Holy Week
Drama | Rumänien/Schweiz 2024 | 133 Minuten
Regie: Andrei Cohn
Filmdaten
- Originaltitel
- SAPTAMANA MARE
- Produktionsland
- Rumänien/Schweiz
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Mandragora/Bord Cadre Films
- Regie
- Andrei Cohn
- Buch
- Andrei Cohn
- Kamera
- Andrei Butică
- Schnitt
- Andrei Iancu · Dana Bunescu
- Darsteller
- Doru Bem (Leiba) · Nicoleta Lefter (Sura) · Ciprian Chiricheș (Gheorghe) · Mario Gheorghe Dinu · Ana Ciontea (Gheorghes Mutter)
- Länge
- 133 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama | Historienfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Ein jüdischer Wirt wird 1889 im dörflichen Rumänien so lange Zielscheibe von Antisemitismus, bis er sich in einen fatalen Verfolgungswahn hineinsteigert.
Wenn man als einziger Jude in einem rumänischen Dorf am Ende des 19. Jahrhunderts lebt, braucht man ein dickes Fell. Leiba (Doru Bem), der jüdische Schankwirt des Ortes, wohnt auf einem Gehöft, das Schenke, Haus, Stall und ein Gästehaus beherbergt. Leiba, seine Frau Sura (Nicoleta Lefter) und Sohn Eli durchleben harte Zeiten. Der Gasthof ist zwar ein alltäglicher Versammlungsort für die Dörfler und ein Anlaufpunkt für Durchreisende, doch der Wirt kommt finanziell kaum über die Runden. Zudem beschweren sich die Einwohner des Dorfes, dass er die Preise erhöht habe, oder beschuldigen ihn, schlechten Wein vorzusetzen. Leiba muss sich rechtfertigen, muss verhandeln und beschwichtigen. Dabei ist nicht nur das Geld knapp. Seine Frau erwartet ein weiteres Kind und wurde von einem angeketteten, scheinbar verrückten Gefangenen im Dorf brutal angegriffen. Niemand schritt ein, bis die Polizisten, die ihn bewachen sollten, ihn notdürftig bändigten.
Am Sabbat bleibt die Schenke zu
Auf diese Weise muss Leiba an allen Fronten kämpfen. Seine Kunden aus dem Dorf klopfen in seiner Gegenwart rassistische und antisemitische Sprüche. Man unterhält sich pseudo-wissenschaftlich über vermeintlich minderwertige Menschen wie „Zwerge“, „Zigeuner“ oder Juden. Türken seien auch alle Diebe; da sind sich die Dörfler einig. Die orthodoxe Heilige Woche vor dem Osterfest steht an, und so rühmt man nach einigen Gläsern Wein auch lautstark die Überlegenheit des Christentums. Leiba lässt sie reden. Da ist nichts, was er nicht schon gehört hätte. Am Sabbat bleibt die Schenke zu, doch ein Trupp Dörfler drängt sich auf das Gehöft und fordert Alkohol ein.
Am meisten Ärger hat Leiba allerdings mit seinem christlichen Knecht Gheorghe (Ciprian Chiricheș). Er ist ständig betrunken, unzuverlässig und hat das Huhn für Leibas Familie nicht von den für die Gäste bestimmten Hühnern separiert; damit kann es nicht mehr koscher geschlachtet werden. Leiba entlässt ihn, doch Gheorghe droht, sich zu Ostern an der jüdischen Familie zu rächen.
Schon die erste lange Einstellung des Historienfilms von Andrei Cohn, der auf der Novelle „Eine Osterkerze“ von Ion Luca Caragiale basiert, fängt die Atmosphäre im Dorf ein. Man erlebt die Aggression gegen Leibas Frau Sura, danach leert sich die Wiese allmählich und nur eine große Herde Schafe läuft noch durchs Bild. „Holy Week“ spielt in einer archaischen Dorfgemeinschaft, deren Einwohner ein hartes Leben fristen und in der Solidarität nur innerhalb von Konfessionen herrscht. Durch den Film ziehen sich beeindruckende Bilder einer intakten Natur: Felder, ein See, kleine Berge oder aufsteigender Morgennebel. Deren scheinbare Friedlichkeit kontrastiert stark mit den immer heftigeren Spannungen im Dorf.
Die Angst greift um sich
Bei Leiba beginnt sich der Stress, dessen er durch die latente oder direkte Feindseligkeit allenthalben ausgesetzt ist, in Angst zu verwandeln. Täglich wird ihm vermittelt, dass er nicht dazugehöre oder sein Glauben und seine Werte denen der Mehrheit nicht ebenbürtig seien. Je mehr die Dorfbewohner trinken, desto weniger Hemmungen haben sie, sich rassistisch, antisemitisch und frauenfeindlich zu äußern. Als Leiba nach den Drohungen von Gheorghe den Bürgermeister um Beistand bittet, lässt dieser ihn abblitzen.
Die ständige Konfrontation mit den anderen spiegelt sich auch bildlich wider. Drinnen oder auch auf dem Hof, wenn keine Dörfler zugegen sind, gibt es noch Momente eines innigen Familienlebens. So verspricht Leiba seinem Sohn Eli, mit ihm eines Tages in die Stadt zu fahren, um ein Eis zu kaufen, was für den Jungen fast unvorstellbar ist. Gespräche zwischen den Eheleuten kreisen um die Familie, aber auch um das Gelobte Land, das am Mittelmeer auferstehen soll. Für Leiba ist es jedoch keine Option; er will lieber im Dorf bleiben, hier fühlt er sich heimisch.
Die Katastrophe scheint unausweichlich
Doch die Gefahr von außen dringt allmählich auch in Leibas Heim. Verbal weiß er sich zwar durchaus zu wehren und kann überzeugende Argumente vorbringen. Doch als seine Versuche, mit Worten die Menschen zu erreichen, immer weniger fruchten, nimmt die Angst überhand. Der Wirt, der sich als Beschützer seiner Familie versteht, kann allmählich nicht mehr zwischen wahrer und eingebildeter Bedrohung unterscheiden. Damit bringt er seine Familie jedoch erst recht in Gefahr. Seine Frau Sura erscheint in dieser Hinsicht um einiges couragierter und klarsichtiger, ist aber von Leiba abhängig, schwanger und seit dem Überfall bei fragiler Gesundheit.
So schürt die Inszenierung immer mehr eine unheilvolle Spannung, welche durch die Paranoia des Protagonisten befeuert wird. Die Katastrophe scheint unausweichlich und entlädt sich schließlich am Osterfest. Äußerst anschaulich führt „Holy Week“ vor Augen, wie permanente verbale und physische Angriffe bei Menschen Spuren hinterlassen und ihre Psyche beeinträchtigen. Am Ende zieht der Film die Protagonisten in einer fatalen Spirale in den Abgrund, was allerdings eher nachlässig inszeniert ist; ein paar Puzzleteile scheinen hier in der Inszenierung zu fehlen.