Schon in der ersten Einstellung geht es um das Thema Ekel. Der Kulturpsychologe Paul Rozin lädt den Filmemacher Rubén Abruña zum Essen ein, das hauptsächlich aus Insekten besteht. Eine Art „Ekelprüfung“, die ihren Höhepunkt im Verzehr einer knusprig gebratenen Vogelspinne findet. Nebenbei erklärt Rozin, dass sich Menschen an fast alles gewöhnen. Ein kleines Experiment mit Schokolade in Form von Hundehaufen soll das illustrieren. Eine Studentengruppe tun sich anfangs schwer, die leckere Schokolade zu essen, weil sie in Form und Farbe an Exkremente erinnert. Doch dem kann leicht abgeholfen werden. Das Resultat unterstreicht die Einsicht, dass Fäkalien, wenn sie sichtbar sind, negativ konnotiert werden. Es scheint deshalb nur zu verständlich, dass Menschen dazu neigen, sie möglichst unsichtbar zu machen. Doch wo landen die Ausscheidungen eigentlich, nachdem sie unseren Körper und das Toilettenbecken verlassen haben?
Im Untergrund von Paris
Der Film führt zunächst in die „Gedärme“ von Paris, in die Kanalisation, die sich über mehr als 3.000 Kilometer unter der Stadt erstreckt. Hier kommen alle Abwässer zusammen. Nicht nur die aus den Toiletten, die von vielen auch als Mülleimer missbraucht werden, sondern auch aus Waschbecken, Duschen, Küchen, Gullys und Rinnsteinen. Eine übelriechende Brühe, in der sich die Mitarbeiter der Wasserwerke nur mit Atemschutzgeräten und Ganzkörper-Anzügen bewegen können. Von den unterirdischen Abwasserkanälen in Paris geht es zu einer der größten Kläranlagen der Welt nach Chicago. Ab da wird in der Film immer klarer, dass durch den herkömmlichen Umgang mit unseren Hinterlassenschaften mehr Schaden als Nutzen entsteht.
Abruña nähert sich geschickt dem eigentlichen Problem, indem er auf Ekelbilder verzichtet und weder schockiert noch provoziert. Stattdessen stellt er mithilfe von Protagonisten und anhand von Bildern seine Erkenntnisse vor. Der moderne Mensch hat den natürlichen Kreislauf des Lebens, zu dem auch die biologische Verwertung der Ausscheidungen gehört, nicht nur unterbrochen, sondern pervertiert. Für die möglichst unsichtbare und geruchlose Vernichtung der tabubehafteten menschlichen Exkremente wird eine unglaubliche Menge Trinkwasser verbraucht. Jede Toilettenspülung lässt etwa 7 Liter Trinkwasser verschwinden, das schon in naher Zukunft immer wertvoller werden wird. Die gemeinsame Verarbeitung von industriellen und privaten Abwässern, wie sie nahezu überall gebräuchlich ist, wirft zudem das Problem des zum Teil hochgiftigen Klärschlamms auf. Im Film kommt ein US-Molkereibesitzer zu Wort, dessen Existenz und Gesundheit durch die Verwendung von giftigem Klärschlamm ruiniert wurde. Er ist nur einer von vielen.
Am Ende gibt es wertvolle Humuserde
„Holy Shit“ hält aber auch gleich die passende Lösung parat: Trockentoiletten, durch die eine natürliche Kompostierung der Exkremente möglich wird. Durch den biologischen Prozess entwickelt sich mit etwas Wärme, Stroh oder Sägespänen, Bakterien und Würmern im Laufe von mehreren Monaten aus jedem Toilettengang wertvolle Humuserde.
In abwechslungsreicher Folge präsentiert der Film echte Vorkämpfer dieser Methode, die in verschiedenen Weltregionen an naturnahen und umweltfreundlichen Verwertungsmöglichkeiten für menschlichen Dung arbeiten. In Uganda, Schweden, Kanada, der Schweiz und in Deutschland existieren entsprechende Projekte, die in Zukunft einen nachhaltigen, ressourcensparenden Umgang mit unseren Hinterlassenschaften ermöglichen könnten – auch in Großstädten.
Abruña serviert seine informative, durchaus lehrreiche, aber vor allem unterhaltsame Weltreise in gut gestalteten Etappen, die wie an einer Perlenschnur eine logische Entwicklung aufzeigen. Sie enden jeweils mit einem kleinen Tableau: ein Standbild, auf dem der jeweilige Protagonist mit seinem Werk in seiner Umgebung zu sehen ist. Die Transportmittel zwischen den einzelnen Schauplätzen ziert jeweils ein dicker Haufen mit einem Heiligenschein darüber – Holy Shit, das Erkennungsmerkmal des Films, der überall als Blickfänger fungiert und seine Wirkung auf Passanten nicht verfehlt. Das alles ist hübsch ausgedacht und verleiht dem Film eine angenehm beschwingte Atmosphäre, die mitunter auch von Archivbildern oder kleinen Animationen unterstützt wird.
Auf zur Toilettenrevolution!
Christoph Maria Herbst sorgt als Off-Stimme für noch mehr Leichtigkeit, da er mit munter-fröhlicher Stimme und chevaleresker Eleganz durch diesen hochgradig informativen, humorvollen und unterhaltsamen Film führt, der mit einem klaren Appell endet: Lasst uns eine Toilettenrevolution beginnen!