Drama | USA 2024 | 94 Minuten

Regie: Sean Wang

Der 13-jährige Sohn taiwanesischer Einwanderer hat im Sommer 2008 in Kalifornien nicht nur mit dem Übergang von der Kindheit ins Jugendalter zu kämpfen. Sein Vater ist abwesend, mit Schwester, Mutter und Großmutter läuft es auch nicht rund, und das ältere Mädchen, das ihn brennend interessiert, hält ihn für einen Asiaten. Der auf autobiografischen Erfahrungen beruhende Jugendfilm entwirft ein hautnahes Bild des Heranwachsens, das durch doppelte kulturelle Verwurzelung des Protagonisten zusätzlich verkompliziert wird. Hinzu kommen mediale Neuerungen wie Instant Messenger, Facebook und Youtube plus erste Erfahrungen als angehender Filmemacher. All das verbindet der Film zu einem sensiblen, lustvollen Drama über die Achterbahnfahrt der Teenagerzeit. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DÌDI
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Unapologetic Projects/Maiden Voyage Prod./Spark Features/Antigravity Academy
Regie
Sean Wang
Buch
Sean Wang
Kamera
Sam A. Davis
Musik
Giosuè Greco
Schnitt
Arielle Zakowski
Darsteller
Izaac Wang (Chris Wang) · Joan Chen (Chungsing Wang) · Shirley Chen (Vivian Wang) · Chang Li Hua (Nai Nai) · Mahaela Park (Madi)
Länge
94 Minuten
Kinostart
15.08.2024
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Komödie
Externe Links
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Beschwingter Jugendfilm über den 13-jährigen Sohn taiwanesischer Einwanderer in Kalifornien, der im Sommer 2007 mit vielen Herausforderungen kämpft.

Diskussion

Chris Wang (Izaac Wang) ist dreizehn Jahre alt. Gerade hat er einen Schulabschluss hinter sich gebracht. In ein paar Wochen wird er die High School in Fremont in Kalifornien besuchen. Vorher erhält er aber noch eine Zahnspange, deren Farbwahl bei seinen Freunden auf große Anerkennung stößt.

Was Chris in den „Zahnspangen“-Wochen bis zur High School erlebt, ist eigentlich kaum der Rede wert, andererseits aber eines der größten Abenteuer überhaupt. Und unterm Strich auch eine erstaunliche Erfolgsgeschichte. Denn Chris, den seine Clique „Wang-Wang“ ruft und der in der Familie „Didi“ (Söhnchen oder kleiner Bruder) geheißen wird, kann sich für diese Wochen so einiges vorstellen. So findet er die Skaterkultur cool, auch wenn er selbst jedes Talent missen lässt. Er hat etwas für seine ältere Mitschülerin Madi (Mahaela Park) übrig und stalkt sie auf Facebook, um für eventuelle Begegnungen gewappnet zu sein. Er ist dabei so erfolgreich, dass Madi ihn durchschaut, aber gerade deshalb „cute“ findet. Als sie dann aber einschränkend „für einen Asiaten“ anfügt, trifft das Chris empfindlich, denn der Sohn taiwanesischer Eltern wäre zumindest gerne ein „halbasiatischer“ Pubertierender.

Im Dauerclinch

Damit weitet sich der Blick des von Sean Wang offenkundig mit allerlei autobiografischen Details und Beobachtungen angereicherten Spielfilmdebüts. Die Familie Wang lebt zwar in den USA, doch der Vater ist zum Geldverdienen nach Taiwan zurückgekehrt und – zumindest in der kurzen Erzählzeit von „Didi“ – abwesend. Chris wächst also vaterlos auf, in einem Frauenhaushalt voller Konflikte. Da ist die vier Jahre ältere Schwester Vivian (Shirley Chen), mit der sich Chris in einer Art Dauerclinch befindet, der von Verbalattacken bis zu fiesen Rachestreichen reicht. Immerhin scheint sich das bald von selbst zu erledigen, denn Vivian steht kurz vor dem Absprung ins College.

