Horror Noire: A History of Black Horror

Dokumentarfilm | USA 2020 | 83 Minuten

Regie: Xavier Burgin

Filmhistoriker, Schauspieler und Regisseure unterhalten sich über die Rolle der Schwarzen im US-amerikanischen Kino, bevorzugt im Horrorfilm. Der kluge Dokumentarfilm schreitet systematisch die Filmgeschichte ab, von „Birth of a Nation“ über „Die Nacht der lebenden Toten“ bis zu „Get Out“. Aus dieser Perspektive lassen sich nicht allein der wechselseitige Einfluss von Kino und Gesellschaft ablesen, es finden sich auch augenöffnende Exkurse zu verbreiteten Stereotypen und der kulturellen Bedeutung des Horrorgenres. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HORROR NOIRE: A HISTORY OF BLACK HORROR
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Stage 3 Prod.
Regie
Xavier Burgin
Buch
Ashlee Blackwell · Danielle Burrows
Kamera
Mario Ricardo Rodriguez
Musik
Timothy Day
Schnitt
Horatiu Lemnei · Scott Strobel
Länge
83 Minuten
Kinostart
15.10.2020
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Dokumentarfilm über die Rolle der Schwarzen im US-amerikanischen Kino, insbesondere im Horrorfilm.

Diskussion

„Black history is black horror“, heißt es schon zu Beginn von „Horror Noire“; die Geschichte der Schwarzen in Amerika sei purer, realer Horror. Bis heute, wie die Ermordung von George Floyd und etlichen anderen in diesem Jahr belegt. Der Film „Horror Noire“ ist eine Untersuchung dieser Realität anhand ihrer Erscheinungsform im Kino; Regisseur Xavier Burgin verknüpft die Geschichte der schwarzen Bevölkerung mit den Rollen schwarzer Schauspielender im Genrefilm seit 1915.

Kino als Spiegel der Gesellschaft ist zwar nicht neu, doch eine Analyse der nicht-weißen Rollen ist spannend, insbesondere in einer Dokumentation, die sich hauptsächlich am Horrorfilm entlangarbeitet. Die Struktur des Films ist simpel, aber verführerisch. Jeweils zwei Gäste sitzen in einem leeren Kinosaal und sprechen über ihre liebsten Horrorfilme; auf der Leinwand laufen die dazu passenden Ausschnitte.

Es beginnt mit den größten Hits der Stummfilmzeit und schreitet dann chronologisch durch die Jahrzehnte, bis zu „Get Out“ von Jordan Peele, der damit einen „Oscar“ für das beste Drehbuch gewann, was für Afroamerikaner im Filmbusiness immer noch die Ausnahme ist.

Die Angst schüren

Als erstes Beispiel wird David Wark Griffiths „Birth of a Nation“ besprochen: ein mehr als dreistündiger Stummfilm über den US-amerikanischen Bürgerkrieg, dessen Blick ausführlich auf die Afroamerikaner gerichtet ist, und zwar in schlechtestmöglicher Form. Ein schwarzer Protagonist, gespielt von einem Weißen mit bemaltem Gesicht, muss die Angst der Zuschauer schüren, bis er gelyncht wird. Wer diese Angst nicht empfindet, so wird das (weiße) Publikum unterrichtet, unterschätze eine lebensbedrohliche Gefahr. Das führte unter anderem dazu, dass nach „Birth of a Nation“ die Mitgliederzahl des Ku-Klux-Klans in die Höhe schnellte. Man sieht: Das Kino, oft die einzige und sicherlich die unterhaltsamste Quelle von Informationen für die Masse, bastelt Fake Facts zusammen, seit es erfunden wurde.

Es hat damit nie wieder aufgehört. Das belegen die Stereotypen, die in „Horror Noire“ vorgestellt werden. Die Damen und Herren, die über den Horrorfilm reden, amüsieren sich blendend, wenn sie auf den „opferbereiten Schwarzen“, den „treuen Diener“, den „voodoo negro“ hinweisen, oder auf den einen Afroamerikaner, der immer seinen Auftritt im modernen Horrorfilm bekommt, dann aber garantiert als Erster stirbt. Zu den Kommentatoren gehören Schauspieler, an die man sich erinnert, wenn man Horrorfilme schätzt. So begegnet man etwa Ken Foree in der Gegenwart wie auf der Leinwand in „Dawn of the Dead“, oder Keith David im Gespräch und in „Das Ding aus einer anderen Welt“; Pam Grier oder Jada Pinkett grüßen hingegen nur aus Filmausschnitten.

Vom Rassismus und seiner künstlerischen Veränderung

Unter den Gästen finden sich Historikerinnen, Regisseure, alte und junge Beschäftigte aus dem Filmbusiness. Sie verbinden ihre persönliche Rezeption der Horrorfilme, ihre Erinnerung, ihre Begeisterung, mit der kulturellen Bedeutung des Genres. Die Rolle ihrer Helden im Kino verändert sich über die Jahre analog zur schwarzen Präsenz im weißen Amerika, die von Ronald Reagan ruiniert und von Barack Obama kurz zum Traum einer post-rassistischen Gesellschaft inspiriert wurde. Die exemplarischen Filme sind allesamt Klassiker. „Night of the Living Dead“, „Blacula“, „Candyman“ – man ist versucht, „Horror Noire“ Film für Film, Satz für Satz aufzuschreiben, um deutlich zu machen, wie klug und wie treffsicher die Zeit- und die Filmgeschichte aufbereitet ist, die hier in knappen 83 Minuten vom Rassismus und seiner künstlerischen Veränderung erzählt.

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