Marina, David und Zoe sind auf dem Weg. Als wissenschaftliche Vorhut einer künftigen Kolonie sind sie unterwegs zum Mars. Vielleicht aber auch zur Unsterblichkeit, weil ihre Namen einmal dafür stehen, dass der menschliche Geist sich die Elemente untertan gemacht hat. Das lässt das Trio vieles ertragen, die harte Ausbildung, die Verantwortung, den Abschied von den Familien, aber auch die Stille des Weltalls, die eigentlich etwas Wunderbares hat.
Die Lautlosigkeit nach dem ohrenbetäubenden Lärm und dem scheinbaren Chaos beim Weg durch die Atmosphäre besitzt immer etwas Befreiendes, bevor deutlich wird, dass es sich auch in „Stowaway“ nicht um einen unspektakulären Routineflug handelt. Auch hier geht nicht alles glatt. Das verheißt schon das sanfte, aber beklemmende Sounddesign des Komponisten Volker Bertelmann, das sich mit Eintritt in den interstellaren Raum bemerkbar macht. Droht das Unheimliche von jenseits der dünnen Raumschiffhaut? Oder geht es von der kleinen Crew aus? Dass etwas kommen wird und bis zum Abspann nicht verschwindet, klingt im melancholischen Hall der Filmmusik unüberhörbar an, Traurigkeit und Angst so meisterhaft in die Unendlichkeit einsickern lässt.
Einer zu viel an Bord
Zuerst passiert nichts Dramatisches. Der Botaniker David (Daniel Dae Kim) hat mit der künstlichen Schwerkraft und seinem Magen zu kämpfen, die Medizinerin Zoe (Anna Kendrick) arrangiert sich voller Empathie und Entdeckerdrang mit dem Umstand, dass sie Geschichte schreiben wird, und Marina (Toni Collette) strahlt die Souveränität einer versierten Kapitänin aus, die in einer Mischung aus Konzentration und Routine das große Ganze im Blick hat. Nichts steht unspektakulären Monaten im All entgegen.
Doch durch die Filmmusik kommt es nicht unvorbereitet, als der bewusstlose Michael Adams (Shamier Anderson) aus einem Schacht fällt und Marina den Unterarm bricht. Wie sich ein blinder Passagier bei einer solche Mission einschleichen konnte, bleibt unklar. Eine dramaturgische Kröte, die man schlucken muss. Aus ihr resultieren die zentralen zwischenmenschlichen Konflikte und ethischen Fragen. Ein Mensch ist zu viel in einer Kapsel, aus der es kein Entrinnen gibt. Es gibt kein Zurück, aber womöglich auch kein Hin. Binnen zehn Tagen muss das Problem gelöst sein, sonst gibt es überhaupt keine Überlebenden.
Kein Abdriften in Wahnsinn oder Aggression
„Stowaway“ könnte in Wahnsinn abdriften, in Verzweiflung, Aggression und emotionale Übersprungshandlungen, mit stroboskopisch blinkenden Armaturen und zischenden Überdruckventilen. Doch auf all das verzichten Regisseur Joe Penna und sein Co-Autor Ryan Morrison. Stattdessen lassen sie einfach vier Akteure auf beengtem Raum miteinander agieren. Das ist nachvollziehbar und konsequent, untermauert durch Hintergrundgeschichten, die das Handeln plausibler, wenn auch nicht akzeptabler machen. Keiner der unterschiedlichen Ansätze, für die jede der vier Figuren steht, wird diskreditiert. Alles, was sie machen, ist logisch – und verdeutlicht das unmenschliche Dilemma, das nur aufzulösen ist, indem man ein Stück weit die Menschlichkeit aufgibt.
Penna und Morrison kennen ihre Vorbilder gut. Sie haben „Solaris“ von Steven Soderbergh verinnerlicht und „Moon“ von Duncan Jones. Science-Fiction-Filme, in denen Weltraumfahrer in die Tiefe des Alls starren und nicht sofort Antworten auf alle Fragen wissen.
„Stowaway“ ist trotzdem auch ein Genre-Film, der den Spannungsfaktor nicht vernachlässigt. Wie in „Gravity“ müssen die Figuren auch in „Stowaway“ die dünne Haut des Schiffes verlassen, um eine letzte Chance zu ergreifen, die sich ihnen vielleicht noch bietet. Dabei transportiert nichts so sehr Urängste wie die dunkle Tiefe des Weltalls, wo jeder Griff ins Leere ein Abschied für immer ist.
„Stowaway“ steht diesen Vorbildern kaum nach. Toni Collette behauptet sich dabei in einem Team gleichwertiger Akteure als außergewöhnliche Vertreterin einer Glaubhaftigkeit im Genrekino. Schon die Horrorfilme „Krampus“ und „Hereditary – Das Vermächtnis“ gewannen durch ihre Darstellung eine erdende Kraft. Man möchte ihr Talent nie mehr an schlichte romantische Komödien verschwendet sehen.