Es gibt aber auch die Großmutter Nai Nai (gespielt von Chang Li Hua, der Großmutter des Regisseurs), die prinzipiell nur Chinesisch redet, auf Traditionen achtet und den Kontakt zur anderen Kultur grundsätzlich für gefährlich hält. Schon der kleinste Fehler könnte in ihren Augen das Ende der Familie Wang bedeuten, wie sie es als Szenario einmal meisterhaft entwirft.

Innerhalb der Familie Wang fungiert Nai Nai zudem als personifizierter Vorwurf an die Mutter Chungsing (großartig empathisch: Joan Chen), weil die in ihren Augen als Mutter permanent versage. In einer sehr intimen Szene erzählt die Mutter ihrem Sohn davon, wie sie es gelernt hat, ihre eigenen Träume umzuleiten. Einst wollte sie unbedingt als Malerin Karriere machen. Doch als Mutter in einer dysfunktionalen Familie sei es ihre zentrale Aufgabe geworden, ihren Kindern ein Zuhause zu schaffen. Ihr, der Mutter des Regisseurs, ist der Film gewidmet.

Wenngleich Chris im Film und auch in seinem eigenen Leben eindeutig der Protagonist ist, so gelingt es „Didi“ durchaus, auch den Nebenfiguren Raum zu verschaffen und ihre je eigenen Geschichten zumindest anzudeuten.

Wie man besser Küssen lernt

Für Chris, aber auch für seine Clique, ist die kurze „Zahnspangen“-Zeit auch ein Labor der Erprobung unterschiedlicher Selbstentwürfe. Also ein kunterbuntes Identitätskabinett. Das führt allerdings auch dazu, dass nicht alle Freundschaften die Zeit überdauern, da sich fortwährend neue Perspektiven ergeben. Chris ist mal zu schweigsam, aber wieder zu offenherzig, mal verstört, mal aggressiv, ist mal zu selbstbewusst, muss dann aber Kritik an seiner Selbstüberschätzung einstecken.

In einer coolen Skatergruppe findet er neue Freunde, für die er als Filmemacher von Skaterfilmen fungiert. Leider aber lässt das gedrehte Material zu wünschen übrig. Das ist allerdings eine weitere Qualität von „Didi“, der seine Geschichte mit allerlei Impression aus der Medienarchäologie anreichert. „Didi“ spielt 2008 und eröffnet eine Wiederbegegnung mit AOL, ICQ-Messenger, dem Klingeltöne-Wahnsinn und dem hippen neuen Ding namens Facebook. Social Media fährt seine Krallen aus, im Hintergrund läuft US-Indie-Rock. Jungenstreiche werden mit Wackelbildern dokumentiert und dann schnurstracks auf YouTube hochgeladen. Dort finden sich auch die Tutorials, um sich den Slang der Skater und erfolgversprechende Kusstechniken anzueignen. Allerdings muss man permanent auf der Hut sein, damit auch das vorgestern gebastelte Image noch den Ansprüchen von Übermorgen genügt.

Wo sich so viele Chancen eröffnen, ist das Risiko des Scheiterns immer präsent. Bestes Beispiel dafür Chris’ Wissen über Madis Lieblingsfilme. Das bringt ihm beim Flirten zwar ein paar Punkte ein, führt aber gleich wieder zur Ernüchterung, wenn ihm die entsprechenden Filme auf Rückfrage offenkundig unbekannt sind. Die Chuzpe, mit der er sein Versagen weglächelt, macht ihn für Madi jedoch ganz besonders, zumal es ja durchaus spontane Geschmacksübereinstimmungen zu geben scheint.

Ein großer Publikumserfolg

Doch Madis Selbstbewusstsein ist Chris dann doch ein paar Nummern groß. Für eine Coming-of-Age-Geschichte ist „Didi“ hingegen ein paar Nummern zu klein. Aber am Schluss, ohne Zahnspange, hat Chris zumindest so viele Erfahrungen gesammelt, dass er am ersten Tag in der High School einen Kurs wählt, der am Horizont perspektivisch einen Film wie „Didi“ aufscheinen lässt. Mit dem konnte Sean Wang auf internationalen Festivals wie Sundance oder München zwar nicht überraschen, hat aber zu Recht die Publikumspreise abgeräumt.

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