Nilas Traum im Garten Eden
Dokumentarfilm | Deutschland 2024 | 102 Minuten
Regie: Niloufar Taghizadeh
Filmdaten
- Originaltitel
- LE RÊVE DE NILA AU JARDIN D'ÉDEN
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Windcatcher Prod./ZDF/ARTE
- Regie
- Niloufar Taghizadeh
- Buch
- Niloufar Taghizadeh
- Kamera
- Niloufar Taghizadeh
- Musik
- Majid Derakhshani
- Schnitt
- Petra Bereuter · Marlene Assmann-Khoueiry
- Länge
- 102 Minuten
- Kinostart
- 11.04.2024
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- TMDB
Dokumentarfilm über eine Iranerin aus der Stadt Maschhad, die um das Sorgerecht für ihre aus einer Zeitehe hervorgegangene Tochter kämpft.
In Maschhad liegt der achte schiitische Imam Reza begraben, was die zweitgrößte Stadt des Irans zu einem religiösen Zentrum macht. Jedes Jahr reisen mehr als 20 Millionen Pilger und Touristen dorthin. Aber nicht alle Besucher des heiligen Schreins suchen spirituelle Erbauung. Viele schauen sich auch nach Partnerinnen auf Zeit um. Denn die nach geltendem Recht legale Sigheh-Ehe erlaubt es schiitischen Iranern, neben ihrer regulären Ehe zusätzliche Zeitehen mit bis zu vier Frauen zu führen. Dabei sind Zeiträume zwischen einer Stunde und 99 Jahren erlaubt. Die eigentliche Ehefrau braucht nicht informiert werden. Per Vertrag müssen hingegen Zeitraum und Mitgift fest vereinbart sein. „Nilas Traum im Garten Eden“ ist ein intimer Film über diese rechtliche und moralische Grauzone.
Leyla Biouk ist eine der Frauen, die solch eine Sigheh-Ehe eingegangen ist. Ihre Tochter Nila ist jetzt sechs Jahre alt und braucht, um an einer Schule aufgenommen zu werden, eine Geburtsurkunde. Doch der Vater hat sich bisher strikt geweigert, eine schriftliche Erklärung zu Vaterschaft und Sorgeverhältnis abzugeben. Leyla schaltet einen Anwalt ein. Doch mehrere Gerichtstermine verstreichen, weil der Zeitehepartner nicht kommt. Als er dann doch reagiert, beschimpft er Leyla am Telefon, droht, sie „mit Säure zu überschütten“ und ihr das Kind wegzunehmen.
Die Drohungen werden konkreter
Regisseurin Niloufar Taghizadeh lebt seit 1996 in Deutschland. Sie hat mehrere Filme und Dokumentationen über iranische Themen gemacht. „Nilas Traum im Garten Eden“ ist ihr bislang persönlichster Film. Mit der Protagonistin Leyla ist Taghizadeh in Maschhad gemeinsam zur Schule gegangen. Jetzt begleitet sie Leyla bei Behördengängen, wird zur Zeugin der Drohanrufe ihres Zeitehen-Ex-Mannes und der Telefonate mit dem Rechtsanwalt. Tatsächlich hält Leyla nach einem endlosen Kampf mit der Bürokratie die Geburtsurkunde ihrer Tochter in der Hand; doch nun droht der Vater immer konkreter, ihr das Kind wegzunehmen.
„Nilas Traum im Garten Eden“, der zum Teil undercover gedreht wurde, blickt hinter die Kulissen des islamischen Gottesstaates. Erwartungsgemäß geht es hier mit Doppelmoral und starkem Druck zu. Die Eindrücke, die Taghizadeh aus dem Iran zeigt, sind aber nicht nur schwarz-weiß. Abseits des öffentlichen Raumes nehmen sich Leyla und ihre Tochter die Freiheit, von einer besseren Zukunft zu träumen. Auf Partys hinter verschlossenen Türen wird verhalten getanzt, der Rechtsanwalt bleibt, wenn auch mit Hilfe von schwarzem Humor, optimistisch. Und zwischen Drohnenaufnahmen vom heiligen Schrein und einem Rundgang über den städtischen Rummelplatz bekommt man durchaus einen Eindruck davon, warum Maschhad für Touristen und Pilger so attraktiv ist.
Immer schwingt eine Portion Angst mit
Doch wenn die Kamera das fast symbiotische Zusammenspiel von Mutter und Tochter zeigt, schwingt stets auch eine Portion Angst mit. Leyla würde alles für ihre Tochter tun, sogar illegal über die grüne Grenze gehen. Allerdings würden sie die Schlepper wahrscheinlich vergewaltigen. Und die Taxifahrerin, die die beiden einmal zur Kirmes bringt, ist auch nicht mehr bereit, „in den Norden“ zu fahren.
Indes reift Nila immer mehr zur Frau heran. Schon bald wird sie „Aufmerksamkeit auf sich ziehen“, was, wie Leylas Zeitehen-Geschichte zeigt, für Frauen im Iran meist von Nachteil ist. Der Film dokumentiert auf einer persönlichen Ebene den Dauerstress im Kampf mit einer empathielosen Bürokratie und einem Gesellschaftsverständnis, das Frauen kaum Spielräume zur Entfaltung lässt. Am Ende sitzen Leyla und Nila auf gepackten Koffern. Doch die Hoffnung bleibt bang.