häusern, Teilruinen mit Verletzten, traumatisierten Kindern und weinenden Überlebenden, die besonders unter die Haut gehen. Man bekommt so im fernen und sicheren Deutschland wieder ein Gespür dafür, was es vor allem für Zivilisten bedeutet, täglich Opfer dieses brutalen und von den Russen bewusst gegen die Bevölkerung gerichteten Krieges zu sein. „Dieser Krieg verzehrt dich“ sagt ein müder Vitali Klitschko einmal in die Kamera. Ruhelos und diszipliniert bemüht er sich, für sein Land, seine Stadt, die Bürger da zu sein.

Der Film bleibt aber nicht im Hier und Kriegsheute. Immer wieder wird in Parallelmontagen an die erfolgreiche Karriere der Brüder Vitali und Wladimir Klitschko erinnert und werden ausgiebig in Archivaufnahmen ihre Erfolge gefeiert. Das nimmt dem Film viel von seiner Schwere, überbetont jedoch eine künstlich hergestellte Parallele zwischen Boxen und Politik. Spannender ist der familiäre Hintergrund, den der Film ebenfalls beleuchtet. Der aus der Ukraine stammende Vater war ein überzeugter Kommunist, Militär und Sowjetbürger. Er war zu streng, befindet seine in Sibirien geborene, russische Ehefrau; und diese militärische Strenge hat die Klitschko-Söhne geprägt; besonders Vitali hat sie übernommen.

Bezeichnend für den linientreuen Vater ist eine in der Doku rekapitulierte Geschichte über Vitali Klitschkos erste USA-Reise 1990: Der junge Vitali ist begeistert von den Konsummöglichkeiten, dem Wohlstand, der Freundlichkeit der Amerikaner und sagt zu seinem Vater, in der Sowjetunion habe man über das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ viele Unwahrheiten verbreitet. Worauf der unbeeindruckte Vater kontert, die Amerikaner hätten nur eine Scheinwelt aufgebaut, um seinen naiven Sohn zu täuschen. Eine Sowjet-Rhetorik, die fatal an die Lügen des Putin-Regimes im Ukraine Krieg erinnert, wo etwa russische Medien nach einem Beschuss auf ein Kinderkrankenhaus in Mariupol behaupteten, eine schwer verletzte schwangere Frau und andere Opfer seien nur bezahlten Statisten, um die Welt irrezuführen. Geschichte wiederholt sich.

Nicht sonderlich subtil

Im Film kommen auch Vitali Klitschkos seit 2022 in Hamburg lebende Ex-Ehefrau und seine beiden erwachsenen Söhne zu Wort, die davon berichten, wie der strenge Erziehungsstil der Brüder in der Erziehung der eigenen Kinder nachwirkte. Der Vater habe Anweisungen wie Befehle erteilt. Zeit für die Familie hatte er immer weniger, seitdem er in die Politik ging. Auch das war ein Grund für die Entfremdung, gibt seine Ex-Frau einmal zu.

Auf einem rein emotionalen Level funktioniert dieser Film über Vitali Klitschko, packt die Betrachter, schafft eine gekonnte Balance aus dem öffentlichen und privaten Klitschko. Natürlich spielt auch die besondere Nähe zu seinem jüngeren, weltgewandteren Bruder Wladimir eine wichtige Rolle, der als Vertrauter wie eine „Geheimwaffe“ durch die Welt reist, Hände schüttelt, der Ukraine Hilfen sichert, auch wenn man um die Unterstützung im Westen manchmal regelrecht „betteln“ muss.

Aber Regisseur Kevin Macdonald ist nicht immer ein sonderlich subtiler Filmemacher. Schon sein mit einem „Oscar“ ausgezeichneter Dokumentarfilm „Ein Tag im September“ über die Geiselnahme israelischer Sportler durch Terroristen der PLO bei den Olympischen Spielen in München setzte auf Vereinfachungen und den mitunter brachialen und manipulativen Einsatz von Musik, und in „Klitschko“ bedient er sich nun einmal mehr dieser Stilmittel.

Pro-Klitschko, Anti-Selenskyj

Und man muss sich bei aller Sympathie auch bewusst sein, dass Kevin Macdonald einen parteiischen Film gedreht hat: pro Klitschko und dadurch zwangsläufig auch etwas anti Selenskyj. Der Film verschweigt in seinen ausführlichen Rückblenden bezeichnenderweise die politischen Allianzen von Vitali Klitschko, der zeitweise mit „Swoboda“ paktierte, einer rechtsnationalistischen, antisemitischen Partei, und später für den nicht unumstrittenen Schokoladenfabrikanten und früheren Präsidenten Petro Poroschenko antrat. Vitali Klitschko ist außerdem Multimillionär und besitzt unter anderem auch eine teure Villa in Hamburg. Das allein ist nicht ehrenrührig, wird jedoch im Film niemals thematisiert, sehr wohl jedoch Klitschkos Rhetorik gegen autokratische Tendenzen und die Warnung, die Ukraine drifte unter Selenskyj in ein Russland 2.0 ab. Im Abspann des Films erfährt man dann noch, dass trotz Anfragen Wolodymyr Selenskyj und seine Berater für Interviews nicht zur Verfügung standen. Bei Sean Penns Ukraine-Film „Superpower“ sah das noch ganz anders aus.

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