In einer seiner Tiraden gegen schwarze Bürgerrechtsbewegungen gab FBI-Chef J. Edgar Hoover im Februar 1968 folgende Direktive aus: „Verhindern Sie den Aufstieg eines ‚Messias‘, der die militante schwarze nationalistische Bewegung vereinen und entflammen könnte.“ Zum Zeitpunkt dieser Anweisung war ein prominenter schwarzer Bürgerrechtler, Malcolm X, bereits ermordet, während sein pazifistischer Kollege Martin Luther King nur noch zwei Monate zu leben hatte. Doch in der „Black-Panther“-Partei, einer marxistisch geprägten Vereinigung schwarzer Aktivisten, die auf ihr Recht auf Verteidigung pochten, kristallisierte sich die für Hoover „größte Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes“ heraus.
Im Rahmen seines 1956 ins Leben gerufenen „COINTELPRO“-Programms, das sogenannte subversive Bewegungen bekämpfte, benutzte das FBI alle erdenklichen Mittel, um die Black Panthers zu schwächen. Schließlich schreckte die US-Behörde auch nicht vor Mord zurück. Opfer der gezielten Hinrichtung durch die – vom FBI gesteuerte – Polizei war der Vorsitzende des Chicagoer Ortsverbands der Black Panthers, Fred Hampton. Der charismatische Aktivist wurde im Schlaf ermordet – zusammen mit weiteren Parteimitgliedern – und war zum Tatzeitpunkt erst 21 Jahre alt.
Ein giftiger Tausch
Wie das FBI sein unmittelbares Umfeld infiltrierte, manipulierte und schließlich seine Ermordung organisierte, erzählt der packende Historienthriller „Judas and The Black Messiah“ von Regisseur Shaka King. Er beginnt mit der Tat eines Kleinkriminellen. Der schwarze Teenager William O’Neal (Lakeith Stanfield) wird bei einem Autodiebstahl, bei dem er sich als FBI-Beamter ausgibt, von der Polizei erwischt. Dafür drohen ihm sechs Jahre Haft. So jedenfalls der clevere FBI-Beamte Roy Mitchell (Jesse Plemons). Er könne aber auch so davonkommen, unter einer Bedingung.
Diese eine Bedingung wird das Leben der authentischen Figur William O’Neal für immer vergiften. Denn der eigentlich unpolitische junge Mann wird bei den Black Panthers als Informant eingeschleust, steigt bald zum Chauffeur von Fred Hampton (Daniel Kaluuya) auf, dann zu seinem Sicherheitschef. Nun ist er Mitglied des inneren Kreises der Black Panther in Chicago – und muss doch ständig seine Enttarnung fürchten. Bei konspirativen Treffen liefert er dem FBI-Mann Mitchell regelmäßig Informationen. O’Neal will aussteigen, doch Mitchell sitzt am längeren Hebel und erpresst ihn stets aufs Neue.
Während der Film sich Zeit lässt, O’Neals inneren Zwiespalt, seine Ängste und Gewissensbisse herauszuarbeiten, widmet er dem einnehmenden Fred Hampton genauso viel Leinwandzeit. Der rief die Aktion „Free Breakfast for School Children“ in Chicago ins Leben, die Kindern aus verarmten Stadtvierteln eine kostenlose Mahlzeit pro Tag bot. Außerdem hob Hampton die Rivalität zu anderen schwarzen Aktivisten auf und verbündete sich auch mit verarmten Weißen und Puertoricaner zur sogenannten „Regenbogen-Koalition“ – eine Anhäufung von Macht, die Hoover laut Film veranlasste, Hampton zu „neutralisieren“, sprich: ihn ermorden zu lassen.
Eine Mischung aus Missionar und Popstar
So bleibt der Politthriller seinem Titel treu und umreißt zwei charakterlich konträre historische Persönlichkeiten: den „Verräter“ und den „schwarzen Messias“. Dass Fred Hampton, von dem man Archivaufnahmen im Abspann sieht, ein engagierter und sehr charismatischer Mann war, steht außer Zweifel. Seine stets frei gehaltenen Reden inszeniert der Film mal im engeren Kreis, wenn er junge schwarze Menschen in sozialem und revolutionärem Denken schult, mal in öffentlichen Auftritten. Dann lässt er ein wahres Feuerwerk an Rhetorik und Gestik auf seine Zuhörerschaft los und wirkt dabei wie eine Mischung aus revolutionärem Missionar und Popstar.
Auch die Optik der Black Panthers mit ihren schwarzen Berets und Lederjacken macht sich gut auf der Leinwand. Doch bei der Stilisierung der Aktivisten überhöht die Inszenierung bisweilen eine Organisation, die durchaus gewaltsame Ansätze und autoritäre Strukturen aufwies. Zwar werden diese durchaus erwähnt, doch interne Verbrechen hängt der Film lediglich einem weiteren Informanten an.
So beruht „Judas and the Black Messiah“ zwar auf Tatsachen, verdichtet aber einige Ereignisse, nimmt sich Freiheiten bei Personen, Organisationen und Namen und entkommt auch nicht immer der Schwarzweiß-Malerei; einen so garstigen J. Edgar Hoover, wie ihn Martin Sheen spielt, hat man im Kino bislang selten gesehen. Dennoch ist es richtig, die perfiden Unterwanderungs- und Manipulationsmethoden des FBI zu illustrieren. In einer Szene entwerfen FBI-Agenten feixend Flugblätter, die angeblich von den Black Panthers stammen, und die Zwietracht zwischen den verschieden schwarzen Aktivisten säen sollen. Dass diese Aktionen erfolgreich waren und dass US-Behörden und FBI bei ihrer Bekämpfung der Bürgerrechtsbewegung im Allgemeinen und der Black Panthers im Besonderen mitunter diktatorische Methoden anwendeten, ist von zahlreichen Historikern bestätigt worden.
De facto der weltweit größte Apartheid-Staat
Der Film hält durchgehend die Spannung und wird von hervorragenden Schauspielern getragen. Daniel Kaluuya gewann für seine Darstellung von Fred Hampton den „Oscar“ als bester Darsteller in einer Nebenrolle; der ebenfalls nominierte Lakeith Stanfield überzeugt ebenso wie sein filmischer FBI-Kontrahent Jesse Plemons oder Dominique Fishback als Hamptons Lebensgefährtin Deborah Johnson.
Anfangs schildert der Film die Zwangsmission von O’Neal aus seiner Sicht noch wie ein Abenteuer, mit Anleihen bei der Musik und Optik der Blaxploitation-Filme der 1970er-Jahre. Doch bald erweist sich seine Lage als tödlich ernst; in dem Maße, wie Fred Hamptons Bedrohung wächst, gelingt es auch aufzuzeigen, dass O’Neal sowohl Täter als auch Opfer war. Das Leben eines jungen schwarzen Mannes war Ende der 1960er-Jahre in den USA, dem damals de facto größten Apartheid-Staat der Welt, nicht viel Wert. „Judas and the Black Messiah“ zeigt die erschreckenden Parallelen zur Gegenwart auf, wo die Ermordung George Floyds und die anhaltend Polizeigewalt gegen Afroamerikaner schmerzhaft vor Augen führt, wie wenig sich in 50 Jahren verbessert hat.