Gerade noch wird andächtig gebetet, der Weihrauch entflieht malerisch durch ein halb geöffnetes Fenster. Im nächsten Moment geht es um Klo-Reiniger und Kohl fürs Mittagessen: Alltag im Priorat Sainte-Bathilde in Vanves vor den Toren von Paris. Hier leben gut ein Dutzend Benediktinerinnen, beten, arbeiten, diskutieren, plaudern und lachen miteinander. Der Dokumentarfilm „Nonnen“ von Lola Pidoux und Lorraine David zeigt mit leiser Poesie und einem schönen Blick fürs Detail das Leben der Frauen, die sich den Regeln des Heiligen Benedikts von Nursia unterworfen haben.
Es ist eine aus allen Teilen der Welt zusammengewürfelte Gruppe; der Großteil der Jüngeren stammt aus den Ländern des Globalen Südens, etwa Äthiopien oder Vietnam. Die Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg funktioniert dennoch. Die Älteren lehren die Jüngeren die französische Sprache. Zur Not, etwa im Gespräch mit Halyna aus der Ukraine, die in einem der Gästezimmer untergekommen ist, greift man auf die Dolmetscherfunktion des Smartphones zurück.
Die Orgel muss repariert werden
Die Benediktinerinnen sind den technischen Möglichkeiten gegenüber recht aufgeschlossen und nutzen ganz selbstverständlich digitale Endgeräte. Es ist vor allem dieser Pragmatismus, mit dem die Nonnen für sich einnehmen; die Frauen, allen voran die patente und führungsstarke Priorin Mutter Marie-Madeleine, scheinen sehr lebenstüchtig zu sein.
Die Orgel muss restauriert werden? Also veranstaltet man ganz unbescheiden den „Flohmarkt des Jahrhunderts!“, um Geld einzusammeln. Der Deckel der Tiefkühltruhe klappt immer wieder zu? Hält man ihn eben mit dem eigenen Kopf auf, während man in der Truhe herumwühlt. Die Ordensschwestern leben zwar hinter den roten Backsteinmauern eines alten Konvents – ihre 1921 begründete Gemeinschaft feiert während der Dreharbeiten 100-jähriges Bestehen –, aber mitnichten von der Welt abgewandt. Sie informieren sich über die Folgen der Klimakrise, recherchieren mit Hilfe von Google, plaudern über das Originalrezept von Coca-Cola oder eine französische Billigzuglinie oder haben immer wieder externe Besucher zu Gast.
So leichtfüßig wie intensiv
Einmal sagt eine der Nonnen: „Wir leben im Verborgenen.“ Das scheint der Film nicht ganz einzulösen, da er, womöglich auch aus Gründen der besseren „Abbildbarkeit“, viele Sequenzen eines durchaus lebendigen Kontakts zum „Außen“ porträtiert. Ob diese Gewichtung dem tatsächlichen Dasein hinter Klostermauern entspricht?
Filmisch betrachtet ist der Wechsel zwischen äußerer „Action“ und innerlichen Momenten, die die Benediktinerinnen beim Beten, Singen oder der Feier der Osternacht zeigen, sehr gelungen. Kerngedanken des benediktinischen Lebenswandels werden erörtert – Demut, Gehorsam, Armut, Ehrlichkeit, Zuhören –, aber mehr noch deren Umsetzung im alltäglichen Leben gezeigt.
Es ist ein leichtfüßiger und gleichzeitig sehr intensiver Einblick ins Leben einer Ordensgemeinschaft, der ganz auf Off-Kommentare verzichtet; auch Musik ist fast nur dann zu hören, wenn sie im konkreten Moment vor Ort ertönt. Den Filmemacherinnen ist es offensichtlich gelungen, das Vertrauen der Schwestern zu gewinnen. Die Sympathien scheinen dabei wechselseitig gewesen zu sein; der Film atmet ein ehrliches Interesse am klösterlichen Leben, ohne die Nonnen hagiografisch zu überhöhen. Der schlichte und zugleich universale Titel des Films passt gut zu Gegenstand und Machart; die ist unaufgeregt, beiläufig poetisch, hat aber auch Sinn für skurrile Bildmotive und leisen Witz. Mit der wiederkehrenden Diskussion über das Vesperläuten verfügt „Nonnen“ sogar über fast so etwas wie einen Running Gag.