Those About to Die
Historienfilm | USA/Deutschland/Italien 2024 | 535 (10 Folgen) Minuten
Regie: Roland Emmerich
Filmdaten
- Originaltitel
- THOSE ABOUT TO DIE
- Produktionsland
- USA/Deutschland/Italien
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Centropolis/Street Ent./Hollywood Gang Prod./AGC Television/Paramount Television
- Regie
- Roland Emmerich · Marco Kreuzpaintner
- Buch
- Robert Rodat
- Kamera
- Vittorio Omodei Zorini
- Musik
- Andrea Farri
- Schnitt
- Ryan Stevens Harris · Johannes Hubrich
- Darsteller
- Anthony Hopkins (Kaiser Vespasian) · Tom Hughes (Titus Flavianus) · Dimitri Leonidas (Scorpus) · Jojo Macari (Domitian Flavianus) · Gabriella Pession (Antonia)
- Länge
- 535 (10 Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 18.
- Genre
- Historienfilm | Serie
- Externe Links
- IMDb | JustWatch
79 n.Chr. in Rom spielende Historienserie um Gladiatorenkämpfe, Wagenrennen und ein Intrigenspiel um die Nachfolge des Kaisers.
Die Arena fordert Gnade. Es ist das erste Mal, dass Titus Vespasianus (Tom Hughes), Sohn von Vespasian (Anthony Hopkins), den Einwohnern Roms in der erst kürzlich erbauten Arena als Kaiser entgegentritt. Das erste Mal, dass er diese einzigartige Interaktion zwischen einfachem Volk und Imperator eingeht, die so nur in den Arenen Roms möglich war. Die ikonischste dieser Arenen, das Kolosseum, ist nicht nur Ort der blutigen Spiele, die einst das Volk begeisterten und kommende Generationen bis heute faszinieren, es ist auch die einzige Bühne, wo Autokrat und Volkswille direkt aufeinandertreffen. Der einzige Ort, wo die Macht der einfachen Bürger den Herrscher zu lenken vermag.
Es herrscht allein die Willkür
Der Hollywood-Entwurf Roms kehrt immer wieder zu diesen Szenen zurück, in denen das Volk den Caesar zwingt, seinen Daumen zu heben, ihn zwingt, Gnade walten zu lassen. Die Geste ist historisch viel diskutiert, in Hollywood falsch interpretiert (der Daumen nach oben forderte tatsächlich einen Todesstoß) und in einer der Schlüsselszenen von „Those About To Die“ eben nicht Ausdruck des Volkswillens. Denn Titus, der älteste Sohn von Vespasian und Unterwerfer der Judäer, der erst kürzlich den Thron bestiegen hat, lässt keine Gnade zu. Er fordert den Tod des unterlegenen Gladiators. Er statuiert ein Exempel, das weniger an das Volk, als an seinen Bruder Domitian (Jojo Macari) gerichtet ist, der seine Augen noch immer auf den Thron gerichtet hat. Im Rom von Showrunner Robert Rodat herrscht nicht das Volk und nicht das Recht, es herrscht allein die Willkür.
Beobachtet wird sie nicht nur dort, wo sie entsteht, sondern meist genau dort, wo das einfache Volk ihre blutigen Konsequenzen erfährt. Gladiator Kwame (Moe Hashim) ist derjenige, der das Todesurteil gegen seinen Willen vollstrecken muss. Der junge Afrikaner wurde wie der Rest seiner Familie aus der Heimat nach Rom verschleppt. In der römischen Provinz braucht es dafür nicht mehr als einen betrunkenen Legionär, der plötzlich in das eigene Haus stolpert und sich nimmt, was er will. Cala (Sara Martins) und ihre Töchter Aura (Kyshan Wilson) und Jula (Alicia Edogamhe) erleben eben das. Der Soldat versucht sie zu vergewaltigen. Aura tötet ihn in Notwehr und wird zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Bruder Kwame versklavt und nach Rom verschleppt. Die Schwestern werden als Haussklavinnen verkauft, der Bruder für die Gladiatoren-Arena selektiert. Ihre Mutter folgt ihnen nach Rom, um sie freizukaufen.
