Am Anfang steht ein Zitat von C.S. Lewis: „Sorrow turns out to be not a state, but a process. It needs not a map, but a history.” Es geht also um Leid, um Trauer und darum, wie man mit beidem umgeht und den Kummer überwindet. Doch zunächst zeigt der Schauspieler Nathan Wetherington („Eiskalte Engel 3“) in seinem Regiedebüt so etwas wie eine Idylle. Eine Ehefrau verabschiedet sich frühmorgens liebevoll von ihrem Mann, der sich noch verschlafen im Bett räkelt. Sie müsse schnell zur Arbeit und vorher noch die Tochter zur Schule bringen. Doch schon im nächsten Augenblick ist alles anders: Frau und Tochter sterben auf dem Schulweg bei einem Autounfall, verursacht von einem betrunkenen Fahrer.
Die Flucht nach vorn antreten
Den Unfall zeigt der Film nicht; was passiert ist, muss sich der Zuschauer langsam erschließen. Preston Avery (Jeffrey Doornbos) bleibt allein zurück und fällt in eine tiefe Leere. Ablehnung, Resignation, Wut, Sinnlosigkeit, Depression – er macht alle Stadien des Kummers durch. Freunde und Bekannte erreichen ihn nicht mehr, ihr Beileid, ihre tröstenden Worte machen alles nur noch schlimmer. Bis eines Tages mysteriöserweise eine alte Ducati vor seinem Haus steht und sich Preston kurzerhand entschließt, seiner Trauer mit einer Motorradtour zu entfliehen.
„A Thousand Miles Behind“ heißt der Film „Roadtrip zurück ins Leben“ im Original – tausend Meilen durch Kalifornien, zwischen sich und dem Schmerz. Doch so einfach ist es nicht. Der Schmerz ist ständiger Begleiter, und Preston muss erst langsam wieder lernen, sich den Menschen, die er trifft, zu öffnen.
Zwischen dem Bedürfnis nach Einsamkeit und dem Wunsch nach Kontakt
Ein Road Movie also, und wie in so vielen Road Movies geht es auch hier darum, sich durch das Unterwegssein, durch die Reise, zu verändern. Was als Flucht vor der übergroßen Trauer beginnt, endet mit der kleinen Hoffnung, dass sich der Kummer überwinden lässt, wenn man ihn zulässt, den Verlust akzeptiert und die Vergangenheit hinter sich lässt. Hauptdarsteller Jeffrey Doornbos macht den Zwiespalt seiner Figur glaubwürdig und beeindruckend deutlich. Ungepflegt, mit struppigem Bart und ungekämmtem Haar, blickt er verwirrt auf Zufallsbekanntschaften, hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis nach Einsamkeit und dem Wunsch nach Kontakt, nach Verständigung mit anderen.
Tracey (Vanessa Campbell), eine schöne, warmherzige Frau, der er unterwegs begegnet, erkennt ihn sofort als „Einzelgänger“, so ihre Worte. Seine ruppige Verschlossenheit nimmt sie gelassen hin, mit dem Satz „That’s okay!“ nimmt sie häufig die Brisanz aus möglichen Konflikten. Natürlich kann sie kein Ersatz sein für Prestons tote Frau; für eine Liebesgeschichte ist in diesem Film kein Platz. Und doch ist Tracey da, wenn Preston Hilfe braucht. Sie gibt ihm den nötigen Anstoß, um sein Leben wieder aufzunehmen. Eine selbstlose Frau, die die Menschen liebt und darum auch nicht das Interesse an dem unfreundlichen Kerl verliert. Man kann Wetherington, der auch das Drehbuch schrieb, nicht genug dafür danken, eine derart charismatische Nebenfigur ersonnen zu haben.
Präzise Inszenierung
Bemerkenswert ist auch der Stil seines Films. Die frühen Szenen der Trauer sind – auch vom Regisseur als Co-Editor – kurz und präzise geschnitten und oft nicht ganz ausgespielt, um Leere und Sinnlosigkeit nur anzudeuten. Auf emotionalisierende Musikuntermalung wird komplett verzichtet und stattdessen dem Spiel des Hauptdarstellers und der Kraft der Bilder und Szenen vertraut, die davon erzählen, wie sich für Preston Avery nach dem Verlust seiner Lieben das eigene Zuhause plötzlich fremd und unbewohnbar anfühlt. Mit dem Besteigen des Motorrads weitet sich dann der Raum, die Schönheit der Natur kommt in den Blick, der Rhythmus wird gelassener, die Szenenfolge länger. Aus dem Drama um den Verlust der Familie ist ein sanftes Biker Movie geworden, das die Freiheit feiert – Neuanfang mit eingeschlossen.