Drama | Australien 2019 | 216 (vier Folgen) Minuten

Regie: Jeffrey Walker

Eine Verfilmung des Romans "Die Bräute des Himmels" von Marele Day: In einem Inselkloster leben drei Nonnen völlig abgeschieden von der Außenwelt. Eines Tages aber taucht ein Priester auf, der das Kloster im Auftrag der katholischen Kirche inspizieren soll, bevor es in ein Hotel umgewandelt wird. Der Konflikt zwischen dem Modernisierungsvorhaben der Kirche und der Lebenserhaltung der Schwestern bringt Krimi-, Horror- und Glaubenserzählung in einer wilden, tonal immer wieder fernab bekannter Pfade wandelnden Mini-Serie zusammen. Dabei gelingt es ihr, die erratische und mitunter etwas unglücklich gewichtete Erzählung in einer ebenso wahnwitzigen wie faszinierenden Reflexion von Glaubensfragen zu erden. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LAMBS OF GOD
Produktionsland
Australien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Lingo Pictures/Endemol Shine Australia
Regie
Jeffrey Walker
Buch
Sarah Lambert
Kamera
Donald McAlpine
Musik
Bryony Marks
Schnitt
Deborah Peart
Darsteller
Essie Davis (Schwester Iphigenia) · Jessica Barden (Schwester Carla) · Ann Dowd (Schwester Margarita) · Sam Reid (Ignatius) · Asha Boswarva (Margarita (jung))
Länge
216 (vier Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung | Mystery | Serie
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IMDb | TMDB

Eine zwischen Krimi-, Horror- und Glaubenserzählung angelegte Miniserie über drei Nonnen, die ihr abgelegenes Kloster und ihre Lebensweise gegen die Einflussnahme der Kirchenoberen mit allen Mitteln verteidigen.

Diskussion

Eine gewaltige Klippe hält die Außenwelt von St. Agnes fern. Fernab der Zivilisation, des Fortschritts und des Einflusses der Kirche behüten drei Ordensschwestern aus drei Generationen das alte Kloster, seinen großen Gemüsegarten und eine kleine Schafherde. Die Schwestern von St. Agnes leben autark. Sie beten, sie ernten, sie scheren, sie stricken. Der archaische Alltag läuft in gleichförmigen, harmonischen Zyklen. Bis Pater Ignatius (Sam Reid) die Insel betritt. Wie groß der Schock ist, den seine Ankunft bedeutet, erfahren wir nicht beim ersten Kontakt zwischen dem jungen Abgesandten des Bischofs und der noch jüngeren Schwester Carla (Jessica Barden), sondern beim gemeinsamen Abendessen. Hier zückt der Pater im Anschluss an das Mahl eine Filterzigarette und das dazugehörige Feuerzeug aus der Tasche. Eine Banalität im Jahre 1999, ein Beben in der Zeitblase des Klosters, die für die Nonnen und die Zuschauer gleichermaßen im Mittelalter stillzustehen schien.

Mit Ignatius brechen Technologie, Zivilisation, das männliche Geschlecht und nicht zuletzt auch eine institutionelle Glaubensauslegung in das Kloster ein. Wie die Schwestern, die seit Jahrzehnten keine Fremden empfangen oder gesehen haben, bereits ahnen, bedeutet die Anwesenheit des Paters eine Bedrohung für das Refugium. Dass ihre Gastfreundschaft nicht sehr aufrichtig ist, ahnt auch der Priester. Die Interessenlage beider Parteien ist endgültig klar, als die Schwestern eine Werbebroschüre für das auf ihrer Insel geplante Ferienressort finden: die Kirche will St. Agnes „modernisieren“, die Schwestern wollen ihr Refugium verteidigen.