Im Sündenpfuhl der Antike
Was die Stadt im Zentrum des gewaltigen Imperiums wirklich ist, hat die Serie „Those About To Die“ an diesem Punkt bereits ausführlich gezeigt: Rom ist der Sündenpfuhl der Antike, der garstige kleine Bruder des antiken Griechenlands, der Wissens- gegen Blutdurst getauscht, das intellektuelle Sterben mit allen Formen der Frivolität ersetzt hat. Nicht zufällig laufen in diesem, historisch naturgemäß äußerst fragwürdigen Entwurf des antiken Reichs alle Fäden in den großen Arenen zusammen, von denen das Kolosseum tatsächlich die kleinere ist. Im Circus Maximus kommen die Massen für die Wagenrennen zusammen, die die adeligen Fraktionsführer, die Stars unter ihren Wagenlenkern und zwielichtige Wettbetreiber wie Tenax (Iwan Rheon) reich und berühmt machen.
Im Fall des als Plebejer geborenen Wettbetreibers bleibt es vorerst beim Reichtum. Doch seine Skrupellosigkeit und Ambition führen ihn bald aus der Gosse in Richtung des gesellschaftlichen Aufstiegs. Cala klinkt sich ein, spinnt mit ihm Intrigen, baut das „Geschäft“ um den Wagenrenn-Zirkus zusammen mit ihm aus, während Tenax seine Kontakte bis zur Kaiserresidenz auf dem Palatin erweitert.
„Those About To Die“ umkreist die Arenen, bringt die Gesellschaftsschichten jedoch nicht nur dort zusammen. Die Handlungsstränge umfassen Patrizier, Sklaven, Plebejer und Kaiser mit viel historischer Freiheit, den regelmäßig bemühten Deus ex machina und reichlich Blutzoll. Letzteren verspricht schon der Vorspann, der die digitale Architektur Roms mit einem Tsunami aus Blut überspült. Er gibt aber noch ein anderes Versprechen: Roland Emmerich. Der Name des Regisseurs garantiert heutzutage, ähnlich wie einst der Name des größten Amphitheaters der Welt, ein Spektakel; ein Rom als gewaltige Spielwiese, auf der Gladiatoren und Pferdewagen zusammenkrachen wie Playmobil-Figuren im Kinderzimmer. Ein Versprechen, das „Those About To Die“ aber nur teilweise einlöst. Klar, das Kolosseum wird geflutet, wilde Tiere werden auf die zum Tode Verurteilten losgelassen, und die Pferdewagen überschlagen sich und zermalmen nicht wenige Fahrer unter Huf und Rad. Wirklich zur Entfaltung kommt der 140-Millionen-Bombast aber weder unter Emmerichs Regie noch in den nicht von ihm inszenierten Folgen.
Brutale Seifenoper
„Those About To Die“ will schlichtweg zu viel, will die Höhen des schnellen und blutigen Arena-Schauspiels, will die niedersten der Instinkte, will abgehackte Gliedmaßen, abgebissene Köpfe, will Lustknaben, entblößte Brüste und antike Orgien. Robert Rodat will aus Daniel P. Mannix’ Romanvorlage eine brutale Seifenoper und zugleich, mit Blick in Richtung „Game of Thrones“, ein Netz der Intrigen und Meuchelmorde spinnen. Die römische Kaiserzeit soll „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, aber eben auch Shakespeare sein. Dazu treffen einige der bekanntesten „Hot Takes“ der antiken Historiker auf selbst weitergesponnene und in der Regel blutige Abweichungen jeglicher Historie. Senatoren werden bei der Verschwörung bespitzelt, Wagenführer im Schlafzimmer angeworben, politische Widersacher im Kolosseum an Krokodile verfüttert, Feinde ebendort in Stücke gehackt und sogar Kinder aus reiner Boshaftigkeit hingerichtet.
Das ist alles laut, aber nicht besonders sorgfältig inszeniert. Das Dazwischen, die Ambivalenzen und Komplexität, die all das faszinierend machen, will die Serie nicht. Wie Menschen zugleich Sklaven und Superstars sein können, wie der Pöbel den Caesar zur Gnade zwingen kann und wo das Recht und die Götter im blutigen, ekstatischen und tragischen Leben der Antike einen Platz haben, will „Those About To Die“ nicht wissen. Pöbel, Patrizier und Potentat sind alle gleichrangige Datensätze im Machtgerangel des Kaiserreichs der Flavier; in welchem Stadtteil, in welcher Gesellschaftsschicht, auf welchem Boden, in welcher Arena und zu wessen Gunsten auch immer ihre Machtkämpfe ausgefochten werden: sie enden ohne Gnade und mit der Klinge im Rücken – hier das Küchenmesser des Straßenkriminellen, dort der Gladius des Prätorianers.