Dokumentarfilm | USA 2024 | 89 Minuten

Regie: Yance Ford

Immer wieder schrecken Berichte über den allgegenwärtigen Rassismus und ungezügelte Polizeigewalt in den USA auf. In einer temporeichen Mischung aus Montagesequenzen und Aussagen von Akademikern greift ein persönlich gefärbter Filmessay weit in die Geschichte zurück und liefert Theorien über die Entwicklung zur heutigen Polizei, die letztlich dem staatlichen Gewaltmonopol widerspreche. Dabei belässt es der Film bei der Problemdiagnose und Warnungen vor etwaigen Auswirkungen auf die Demokratie, Lösungsansätze bleiben ausgeklammert. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
POWER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Multitude Films/Story Syndicate
Regie
Yance Ford
Buch
Yance Ford · Ian Olds
Kamera
Julia Liu
Musik
Robert Aiki Aubrey Lowe
Schnitt
Ian Olds
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Ein Dokumentarfilm auf den Spuren der eklatanten Polizeigewalt in den USA, der die Entstehungsgeschichte der Polizeibehörden aufrollt und vor deren kaum regulierter Macht warnt.

Diskussion

Seit Jahren erschüttern immer wieder Berichte aus den USA über brutale Polizeiübergriffe vor allem gegenüber Afroamerikanern die Öffentlichkeit. Einer der spektakulärsten Fälle dürfte George Floyd sein, der im Mai 2020 bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben kam, nachdem ein weißer Polizist sein Knie gut neun Minuten auf Floyds Hals gepresst hatte. Die davor wie danach trotz Protesten von Bürgerrechtsbewegungen grassierende Polizeigewalt ist das zentrale Thema in dem Dokumentarfilm „Power“ des US-Regisseurs Yance Ford. Der Afroafrikaner ist in der Sache persönlich betroffen, sein Bruder William wurde 1992 von einem weißen Automechaniker erschossen, der Täter blieb straffrei. Diese bitteren Erfahrungen verarbeitete der Regisseur 2017 bereits in dem dokumentarischen Film „Strong Island“, der 2018 eine „Oscar“-Nominierung erhielt.

War diese filmische Kombination aus detektivischer Spurensuche und Interviews mit Angehörigen und Freunden durch die Perspektive des persönlich Betroffenen charakterisiert, so erweitert Ford im distanzierter angelegten Folgewerk den Blick auf den Zustand der Polizei insbesondere durch Ausflüge in die Historie. Während Ford im ersten Film als Erzähler auftritt und sich bei Recherchen filmen lässt, ist er im zweiten Film nur hin und wieder als Erzähler zu hören. An die Stelle der Interviews mit Freunden und Familie in „Strong Island“ treten nun zahlreiche Statements von amerikanischen Hochschulprofessoren und anderen Experten.

Eine geschmeidige Montage verknüpft diese Aussagen und die Off-Kommentare Fords mit zahlreichen aktuellen oder historischen, oft schwarz-weißen Bewegtbildsequenzen bis hin zu Bodycam-Aufnahmen, die eine erschreckende Gewaltbereitschaft der Polizeibeamten im Einsatz enthüllen.

Aus dezidiert persönlicher Sichtweise

Unübersehbar geht es Ford nicht um bloße Informationsvermittlung, er verfolgt eine eigene Agenda und interpretiert das Themenfeld aus einer dezidiert persönlichen Sichtweise. Ausgangspunkt ist dabei die These: „In den USA ist Polizeigewalt praktisch nicht reguliert.“ Als wichtiger Gewährsmann aus der Sphäre der täglichen Polizeiarbeit fungiert dabei der langgediente schwarze Police Inspector Charlie Adams, dessen Revier in Minneapolis nur sechs Meilen vom Ort des Totschlags an George Floyd entfernt ist. Zu Beginn des Films konstatiert Adams: „Unsere Polizei ist eine paramilitärische Organisation.“

Ford und sein Co-Autor Ian Olds strukturieren ihre Chronik durch die Aufteilung in thematische Kapitel wie soziale Kontrolle, Niederschlagung von Aufständen, Gewalt, Widerstand, weltweiter Aufruhr, Expansion und Status quo. Ein zentrales Erkenntnisinteresse ist dabei: Wie konnte es zu den heutigen Missständen in der Polizeiarbeit in den USA kommen?

Inserts informieren eingangs, dass die erste, öffentlich finanzierte Polizeitruppe 1838 in Boston entstand. Und dass es heute in den USA 18.000 staatliche und lokale Polizei- und Sicherheitsbehörden gibt, die mehr als eine Million Beamte beschäftigen. Gerade der latente oder offene Rassismus in den Reihen der Polizei hat immer wieder gesellschaftliche Konflikte bis hin zu gewalttätigen Unruhen geschürt, die wiederum den Ruf nach Recht und Ordnung gestärkt haben. Im Laufe der Jahrzehnte hat dieser Teufelskreis zu einer schleichenden Aufstockung der Polizeikräfte geführt. Frappierend ist in diesem Zusammenhang eine Montagesequenz, in der Präsidenten von Lyndon B. Johnson über Richard Nixon bis zu Donald Trump und Joe Biden einhellig höhere Budgets für die Polizei fordern oder zusagen, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit.

Dringend reformbedürftig

Im Zuge der Durchleuchtung des weitgespannten Problemfeldes kommen Ford und seine Kronzeugen zu dem Ergebnis, dass das System der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden dringend reformbedürftig sei. Als Schlüsselproblem bezeichnet die Juraprofessorin Christy Lopez aus Washington die ubiquitäre Straflosigkeit: „Es geht darum, dass die Beamten sich an das Gesetz halten und die Konsequenzen dafür tragen, wenn sie es nicht tun. Das größte Problem ist aber, dass der Schaden, den sie anderen zufügen, meist völlig legal ist.“

Einige der Fachleute wie der Universitätsprofessor Julian Go aus Chicago sehen im ungebrochenen Trend zu noch mehr Polizei, Kontrolle und Gewaltausübung auf längere Sicht eine Gefahr für das demokratische Gemeinwesen: „Wir könnten der Polizei als quasi vierter Gewalt im Staat noch mehr Macht verleihen. Doch das wäre fatal für die Demokratie.“ Das Problem ist erkannt, nun geht es um die schwierige Frage: Wie löst man es? Das könnte das Thema für Fords dritten Film werden.

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