Babygirl
Drama | USA 2024 | 116 Minuten
Regie: Halina Reijn
Filmdaten
- Originaltitel
- BABYGIRL
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- A24/2AM/Man Up Film
- Regie
- Halina Reijn
- Buch
- Halina Reijn
- Kamera
- Jasper Wolf
- Musik
- Cristobal Tapia de Veer
- Schnitt
- Matthew Hannam
- Darsteller
- Nicole Kidman (Romy) · Harris Dickinson (Samuel) · Antonio Banderas (Jacob) · Sophie Wilde (Esme) · Esther McGregor (Isabel)
- Länge
- 116 Minuten
- Kinostart
- 30.01.2025
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Erotikfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Erotikdrama um eine erfolgreiche Frau, die sich als Geschäftsführerin mit einem Praktikanten einlässt und uneingestandene Unterwerfungsbedürfnisse auszuleben beginnt.
Ein bisschen gleicht Romy (Nicole Kidman) den automatischen Systemen, die ihr Unternehmen weltweit an große Versandhäuser verkauft. Blitzschnell flitzen dort die mobilen Einheiten auf langen Schienen entlang; makellos glänzend und höchst effizient picken sie sich das richtige Paket heraus. Genauso durchmisst Romy als CEO ihren perfekt organisierten Alltag aus Pausenbrot-Schmieren, Geschäftsmeetings und Botox-Injektionen gegen die Fältchen. Abends gibt es trotz all der Ehejahrzehnte (scheinbar) erregten Sex mit ihrem attraktiven Ehemann Jacob (Antonio Banderas), einem erfolgreichen Theaterregisseur.
Doch das Stöhnen der Mittfünfzigerin ist nur vorgetäuscht. Kurz nach dem Sex zieht sich Romy mit ihrem Laptop auf den Badezimmerboden zurück und kommt endlich zum Orgasmus – verblüffend schnell, zu Internet-Pornos mit devoten Frauen und dominanten Männern. Unter Romys perfekter bürgerlicher Fassade einer selbstbewussten Geschäftsführerin brodelt ein Vulkan – und der findet ausgerechnet im neuen Praktikanten Samuel (Harris Dickinson) seine seismische Erschütterung.
Ein ambivalenter Befreiungsschlag
Samuel ist jung, attraktiv und überaus übergriffig in seinen sexuellen Avancen. Er sucht sich Romy als Mentorin aus und teilt recht unverblümt seine Einschätzung mit, dass sie eine Frau sei, die entgegen ihrer täglichen Job-Routine gesagt bekommen möchte, was sie zu tun hat. Romy und Samuel beginnen eine leidenschaftliche Affäre, deren Aufdeckung gleich an mehreren Fronten zum Totalzusammenbruch führen könnte. In der Familie mit den zwei Teenager-Töchtern, von der die eine selbst ihre Freundin betrügt; im Job, als Praktikanten missbrauchende Führungsfigur; als erschreckende Zukunftsvision einer von allen verlassenen Ex-CEO mit anrüchiger Historie.
Was auf den ersten Blick wie eine Cinderella-Affäre im Stil der SM-Schmonzette „Fifty Shades of Grey“ anmutet, nur mit umgekehrten Geschlechter-Vorzeichen, ist auf den zweiten Blick das pure Gegenteil. In dem Film von Halina Reijn geht es um die Emanzipation einer reifen Frau, die sich nicht mehr aus einer Position befreien muss, in der sie Männern untergeordnet wäre. Vielmehr will Romy sich von dem Anspruch lösen, in ihrer Vorbildfunktion als erfolgreiche Geschäftsfrau und Mutter keinen masochistischen Neigungen nachgehen zu dürfen. Sie nimmt es nicht mehr hin, dass ihre devoten Wünsche vom eigenen Ehemann beschnitten werden – was auch eine Art der Bevormundung ist. Wie viele andere Frauen ist auch Romy in sich selbst und in der gesellschaftlichen Normierung gefangen, was die Verwirklichung sexueller Wünsche anbetrifft. Die scheinbare Erniedrigung nach unten ist also eigentlich ein Befreiungsschlag nach oben.
