1923
Drama | USA 2022 | 465 Minuten (8 Folgen) Staffel 1
Regie: Ben Richardson
Filmdaten
- Originaltitel
- 1923
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2022
- Produktionsfirma
- 101 Studios/Bosque Ranch Prod./MTV Entertainment Studios
- Regie
- Ben Richardson · Guy Ferland
- Buch
- Taylor Sheridan · Taylor Sheridan
- Kamera
- Corrin Hodgson · Ben Richardson · Robert McLachlan
- Musik
- Brian Tyler · Breton Vivian
- Schnitt
- Chad Galster · Byron Smith · Christopher Gay · Brooke Rupe · Todd Desrosiers
- Darsteller
- Helen Mirren (Cara Dutton) · Harrison Ford (Jacob Dutton) · Brandon Sklenar (Spencer Dutton) · Julia Schlaepfer (Alexandra) · Jerome Flynn (Banner Creighton)
- Länge
- 465 Minuten (8 Folgen) Staffel 1
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Serie | Western
Heimkino
Westerndrama-Serie um einen Familienclan, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts neuen Herausforderungen wie der sich ankündigenden Großen Depression stellen muss. Ein Spin-off zur Serie „Yellowstone“.
Panisch und atemlos läuft ein Mann durch den Wald. Ein Schuss – und die Gewehrladung reißt ihn von den Füßen. Eine weißhaarige Frau tritt ihm entschlossen gegenüber. Sie solle es sich nochmal überlegen, bettelt der Mann. Wenn sie ihn erschieße, komme sie nicht in den Himmel. „Was wissen Sie denn über den Himmel?“, blafft sie ihn an und betätigt nochmal den Abzug, doch das Gewehr klemmt. Kann der Verfolgte seine Pistole noch ziehen, und wer drückt zuerst ab? Cara Dutton überlebt knapp und schreit nun gen Himmel. „Gewalt hat diese Familie schon immer verfolgt“, erzählt eine Frauenstimme tonlos im Voice-over.
Eine Erweiterung von Taylor Sheridans „Yellowstone“-Universum
Der Western-Westen der USA ist kein mythologisch überhöhter Ort in den Filmen und Serien von Taylor Sheridan, er ist vielmehr eine unwirtliche Zumutung: verdörrt und schroff die Landschaft, abgehärtet und verhärmt die Siedler, unterdrückt und erschöpft die Ureinwohner. Hier gilt das Recht des Stärkeren, auch wenn es moralisch oder juristisch Unrecht ist. Dass die Gewalt nicht die Duttons verfolgt hat, sondern andersherum, berichtigt die Frauenstimme dann auch direkt: Sie folge ihnen nicht immer auf Schritt und Tritt, doch im Zweifel kämen sie auch selbst wieder zur Gewalt zurück. Sie weiß, wovon sie spricht: „1923“ spielt im über ein Jahrhundert umspannenden Kosmos der Western-Familiensaga „Yellowstone“. Der amerikanische Traum ist reiner Überlebenskampf bei Taylor Sheridan, so nun auch in der aktuellen Erweiterung seiner mittlerweile zum Sheridan-Universum ausgebauten Western-Welt.
Der Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur ist mittlerweile einer der umtriebigsten und produktivsten Showrunner Amerikas. Nach seiner Rolle als aufrechter Polizist in „Sons of Anarchy“, dem Erfolg mit dem Drehbuch zu Denis Villeneuves „Sicario“ (2015) und einer „Oscar“-Nominierung für das Drehbuch von „Hell or High Water“ (2016), ist er seit dem grimmigen Thriller „Wind River“ (2017) auch ins Regiefach gewechselt und hat sich mit der Western-Familiensaga „Yellowstone“ seit 2018 in mittlerweile fünf Staffeln zu einem der gefragtesten Serienentwickler hochgearbeitet. Darin erzählt er die Geschichte der Familie Dutton, die im heutigen Montana die größte Ranch der USA betreibt. Kevin Costner spielt darin das Familienoberhaupt John Dutton, der das Erbe, den Ruf und den politischen Einfluss seiner Sippschaft verwaltet und vehement verteidigt – „Succession“ mit Cowboys, wenn man so will.
„Hier in Montana teilen wir unser Land nicht“
Sheridan jongliert die großen Gesten und Themen der amerikanischen Geschichte und verpackt sie in die Perspektive einer Gewinnerfamilie: Die Duttons müssen ihr Land und ihr Vieh konstant gegen Gentrifizierungsversuche und Indigene aus einem angrenzenden Reservat verteidigen – „Hier in Montana teilen wir unser Land nicht,“ entfährt es John Dutton einmal aus tiefster Brust. Für ihn sind die Native Americans auch nur Player auf einem Immobilienmarkt, zu dem seine Vorfahren deren Land einst machten und in einem Euphemismus zur Siedlungsgeschichte umdeuteten. In Nebensträngen verhandelt Sheridan das Neben- und Gegeneinander dieser übergreifenden und existenziellen Interessen.
Die koloniale Seele der Familie bekam 2021 mit „1883“ ein Prequel, das erzählt, wie die ursprünglich aus Texas stammenden Duttons in Montana Fuß fassten. Mit „1923“ verfolgt er nun eine weitere Verzweigung des Stammbaums der Sippe. Harrison Ford und Helen Mirren glänzen als alterndes Westerner-Ehepaar Cara und Jacob Dutton, vom harschen Rancher-Leben gleichermaßen abgehärtet wie aneinandergeschweißt. Die beiden bilden auf der mit Familien- und Nationalgeschichte aufgeladenen Yellowstone-Ranch das Zentrum der Serie. Zwei Nebenstränge handeln von ihrem verloren geglaubten Neffen Spencer, einem Kriegsveteranen, der sich in Afrika als Großwildjäger verdingt, und der Gewalt, die europäische Missionare in einer kolonialen Residential School, einem Internat für indigene Mädchen, säen.
So bewährt wie abgenudelt
Das Strickmuster ist so bewährt wie abgenudelt und leider merkt man „1923“ an, dass Sheridan seine Serien mittlerweile am Fließband für eines der größten Studios produziert: Die lose miteinander verknüpften Handlungsstränge sind recht schablonenhaft geraten. Lediglich die dramatische Geschichte der indigenen Schülerin Teonna hätte Potenzial für eine neue Perspektive in der sich nun über diverse Jahrhunderte und Staffeln ziehenden patriarchalen Perspektive, kommt jedoch neben der oft selbstgerechten Seifenoper um die Duttons zu kurz. Wo „Yellowstone“ noch eine Dramaserie über Landbesitzer ist, wird „1923“ zur merkwürdig verklärten Schnulze, statt scharfem „Succession“-Charme versprüht das neue Spin-off bisweilen „Denver Clan“-Vibes und ist beinahe gänzlich der Romantisierung weißer Kolonialherrschaft verfallen. So bleibt hier zwar in der Generationenfolge der Duttons alles beim Alten, filmisch und narrativ allerdings ist „1923“ beinahe ein Rückschritt.