Rock Chicks - I am not Female to You

Dokumentarfilm | Deutschland 2022 | 78 (TV: 52) Minuten

Regie: Marita Stocker

Bei der Geburt des Rock’n‘Roll in den 1950er-Jahren sorgten auch zahlreiche Musikerinnen für Furore. Künstlerinnen wie Big Mama Thornton, Sister Rosetta Tharpe oder Memphis Minnie wurde zwar gerne als Studiomusikerinnen gebucht, doch bis auf wenige Ausnahmen wie Wanda Jackson blieb ihnen die große Karriere versagt. Der Dokumentarfilm porträtiert eine Reihe dieser Pionierinnen der Rockmusik in Gesprächen und mit einer Fülle beeindruckender Archivbilder. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Accentus Music/ZDF
Regie
Marita Stocker
Buch
Marita Stocker
Kamera
Mitja Hagelüken
Schnitt
Ana F. Fernandes
Länge
78 (TV: 52) Minuten
Kinostart
09.03.2023
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
TMDB

Doku über Musikerinnen aus der Anfangszeit des Rock’n’Roll, denen allerdings die große Karriere zumeist versagt blieb.

Diskussion

Rock’n‘Roll ist Männersache! Das war in den 1950er- und frühen 1960er- Jahren eine ausgemachte Sache, als Musiker wie Bill Hayley, Chuck Berry, Little Richard, Jerry Lee Lewis und Elvis Presley mit ihren Konzerten die Säle zum Kochen brachten. Frauen und Mädchen waren eigentlich nur für den Kreisch-Alarm im Publikum vorgesehen.

Dass es beim Aufbruch in diese Ära der Populärmusik aber auch Frauen gab, die den männlichen Heroen musikalisch oder auf der Bühne nicht nachstanden, ist bis heute ein blinder Fleck in der Geschichte der Rockmusik. Der Dokumentarfilm „Rock Chicks“ einige dieser Pionierinnen vor, deren Namen selbst Fans kaum geläufig sein dürfte. Wanda Jackson, die 1960 mit ihrer rauen Stimme den Song „Let´s have a Party“ zum Hit machte, wird manchem vielleicht noch ein Begriff sein. Aber Rosie Flores? Die Gitarristin begleitete Wanda Jackson über Jahre auf deren Konzerten und war wegen ihrer Virtuosität auch als Studiomusikerin überaus gefragt. Die Musikerin, inzwischen weit in den Siebzigern, gibt auch noch regelmäßig Konzerte, wobei sie vor allem die Überlandfahrten im eigenen Auto genießt, da ihr dabei ihre besten Songs einfallen.

Rockerinnen der ersten Stunde

Ähnlich ergeht es auch Linda Gail Lewis, einer Schwester des weit berühmteren Jerry Lee Lewis. Sie ist zwar nicht mehr gut zu Fuß, doch wenn sie sich ihre Cowboystiefel anzieht und in kleinen Clubs in der Provinz in die Tasten greift, tobt der Saal vor Begeisterung.

Wie Flores und Lewis haben auch einige andere Rockerinnen der ersten Stunde die Regisseurin Marita Stocker in ihre meist gutbürgerlichen Eigenheime eingeladen, wo sie auf geblümten Sofas über ihre wilden Zeiten reden. Aber auch, wie schwierig es war, in dem von Männern dominierten Business an Plattenverträge oder Auftritte zu kommen, obwohl sie den Männern in nichts nachstanden. Mit Schmunzeln betrachtet Kay Wheeler einen Filmausschnitt aus den 1950er-Jahren mit ihr und einem Hüftschwung, bei dem sich Elvis Presley vermutlich einen Bandscheibenvorfall zugezogen hätte. Überhaupt sind die Archivbilder und Konzertmitschnitte von Musikerinnen wie Big Mama Thornton, Sister Rosetta Tharpe oder Memphis Minnie ein wenig das Salz in der Suppe.

Die Filmemacherin bleibt in ihrer Dokumentation jedoch nicht bei den Pionierinnen des Rock’n’Roll, sondern spannt den Bogen bis in die 1980er-Jahre. Etwa zu Kristin Hersh, die einst die US-Indie-Band „Throwing Muses“ gründete und inzwischen solo unterwegs ist. Hersh erzählt sehr reflektiert über das Musikbusiness und moniert, dass die Unternehmen keine Musikerinnen, sondern ein Produkt, eine Marke wollten. Ähnlich äußert sich Kathy Valentine, die Bassistin der Band „The Go-Go’s“, die in den 1980er-Jahren große Erfolge feierte und noch immer Konzerte gibt. Breiten Raum nimmt Suzi Quatro ein, die ihre große Zeit als Bandleaderin und Bassistin in den 1970er-Jahren hatte. Bereitwillig öffnet sie die Tür zu ihrem „Ego-Zimmer“, wo sie ihre Erinnerungen an die glorreichen Zeiten aufbewahrt.

 

Über die Frage, wie groß Suzi Quatros Beitrag zur Geschichte der Rockmusik ist, lässt sich streiten, aber natürlich kommt ein Film wie „Rock Cicks“ nicht darum herum, eine Auswahl zu treffen. Dennoch erstaunt, dass Heroinnen wie Janis Joplin oder Grace Slick von der Band „Jefferson Airplane“ hier überhaupt nicht erwähnt werden, und auch von Chrissie Hydne von den „Pretenders“, Patti Smith und Debbie Harry („Blondie“) nirgendwo die Rede ist. Von all den weiblichen Rock- und Popstars der jüngeren Zeit ganz zu schweigen.

So bleibt es das Verdienst des durchweg kurzweiligen Films, in Gesprächen und Archivbildern Frauen aus der Gründerzeit des Rock’n‘Roll eine Stimme zu geben und die Geschichte der populären Musik zumindest ein Stück weit von einem blinden Fleck zu befreien.

Kommentar verfassen

Kommentieren