Ein Erotikdrama aus weiblicher Sicht
Drehbuchautorin und Regisseurin Halina Reijn inszeniert ein Erotikdrama aus weiblicher Sicht, das geschickt Unsicherheiten einflicht und bei weitem nicht so oberflächlich durchgestylt ist wie „Fifty Shades of Grey“. Vor allem die Sexszenen sind von Brechungen durchzogen, die die Verlegenheit und die scheue Unbeholfenheit zwischen Romy und Samuel, zwischen der Machtfrau und dem Praktikanten, deutlich machen. Romys Scham, sich den ersten Forderungen auf dem schäbigen Hotelzimmerteppich zu unterwerfen, treffen auf Samuels Verwirrung, wenn seine Fantasien nicht so reibungslos ablaufen, wie seine Generation das sonst im Film oder im Porno vorgelebt bekommt. „Babygirl“ gelingen immer wieder Stimmungseinbrüche, die einen aufmerken lassen – was nicht zuletzt der glänzenden Leistung von Nicole Kidman zwischen Unterkühlung, Erregung und dem Erschrecken über sich selbst zu verdanken ist.
Reijn, die in ihrem Debütfilm „Instinct - Gefährliche Begierde“ eine noch wesentlich prekärere Beziehung einer Gefängnispsychologin zu einem Vergewaltiger inszenierte, nimmt sich einer anderen großen Frage der Gegenwart an: die der sexuellen Abhängigkeit in einem deutlichen Machtgefälle. Unheilschwanger liegt dieser Vorwurf über den Anfängen von Romys Affäre, der von Samuels bedrohlichen Ausfällen jedoch konterkariert wird. Denn Romy ist es, die unter Zugzwang gerät, als Samuel plötzlich bei ihrer Familie auftaucht und mit Mann und Töchtern am Frühstückstisch sitzt.
Die Anleihen an das florierende Erotikthriller-Genre der 1990er-Jahre sind in „Babygirl“ unverkennbar. Allerdings unterliegen Reijn und Nicole Kidman der Versuchung, Romy als bedrohtes Opfer ihrer eigenen Begierde zu inszenieren. Die Liebesaffäre mit einem deutlich jüngeren Praktikanten wird durch dessen selbstbewusst auftrumpfendes Verhalten, das jegliche Abhängigkeit negiert und den Spieß der Machtausübung einfach umdreht, spürbar abgefedert. Die von Romy versäumte Beförderung ihrer treuen Mitarbeiterin, die die Fehltritte der Chefin zu instrumentalisieren versucht, stellt die Vorgesetzte als Unachtsamkeit dar, nicht als das missbräuchliche Machtgebaren, als das es die junge Frau wahrnimmt. Romy ist mit all ihrem Reichtum und mit all ihrer Macht das Opfer einer von allen Seiten aufkommenden Bedrohung. Sie ist es, die in „Babygirl“ unterzugehen droht.
Makellos und antiseptisch
Diese Konzeption ist der Spannung förderlich und der Entwicklungsgeschichte nicht abträglich. Auf der anderen Seite unterbindet das aber eine ambivalentere Thematisierung der Problematik, dass Machtstrukturen sexuelle Beziehungen eben doch beeinflussen, auch wenn die Geschlechterrollen vertauscht sind. In seinem augenfälligen Versuch, in der Bildsprache kühle Büroräume mit heißem Verlangen zu füllen, trägt „Babygirl“ zudem etwas Antiseptisches an sich. Das mutet oft ähnlich unzugänglich und distanziert an wie die makellos operierte Schönheit von Nicole Kidman. Wobei antiseptisch in Sachen Sex noch nie sonderlich ertragreich war.