September 5 - The Day Terror Went Live

Drama | Deutschland 2024 | 91 Minuten

Regie: Tim Fehlbaum

Während der Olympischen Spiele in München überfallen am 5. September 1972 palästinensische Terroristen das Wohnquartier der israelischen Mannschaft und nehmen die Sportler als Geiseln. Der Film erzählt von diesem Ereignis aus der Perspektive der Sportjournalisten des US-Senders ABC, die über die Entführung berichten, da keine anderen Reporter vor Ort sind. Dabei entsteht ein kammerspielartiger Thriller über eine journalistische Ausnahmesituation, die auch Fragen über die moralische Verantwortung der Medien aufwirft. In dem sorgfältig durchgetakteten Film verwandelt sich ein TV-Kontrollraum in eine emotionale Hochdruckkammer, während der historische Kontext beiläufig miterzählt wird. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
BerghausWöbke Filmprod./Projected Pic. Works
Regie
Tim Fehlbaum
Buch
Moritz Binder · Tim Fehlbaum
Kamera
Markus Förderer
Musik
Lorenz Dangel
Schnitt
Hansjörg Weissbrich
Darsteller
Peter Sarsgaard (Roone Arledge) · John Magaro (Geoffrey Mason) · Leonie Benesch (Marianne Gebhardt) · Ben Chaplin (Marvin Bader) · Zinedine Soualem (Jacques Lesgardes)
Länge
91 Minuten
Kinostart
09.01.2025
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Kammerspiel | Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB

Kammerspielartiger Thriller über die Sportjournalisten des US-Senders ABC, die am 5. September 1972 über den Terror gegen israelische Sportler bei den Olympischen Spielen in München berichten.

Diskussion

Bei den Olympischen Spielen 1972 in München hat der US-Schwimmer Mark Spitz am 5. September gerade einen neuen Weltrekord aufgestellt. Im temporären, direkt neben dem Olympischen Dorf befindlichen Kontrollraum des US-amerikanischen Senders ABC wird dieser Moment in eine dramaturgisch wirkungsvolle Form gebracht. Denn mindestens so wichtig wie das Ereignis ist die Art der Präsentation, bei der Information, Spannung und Emotion perfekt aufeinander abgestimmt sein müssen. Genau im richtigen Zeitpunkt wird vom geknickten Verlierer auf den jubelnden Sieger geschnitten.

Die Dramaturgie der Medienbilder

Die Eröffnungsszene von „September 5 – The Day Terror Went Live“ offenbart die sorgfältige Inszenierung hinter scheinbar neutralen Medienbildern. In dem kammerspielartigen Thriller von Tim Fehlbaum, der lediglich über Bildschirme und einen Türspalt Blicke nach draußen gewährt, folgt auf den trügerischen Triumph des jüdischen Schwimmers bald eine internationale politische Tragödie. In direkter Nachbarschaft zu den Senderäumen dringen in der Nacht palästinensische Terroristen der Organisation „Schwarzer September“ in das Wohnquartier der israelischen Mannschaft ein. Zwei Sportler erschießen sie sofort, neun weitere nehmen sie als Geiseln und fordern für ihren Austausch die Freilassung von über 200 in Israel inhaftierten Palästinensern.

Bereits vor der Geiselnahme sind die ABC-Reporter im Ausnahmezustand: ständig unter Strom und jederzeit bereit, schnell reagieren zu können. Geschlafen wird lediglich ein paar Stunden in der Besenkammer und, bevor man es vergisst, noch etwas zum Essen bestellt. Ein französischer Kollege verdreht dabei wegen der umstrittenen Qualität der deutschen Küche die Augen. Dann sind auf einmal Schüsse zu hören.

Als Spannungsbeschleuniger dienen die konfliktreichen Umstände des historischen Ereignisses. Etwa der Umstand, dass die Deutschen die Olympischen Spiele auch dazu nutzen wollten, um ihr vom Zweiten Weltkrieg ramponiertes Image aufzubessern – und letztlich ein weiteres Mal darin versagten, jüdische Leben zu schützen. Oder dass sich die ABC-Journalisten in doppelter Hinsicht auf fremdem Terrain befinden: als Ausländer in Deutschland und als Sportreporter, die sich durch die Ereignisse an einer politischen Berichterstattung versuchen müssen, weil sie die Einzigen vor Ort sind.

Wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen

Dreh- und Angelpunkt dieses Unterfangens ist der noch unerfahrene Aufnahmeleiter Geoffrey Mason (John Magaro), der im Eifer des Gefechts schon mal vergisst, dass es sich jetzt nicht mehr um einen sportlichen Wettkampf handelt. Sobald Menschenleben auf dem Spiel stehen, reicht es nicht mehr, bloß schnell und effektiv zu sein; es drängen sich vielmehr Fragen über Verantwortung und Moral auf. Mit detektivischer Beobachtungsgabe kommt Mason durch einen Fernseher, der sich im Fenster spiegelt, darauf, dass die Live-Berichterstattung über die auf dem Dach lauernden Scharfschützen auch von den Terroristen verfolgt wird. Wie sollen sich die Reporter verhalten, falls jemand vor laufender Kamera erschossen wird? Sendet man die Bilder oder blendet man aus Pietätsgründen aus?

Die Gratwanderung zwischen journalistischem Ehrgeiz, Anstand und Vernunft löst „September 5“ in einem präzise durchgetakteten und mit 89 Minuten Laufzeit für heutige Verhältnisse ungewöhnlich kompaktem Genrestück geschickt auf. Das Fernsehstudio wird dabei zu einer Hochdruckkammer, von der aus vor allem die deutsche Übersetzerin Marianne (Leonie Benesch) den Kontakt zur Außenwelt herstellt. Ihre Figur leidet jedoch etwas darunter, dass sie entweder Vermittlerin für Hintergrundinformationen ist oder mit betroffenem Blick das schlechte Gewissen der Deutschen verkörpert.

Ein dunkler Schatten

„September 5“ verarbeitet den historischen und politischen Kontext überwiegend beiläufig. Die Geschehnisse sind meist von Zeitdruck und Improvisationsgabe geprägt. Nacheinander müssen sich die Reporter an Hindernissen abarbeiten. Am Telefon wird erbittert um Sendezeit gestritten und ein Mitarbeiter als falscher Sportler in das mittlerweile abgesperrte Olympische Dorf geschleust. Als die Terroristen mit den Geiseln auf einen Militärflugplatz in Fürstenfeldbruck fliehen und es plötzlich keine Bilder mehr zur Orientierung gibt, muss Mason den Gerüchten und seinem Instinkt vertrauen. Als hoch gepokert wird, inszeniert Fehlbaum das mit einer Konzentration, die nahelegt, dass etwas nicht stimmt. Für die Zuschauer liegt über diese Szenen aber ein dunkler Schatten, weil man um den tödlichen Ausgang der Entführung weiß.

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