Im Frühjahr 2015 reiste der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu nach Dharamsala, um den 14. Dalai Lama in seiner Residenz zu besuchen. Anlass war der 80. Geburtstag von Tenzin Gyatso, dem im Exil lebenden Oberhaupts des tibetischen Buddhismus. Die beiden Männer kennen sich seit einem Treffen im Jahr 1990 in Newark, USA, und haben sich seither intensiv angefreundet. Am Flughafen wird Tutu nach dem Zweck der Reise gefragt und sagt: „Wir wollen unsere Freundschaft genießen und eventuell über Freude sprechen.“
Es gibt aber noch einen weiteren Grund für den einwöchigen Besuch. In Dharamsala stellen sich die beiden spirituellen Lehrer den Fragen des Sachbuchautors Douglas Abrams, der von ihnen wissen möchte, wie die innere Freude dem Leben unabhängig von Leiderfahrungen und Unsicherheiten Sinn geben kann. Abrams war neun Jahre lang Lektor für Religion bei der University of California Press, ehe er seine eigene Literaturagentur gründete. Zudem ist er seit mehr als zehn Jahren Co-Autor von Tutu.
Ein kurzweiliges Potpourri
Die Interviews mit Tutu und dem Dalai Lama mündeten in das „Das Buch der Freude“ (2016), das in den USA zum Bestseller avancierte. Im Film allerdings drängt sich Abrams allzu oft und in selbstgefälliger Manier in den Vordergrund. Mit direktem Blick in die Kamera gibt er immer wieder Erklärungen zum Thema ab, so als würde er selbst interviewt; er beansprucht auch das Schlusswort, statt es seinen Gesprächspartner zu überlassen.
Die Filmaufnahmen der Interviews bilden das Grundgerüst des Films von Louie Psihoyos und Peggy Callahan Psihoyos. In diesen Rahmen sind Archivaufnahmen, Fernsehbilder und Wochenschau-Ausschnitte über die bewegten Lebenswege der beiden Protagonisten sowie Statements von Wissenschaftlern eingefügt. Dazu kommen animierte Sequenzen, die Schlüsselereignisse und Gewalterfahrungen vorwiegend aus Tutus Kindheit und Jugend illustrieren, etwa brutalen Übergriffe des versoffenen Vaters gegen seine sanftmütige Mutter.
Das kurzweilige Potpourri verfügt über erstaunlich viel Humor. Der Bischof und das Oberhaupt des Buddhismus verstehen sich prächtig, albern vor der Kamera herum, wenn sie sich nicht gerade hänseln, machen Witze und lachen sehr viel. Nicht umsonst nennen sie sich selbst „schelmische Brüder im Geiste“. Dass sie die gleiche Wellenlänge besitzen, sieht man schon daran, dass sie sich immer wieder die Hände streicheln und gelegentlich auch umarmen.
Mit Höhen und Tiefen
Ihre altersweise Gelassenheit ist umso bemerkenswerter, als beide auf ein Leben mit Höhen und Tiefen und vielen schmerzhaften Erfahrungen zurückschauen. Der heute 86-jährige Dalai Lama musste nach der Besetzung Tibets durch chinesische Truppen nach Indien fliehen, wo er seither im Exil lebt. Das geistliche und bis zu seinem freiwilligen Rückzug im Jahr 2011 auch weltliche Oberhaupt der Tibeter erhielt 1989 den Friedensnobelpreis. Bis heute wird er weltweit als moralische Autorität geachtet und für seine spirituelle Arbeit respektiert.
Tutu war emeritierter Erzbischof der Anglikanischen Kirche in Südafrika. Neben Nelson Mandela gilt er als Wortführer des Kampfs gegen das Apartheid-Regime; auch er erhielt 1984 den Friedensnobelpreis. 1985 wurde er zum Vorsitzenden der Wahrheits- und Versöhnungskommission berufen, die sich auf den Spuren von Mahatma Gandhi für Vergebung und Aussöhnung einsetzte. Tutu starb am 26. Dezember 2021 mit 90 Jahren in Kapstadt.
Wie Tutu und der Dalai Lama all diese Störerfahrungen verarbeitet haben und innerlich gereift sind, verdeutlichen Tutus jüngste Tochter Mpho Andrea und der langjährige Dolmetscher des Dalai Lama, Thupten Jinpa Langri. Er steuert aufschlussreiche Erläuterungen zur tibetischen Geschichte und Kultur bei und hilft dem Dalai Lama aus, wenn dem mal ein englisches Wort nicht einfällt.
Bahnbrechende Erkenntnisse über Glück und Freude darf man von der Dokumentation allerdings nicht erwarten. Sie lebt vor allem vom Charisma und der Präsenz der beiden Religionsführer, die hier in Worten darlegen und glaubhaft vorleben, wie sie Leid und Krankheiten, Unterdrückung und Vertreibung verarbeitet und überwunden haben. Als weise alte Männer beglaubigen sie, dass echtes Mitgefühl Leid lindern und die Welt verändern kann.
Anderen helfen, Freunde finden
Da sich insbesondere der Dalai Lama immer sehr für moderne Naturwissenschaften interessiert hat, lag es vielleicht nahe, seine Lebensweisheiten und die von Tutu von Forschern überprüfen zu lassen. Die auf Glücksstrategien spezialisierte Psychologin Sonya Lyubomirsky fand durch Blutproben von Menschen, die anderen Gutes getan haben, heraus, dass diese kreativer und gesünder sind und länger leben. Für den Dalai Lama ist das keine Überraschung. Er ist davon überzeugt, dass der beste Weg, um selbst glücklich zu werden, darin besteht, „anderen zu helfen und Freunde zu finden“.