Zwischen komisch, bedrohlich und symbolisch

Das dazugehörige Kräftemessen beginnt noch vor dem Essen. Das Tischgebet, das die weltgewandteste der drei, Schwester Iphigenia (Essie Davis), mit „Heavenly Mother“ beginnt, wird vom „Bless us, oh Lord“ des Paters übertönt. Die darauffolgende Eskalation reicht von Ignatius’ Schlafplatz, der spontan in den Schafstall verlegt wird, seiner Rache, bei der er auf den Kopfkohl pinkelt, bis zu seiner Gefangennahme und springt dabei fröhlich zwischen komischen, bedrohlichen und symbolischen Szenarien hin und her. Ein Duktus, den die vierteilige Mini-Serie, eine Adaption von Marele Days gleichnamigen Roman, bis zum Ende durchhält.

Erzählerisch und tonal wandelt „Lambs of God“ dazu oft meilenweit entfernt von erprobten Pfaden. Die Leiden des gefangenen Paters, die mit im Gips überkreuzten Beinen, seitlich ausgestreckten und gefesselten Armen und einer ostentativ ins Bild gerückten Seitenwunde, sprich: als ziemlich aufdringliche Nachstellung der Passion Christi beginnen, werden bald zu einer Mischung aus Stephen Kings Misery und Don Siegels The Beguiled: Der Priester versucht eine der Nonnen zu verführen, appelliert an das Mitgefühl der nächsten, verflucht die Dritte und beginnt das Psychospiel noch einmal von neuem.

Die Schwestern schwanken ihrerseits zwischen Mordgedanken und Mitleid gegenüber ihrem Gefangenen. Die auf den ersten Blick recht gut überschaubare Ausgangssituation wird mit erzählerischen Ellipsen und der tonalen Unberechenbarkeit der Serie zur erratischen Angelegenheit. Wo man eben noch mit dem Messer aufeinander losging, sitzt man schon in der nächsten Szene nebeneinander und strickt.

Beim Stricken wird es spannend

Überhaupt wird es gerade beim Stricken oft spannend. Alte Traumata werden beim meditativen Handwerk mit Hilfe von umgedeuteten oder gänzlich neu erfundenen Märchen verarbeitet. Die tragischste Geschichte stammt von Schwester Margarita (Ann Dowd), deren Missbrauchserfahrung, eine abgründige Version von „Die Schöne und das Biest“, auch außerhalb der Erzählung noch immer als Schatten durch die Hallen des Klosters spukt und sie in ihren Träumen heimsucht.

„Lambs of God“ verwebt die seelischen Wunden der Vergangenheit mit erstaunlicher Raffinesse in die ansonsten gänzlich aus den Fugen geratenen Vorgänge auf St. Agnes. Der weniger interessante, aber in etwa gleich gewichtete Krimi-Teil der Erzählung führt in die nächstgelegene Kleinstadt. Hier wird die Suche nach Ignatius von dessen Schwester Frankie (Kate Mulvany) vorangetrieben und durch den Bischof Malone (John Bell) behindert, dessen heiliger Stuhl von den andauernden Skandalen bereits sehr wacklig geworden ist.

Kein fester Glaube ohne Wildwuchs

Die entscheidenden Religionsfragen drehen sich jedoch ausschließlich um die Ereignisse in St. Agnes. Als Symbol dafür steht die Heiligenstatue des Klosters, die fast gänzlich von Ranken umschlungen ist. Der katholische Priester versucht einmal, die Madonna von den Kletterpflanzen zu befreien, reißt mit den Verästelungen aber zugleich einen Teil ihres Kopfes ab. Ohne den Wildwuchs findet auch der gefestigtste Glaube keinen Halt. Es ist das zentrale Symbolbild der Serie und doch nur eine von unzähligen Perspektiven auf die zahllosen Formen der religiösen Sinnstiftung, die hier aufeinanderprallen. Die wahnwitzigen Auswüchse des Religiösen, die zwischen gespendetem Trost, Selbstgeißelung, Paralleljustiz, Wunderheilung, Kommerzialisierung, Erlösung und symbolischer Wiedergeburt in alle Himmelsrichtungen zersplittern, sind die maßgebliche Stärke der Serie. Nicht, weil hier ein kohärentes Bild des Glaubens vermittelt würde, sondern weil der Scherbenhaufen aufzeigt, wie sehr oft der Zweifel und nicht der Glaube das Denken beherrscht.

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