Dann gehste eben nach Parchim

Dokumentarfilm | Deutschland 2024 | 98 Minuten

Regie: Dieter Schumann

In der mecklenburgischen Kleinstadt Parchim gibt es nicht nur beschauliche Fachwerkhäuser, sondern auch ein Kulturleben. Neben dem örtlichen Kino dominiert vor allem das seit sieben Jahrzehnten bestehende Theater der Stadt. Der Dokumentarfilm beobachtet den Spielbetrieb durch die Augen zweier Neuankömmlinge, der Schauspielabsolventinnen Arikia Orbán und Gesa Penthin. So entsteht ein spannender Blick hinter die Kulissen, der die Theaterwelt mit den persönlichen Werdegängen der Protagonistinnen verbindet. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
BKM/DFFF/MV Filmförderung/NDR
Regie
Dieter Schumann
Buch
Dieter Schumann
Kamera
Michael Kockot · Rainer M. Schulz · Oliver Zydek
Musik
Julian Dietz
Schnitt
Philipp Schindler
Länge
98 Minuten
Kinostart
31.10.2024
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb | TMDB

Doku über zwei junge Schauspielerinnen bei ihrem ersten Engagement am Theater der mecklenburgischen Kleinstadt Parchim.

Diskussion

Was machen zwei junge Frauen aus Hamburg ausgerechnet in der Kleinstadt Parchim in der mecklenburgischen Provinz? Die Antwort lautet: Theater spielen! Gesa Penthin und Arikia Orbán, Absolventinnen der Hamburger Schauspielschule, stürzen sich in ein berufliches und privates Abenteuer, das für Außenstehende schwer nachzuvollziehen ist. Im Zug nach Parchim befragen junge Mecklenburgerinnen die beiden angehenden Miminnen ungläubig zu ihrem Umzug in den Osten. Denn sie selbst müssen andernorts nach beruflichen Chancen suchen.

Dass sich der Umzug für die beiden lohnt, merkt man schon zu Beginn des Dokumentarfilms „Dann gehste eben nach Parchim“ von Dieter Schumann. Das fängt damit an, dass die Wohnung, die sie zusammen mieten, genauso teuer ist wie ein einziges WG-Zimmer in Hamburg. Auch dass sie zum ersten Mal ein Gehalt in ihrem Wunschberuf bekommen, euphorisiert die beiden. 2100 Euro brutto Einstiegsgehalt sind mehr, als sie je zuvor verdient haben.

Aufbruch in die Pandemie

Auch am Theater werden sie herzlich aufgenommen. Der Intendant sowie die Regisseur:innen, der Requisiteur Björn Pauli und der Schauspielkollege Julian Dietz entwickeln sich zu wichtigsten Ansprechpartnern. Pauli weist die Neuankömmlinge in die Stadt ein, zeigt den nächsten Supermarkt und wo das Kino ist. Die Kamera fängt die Fußgängerzone, Imbissbuden und schöne alte Gebäude ein.

Auch das Ambiente des Theaters atmet keine miefige Provinzialität, sondern jede Menge Spiel- und Experimentierfreude. Die Bühne in Parchim blickt auf eine lange Tradition zurück. Sie existiert seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und war das Projekt eines sowjetischen Offiziers, der in einem ehemaligen Hotel eine Spielstätte einrichtete. Früher spielte man in dem großen Saal und heizte im Winter mit Kohlen. Jetzt darf Gesa als Kriemhild in einer Inszenierung der „Nibelungen“ das Schwert schwingen und sich als Rächerin aufspielen. Arikia wiederum spielt mit Julian Dietz in der Adaption des Jugendbuchs „Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte“ von Dita Zipfel.

Doch Arikias und Gesas Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt fällt genau in die Covid-19-Pandemie. Tragen anfangs alle noch Masken und begrüßen sich per Ellenbogen-Check, wird das Theater infolge des Lockdowns bald geschlossen. Das dämpft die Euphorie der beiden Schauspielerinnen, die sich nun anderweitig beschäftigen müssen. Gesa beginnt ein Fernstudium und bildet sich weiter. Zwischendurch werden beide vom Regisseur über ihren Werdegang und private Details ihrer Biografie befragt. So hat Arikia keine Eltern mehr und harte Zeiten hinter sich; ihren Beruf begreift sie auch als eine Art Therapie gegen die Depression. In den schwersten Stunden stand Gesa ihr zur Seite. Beide sind füreinander da und wirken eher wie Schwestern denn wie Freundinnen. Beide erzählen mal in den eigenen vier Wänden, mal in der Natur von ihren Selbstzweifeln, die Corona und die Arbeit am Theater in ihnen ausgelöst haben.

Zwischendurch kehren sie auf Kurztrips nach Hamburg zurück, ihr eigentliches Zuhause, wo sie sich am Hafen sogleich wieder heimisch fühlen. Als der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird, geht auch die Arbeit in Parchim weiter.

Hinter den Kulissen

Das Ensemble und die anderen Mitarbeiter wirken wie ein eingeschworenes Team. Konflikte gibt es entweder keine oder sie werden nicht vor der Kamera ausgetragen. Neben den beiden Protagonistinnen geben auch Pauli und Dietz Auskunft über ihren Beruf und ihre Biografie. Pauli ist ein waschechter Parchimer; er ging hier schon zur Schule. Sein Beruf des Requisiteurs wird verbal und durch Recherchen nahegebracht. Er interessiert sich für alle Aspekte von Stück und Inszenierung und hat sich seine Neugier und Kreativität bewahrt. Nebenbei ist er auch Schlagzeuger und trommelt für die Musik des Films. Die wurde von Julian Dietz komponiert, der auf der Bühne steht und auch Piano spielt.

So begleitet „Dann gehste eben nach Parchim“ nicht nur die sympathischen Protagonistinnen, sondern schaut auch hinter die Kulissen des Theaters, dokumentiert die ersten Lesungen der Stücke, die Proben und das Schminken oder auch nur das ausgelassene Herumalbern im Kostümraum.

Regisseur Dieter Schumann verzichtet auf einen Kommentar. Er lässt die Menschen und Landschaften sprechen, zeigt die Schönheit des Städtchens, aber auch seine politischen Widersprüche. So hat während des Wahlkampfs in der Stadt ausgerechnet die rechtsextreme NPD ihren Stand vor dem Theater aufgebaut, was vor allem Gesa missfällt.

Künftig in der Kulturmühle

Doch die Zeiten ändern sich auch in Parchim. Das alte Theater ist im Laufe der Jahrzehnte baufällig geworden. Den Bau eines neuen Theaters verfolgen Protagonisten und Film gleichermaßen. Sogar die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig stattet der Baustelle im Bauhelm einen Besuch ab. So schließt sich am Ende des Films der Vorhang des alten Parchimer Theaters. Es wird von der Kulturmühle abgelöst, die seit Mai 2023 als Kultur- und Begegnungsstätte fungiert und das Theater integriert hat. Dort geht der Spielbetrieb weiter. Gesa und Arikia verlängern ihr Engagement; vielleicht verleiten sie den einen oder die andere ja zu einer Reise in die Kulturstadt Parchim.

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