Drama | Österreich 2022 | 87 Minuten

Regie: David Wagner

Ein Vizeleutnant des Österreichischen Bundesheer ist als gefürchteter Ausbilder verschrien, der die Rekruten mit altertümlichen Methoden „schleift“. Als ein offen homosexueller Soldat in seiner Truppe landet, gerät sein patriarchales Männerbild, hinter dem sich seine eigene Homosexualität verbirgt, ins Wanken. Der auf einer wahren Begebenheit beruhende Film erzählt eine queere Liebegeschichte, die nicht zuletzt aus Kriegs- und Militärfilmen bekannte Motive verschiebt und ihr Verhältnis zur gesellschaftlichen Gegenwart befragt. Dabei orientieren sich die Bilder zuerst am inneren Kampf der Hauptfigur, um sich mit deren Entwicklung ebenfalls Schritt für Schritt zu öffnen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EISMAYER
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Golden Girls Film/ORF/ZDF/arte/ZDF – Das kleine Fernsehspiel
Regie
David Wagner
Buch
David Wagner
Kamera
Serafin Spitzer
Musik
LYLIT
Schnitt
Stephan Bechinger
Darsteller
Gerhard Liebmann (Charles Eismayer) · Luka Dimić (Mario Falak) · Julia Koschitz (Christina Eismayer) · Anton Noori (Striegl) · Christopher Schärf (Karnaval)
Länge
87 Minuten
Kinostart
01.06.2023
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Heimkino

Die Edition enthält eine Audiodeskription für Sehbehinderte.

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Queere Liebesgeschichte um einen drakonischen Ausbilder des österreichischen Bundesheeres, der sich in einen Rekruten verliebt.

Diskussion

Nach einem langen, leidenschaftlichen Kuss, einem richtigen Filmkuss, ist das Gesicht des Vizeleutnants ganz verschmiert. Mit Tarnschminke statt des in ähnlichen Situationen üblichen Lippenstifts. Seine Reaktion ist kein verschämtes Wegwischen; die braunschwarze Schmiere, eigentlich ein Mittel zur Camouflage, ist Zeichen einer stolz und öffentlich sich bekennenden Liebe. Es ist geschafft, endlich! Doch bis die Farbe ins Gesicht kommt, ist es ein mühsamer Weg. „Eismayer“ von David Wagner erzählt „nach wahren Begebenheiten“ von den Mühen wie vom Lohn.

Vizeleutnant Charles Eismayer (Gerhard Liebmann) ist im Österreichischen Bundesheer eine berüchtigte Figur. Unter den Rekruten kursieren wilde Storys; er sei ein lebender Toter und Psychopath, einer, der schon an vielen Krebsarten erkrankt sei, doch „der stirbt nicht“! Man kennt solche Schreckensgestalten aus Kriegsfilmen und Dramen, die ihren Schauplatz in Militärakademien und ähnlichen Ausbildungs- und Disziplinaranstalten haben. Als Eismayer zum ersten Mal vor der Truppe auftaucht, macht er seinem Ruf als „Schleifertyp“ auch tatsächlich alle Ehre. Zwanghaft sucht er nach Fehlern, schikaniert, schnaubt und brüllt nach Leibeskräften. Das bevorzugte Ziel seiner Attacken scheint dabei der Rekrut Mario Falak (Luka Dimić) zu sein – „ein klassischer Fall für den Eismayer“, wie die Kollegen voraussagen. Falak ist ehrgeizig, frech, attraktiv – und außerdem offen schwul. Für den verheirateten Familienvater Eismayer, der seine Homosexualität sein Leben lang verborgen und bekämpft hat, eine Provokation und Bedrohung.

Die Liberalisierung und ihre Grenzen

„Eismayer“ arbeitet mit bekannten Motiven, verschiebt sie und setzt sie einem Gegenwartstest aus. So zeigt sich schnell, dass in dieser sich überraschend geradlinig entwickelnden Liebesgeschichte der optimistische Falak nicht nur eine Art Antifigur zu den drangsalierten Opfertypen ist, auf die sich das „Genre“ so gerne stürzt. Auch kommen Eismayers altertümliche Methoden – Schultern, bis der Arm auskugelt, Rekruten nackt in die Kälte schicken und so weiter – bei seinen Vorgesetzten alles andere als gut an. Ein wesentlich jüngerer Oberst zitiert ihn in sein Büro, um ihn daran zu erinnern, dass die 1980er-Jahre doch wirklich vorbei seien, und fragt ihn herausfordernd, ob er vielleicht ein Problem mit Homosexualität habe.

Natürlich hat die Liberalisierung, auch das zeigt „Eismayer“, ihre Grenzen. Anfangs gerät Falak mit einem Rekruten aneinander, der sich durch seine Erektion unter der Dusche bedroht fühlt, und auch wenn Falak bei seinen Kameraden beliebt ist, sind „Schwuchtel“-Sprüche fester Bestandteil des Umgangstons. Trotz der anders weiterwirkenden oder auf die Ebene der Ironie verschobenen Homophobie betont die Inszenierung aber, dass der sogenannte „gesellschaftliche Wandel“ inzwischen auch beim Österreichischen Bundesheer angelangt ist.

Eismayer mag auf die Truppe zwar einen realen Leidensdruck ausüben, bewegt sich in seiner Performance – „dann bekomm ich Blutrausch“ – aber auch immer hart an der Grenze zur Lächerlichkeit. Der Inszenierung geht es jedenfalls nicht darum, die Figur mit einer gefährlichen Aura auszustatten und wählt deshalb einen eher leichten, fast spielerischen Ton. Ebenso wenig geht es darum, das Militär als einen Schauplatz schwelender Homoerotik und aufgeladener Körperlichkeit zu zeigen. Der Film ist ganz auf die Titelfigur und ihren inneren Kampf zugeschnitten; Ästhetisierung und Fetischisierung wären dabei nur im Weg.

Out of the Closet

Einzig die wiederkehrenden symbolisch aufgeladenen Aufnahmen einer Ruine im Wald erlauben sich ein atmosphärisches Eigenleben. Parallel zu Eismayers Entwicklung arbeitet sich die Kamera Stück für Stück vom Inneren ins Freie – out of the closet.

Der Weg vom patriarchalen, der Vergangenheit verhafteten Männerbild des Vizeleutnants, das nicht nur die Liebe, sondern auch eine Krebserkrankung und die unfreiwillige Versetzung in eine traurige Amtsstube abschafft, und Falaks „gesunder“ schwuler Maskulinität ist erstaunlich kurz. Was wohl auch daran liegt, dass die beiden Männer überzeugte Soldaten sind und den Glauben an Disziplin und Härte grundsätzlich teilen. Falak ist bei aller Aufmüpfigkeit ein ziemlicher Streber; seinen Ausbilder findet er „hart, aber gerecht“. So schematisch wie konsequent drehen sich mit seiner Krankheit die Rollen vom Disziplinarmeister der „feigen Schwuchtel“ um. „Eismayer“ ist schließlich ein symmetrischer, geradezu ordentlicher Film; sogar die Tarnfarbe verteilt sich schön gleichmäßig auf beide Gesichter.

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