Drama | Indien 2021 | 154 Minuten

Regie: Sanjay Leela Bhansali

Frei nach wahren Begebenheiten entfaltet der Bollywood-Film die Geschichte der Prostituierten Gangubai Kathiawadi, die sich in den 1960er-Jahren zur Unterweltfigur und Aktivistin für die Rechte von Sexarbeiterinnen hocharbeitete. Der Film macht aus der episodischen Handlung über ihren Werdegang ein dynamisches, bildgewaltiges Bollywood-Spektakel mit Tanz- und Musikszenen, das lediglich in seinem dialoglastigen letzten Drittel ein wenig an Schwung einbüßt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
GANGUBAI KATHIAWADI
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Bhansali Prod./Pen India
Regie
Sanjay Leela Bhansali
Buch
Sanjay Leela Bhansali · Utkarshini Vashishtha
Kamera
Sudeep Chatterjee
Musik
Sanjay Leela Bhansali · Sanchit Balhara · Ankit Balhara
Schnitt
Sanjay Leela Bhansali
Darsteller
Alia Bhatt (Gangubai) · Ajay Devgn (Karim Lala) · Abhinay Raj Singh (Gangubai Kathiawadis Bruder) · Indira Tiwari · Vijay Raaz
Länge
154 Minuten
Kinostart
25.02.2022
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Bildgewaltig-dynamisches Bollywood-Musical um eine junge Frau, die in den 1960er-Jahren im größten Rotlichtviertel Indiens zur Kämpferin für die Rechte der Prostituierten aufsteigt.

Diskussion

Durch eine List gerät die junge Ganga (Alia Bhatt) in die Prostitution. Ihr Verlobter will aus ihr in Bombay angeblich einen Filmstar machen. Dort landet sie jedoch in einem schäbigen Bordell, wo ihr Wille gebrochen wird. Gelähmt vor Resignation steht Ganga schließlich an der Straße, um Kunden anzuwerben. Eine Leidgenossin richtet dabei ihren rechten Arm zur verführerischen Pose, während eine weitere den anderen Arm zur lockenden Geste formt. Durch sein tragisches Schicksal ist das Mädchen buchstäblich zur Marionette geworden.

In dem Bollywood-Spektakel von Sanjay Leela Bhansali folgt auf diese Szene jedoch eine Verwandlung. Nach ihrem ersten Freier nennt Ganga sich plötzlich Gangu, will kein Opfer mehr sein, sondern selbstbestimmt, ehrgeizig und kämpferisch. Weil sie sich dabei auch für ihre Kolleginnen einsetzt und beispielsweise einen Feiertag im Bordell einführt, gerät sie mit der geldgierigen „Madam“ des Hauses aneinander. Die schickt sie aus Rache in die Arme eines sadistischen Kunden. Doch selbst solche Hindernisse können Gangu, die ihren Namen bald noch selbstbewusst um den indischen Ehrentitel „bai“ ergänzt, nicht mehr bei ihrem Aufstieg bremsen.

Die Mafia-Queen von Mumbai

Die Titelfigur in „Gangubai Kathiawadi“ basiert auf einer realen, unter anderem durch das Sachbuch „Mafia Queens of Mumbai: Women Who Ruled the Ganglands“ von Hussain Zaidi bekannt gewordenen Aktivistin für die Rechte von Sexarbeiterinnen. Aus der größtenteils in den 1960er-Jahren angesiedelten Geschichte macht Bhansali ein schillernd-episches Leinwandfest irgendwo zwischen Melodram, Biopic, Gangsterfilm, Komödie und Musical.

Später gleitet die mittlerweile angesehene Gangubai mit rotem Bindi und cooler Sonnenbrille in Zeitlupe durch ihr Reich, das Rotlichtviertel Kamathipura. Der Film inszeniert seine Heldin hier wie jenen Superstar, der die junge Ganga immer sein wollte. Das von Menschengewusel und Kolonialhäusern bestimmte Kamathipura wird oft in Untersicht und mit weitwinkligen Kameralinsen gefilmt. Die monumentale Größe, die es dadurch erlangt, deutet an, dass Gangubais Ambitionen weit über das Viertel hinausreichen. Bald steigt sie zur Bordellbesitzerin auf und kämpft gegen die kaltblütige Raziabai (Vijay Raaz) um die Vorherrschaft in Kamathipura. Sie legt sich mit Sittenwächtern an und wird so zur landesweit bekannten Aktivistin.

Mit enormer visueller Erzählkraft

Vor allem in der ersten Hälfte wird dieser Aufstieg bildgewaltig, dynamisch und gefühlsintensiv erzählt. Die Kamera ist entfesselt, die Lichtsetzung dramatisch und die Bösartigkeit von Gangubais Widersacherinnen zeigt sich am dick aufgetragenen Make-up. Immer wieder entlädt sich die Handlung dabei auch in hüftschwingenden Tänzen mit aufpeitschender Percussionmusik und verspielten musikvideoartigen Passagen. Besonders schön ist ein Song, bei dem sich die Anziehung zwischen Gangubai und dem schüchternen Schneider Ishq in einer Choreografie aus zurückhaltenden Gesten, aber umso leidenschaftlicheren Blicken ausdrückt.

Oft sind es nur Details, mit denen Bhansali seine visuelle Erzählkraft entfaltet. Etwa wenn die von ihrem Freier malträtierte Gangubai Hilfe bei dem für seinen Gerechtigkeitssinn bekannten Mafiaboss Karim Lala (Ajay Devgn) sucht. Allein über die Bilder vermittelt der Film, dass Gangubai in diesem Moment einen hilfreichen Verbündeten für die Zukunft findet. Eingehüllt in einen schwarzen Schleier folgt die Titelheldin dem überlebensgroß in die Abendsonne marschierenden Lala in seinem Schatten. Genau in jenem Augenblick, als er sich zu ihr umdreht, erfüllt der warme Sonnenschein ihr mit blauen Flecken übersätes Gesicht.

Das Heil der anderen

Episodisch widmet sich „Gangubai Kathiawadi“ den Stationen und erzählt von erbitterten Machtkämpfen und Rückschlägen, von Triumphen und gemeinschaftlichem Zusammenhalt. Weil Gangubai wegen ihrer sozialen Stellung weder die Zuneigung ihrer Familie noch die Ehe mit einem Mann vergönnt ist, bemüht sie sich umso hartnäckiger um das Heil anderer.

Bei dieser oft von öffentlichen Reden flankierten Entwicklung verliert der Film ein wenig an Schwung. Denn egal, ob Gangubai ein großes Publikum oder den indischen Ministerpräsidenten überzeugen muss, scheint ohnehin jeder von Anfang an auf ihrer Seite zu sein. Als Sidekick himmelt sie bei ihren Auftritten zudem ein kichernder Journalist (Jim Sarbh) wie ein verliebter Junge an.

Auch wenn man mit der Protagonistin gerne mehr mitgefiebert hätte, gönnt man Gangubai die Ergriffenheit im Finale. Während einer ausschweifenden Parade überschütten sie Unterstützer und ehemalige Konkurrenten mit so viel Liebe, dass plötzlich die vielen Male, in denen ihr das Glück vorenthalten blieb, vergessen scheinen.

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