Abe (Noah Schnapp) ist das, was man als „Foodie“ bezeichnet: Der in Brooklyn aufwachsende Teenager begeistert sich fürs Essen, ist voller Abenteuerlust, was neue Geschmackserlebnisse angeht und versucht sich eifrig als Hobbykoch. Da der Zwölfjährige eher zur schüchtern-nerdigen Sorte gehört, tut er sich allerdings mit Kontakten zu seinen Altersgenossen schwer; Leute, die seine Passion teilen, findet er nur online über Chats und seinen Blog. Und fürs Analog-Gesellige – das beim Kochen und Essen ja eine nicht unwichtige Rolle spielt – hat er immerhin seine Familie. Da allerdings fangen die Probleme an, denn Abes Sippschaft ist ein veritables Krisengebiet. Die Mutter stammt aus einer jüdischen Familie mit Wurzeln in Israel, der Vater ist der Sprössling palästinensischer Muslime, was dazu führt, dass am Familienesstisch statt gemeinsamen Genießens regelmäßig eine Miniaturversion des Nahostkonflikts stattfindet.
Worunter Abe – für die einen Großeltern Abraham, für die anderen Ibrahim – umso mehr leidet, weil er den Zankapfel dabei darstellt: Die eine Partei will ihn für den jüdischen Glauben, seine Riten und sein kulturelles Erbe einnehmen, die andere für den muslimischen, und Abes Vater wiederum, der sich ganz von der Religion abgewendet hat, möchte seinen Sohn als Atheisten aufwachsen sehen. Was dazu führt, dass Abe ständig das Gefühl hat, eine Seite zu enttäuschen, wenn er sich neugierig und offen auf die andere einlässt.
Aufleben als Praktikant eines brasilianischen Kochs
Ein Ventil findet er, als er während der Sommerferien heimlich das Kinder-„Food Camp“, bei dem ihn seine Eltern angemeldet haben, schwänzt und sich stattdessen als eine Art Praktikant einem brasilianischen Koch aufdrängt, auf den er im Internet gestoßen ist. Chico (Seu Jorge) huldigt in seiner offenen Küche einem „Mix it up“-Konzept, bei dem es darum geht, aus Elementen unterschiedlicher Esskulturen etwas Neues zu schaffen. Statt eines „Clash of Cultures“ geht es also um Fusion – für Abe angesichts seines familiären Hintergrunds ein utopisches Konzept! Obwohl ihm Chico nicht gerade den roten Teppich auslegt, sondern ihn ganz schön schuften lässt, bleibt der Junge deswegen bei der Sache und freut sich an seinen Lernerfolgen und kulinarischen Entdeckungen – bis seine Eltern ihm auf die Schliche kommen und die familiären Konflikte anlässlich eines Thanksgiving-Essens mit neuer Wucht hervorbrechen.
Der Coming-of-Age-Film des aus Brasilien stammenden Regisseurs Fernando Grostein Andrade und der palästinensisch-stämmigen Drehbuchautoren Lameece Issaq und Jacob Kader zielt stilistisch u.a. durch seine Referenzen an die sozialen Medien auf ein jugendliches Publikum ab und verpackt seine Story über die Nöte, in die die Frage nach kultureller Identität unter äußerem Druck ausarten kann, in einen sinnlich-kulinarischen Rahmen, der trotz aller Dramatik, die die Konflikte in Abes Familie zwischendurch annehmen, für eine Feel-Good-Stimmung sorgt.
Spürbare Empathie für unterschiedliche kulturelle Einflüsse
Dabei bleibt der Film relativ schlicht, aber nicht oberflächlich – dank des Drehbuchs und der Inszenierung, die mit viel spürbarer Empathie den unterschiedlichen kulturellen Einflüssen, mit denen Abe in Berührung kommt, Raum geben, dank der Darstellung seiner Familienmitglieder, die genug Hintergrund bekommen, dass man ihre feindseligen Haltungen ein Stück weit verstehen und die Tragweite der ererbten Verletzungen, die der Grund dafür sind, erahnen kann, und dank der Leistung des aus „Stranger Things“ bekannten Hauptdarstellers Noah Schnapp, der Abes Offenheit und Neugier ebenso wie sein Leiden an der Zerrissenheit seiner Familie berührend vermittelt.
Erst am Ende, wenn die zuvor eindrücklich aufgerissenen Gräben, die der Nahost-Konflikt in Abes Familie geschlagen hat, allzu naiv und dramaturgisch zudem ziemlich unvermittelt zugeschüttet werden, verliert der Film an Glaubwürdigkeit, und die nicht sonderlich originelle Vision kulinarischer Multikulti-Harmonie, in der schließlich alles allzu glatt aufgeht, hinterlässt einen faden Nachgeschmack.