Am Ende schaffen es die Zwiebeln doch noch. Dieser glückliche Ausgang war keineswegs sicher. Im März hatte Bauer Achim Heitmann die Setzlinge auf seinem Acker ausgebracht, im April kehrte plötzlich der Winter mit Schnee zurück, und im Mai folgte große Trockenheit. Der Landwirt machte sich große Sorgen um die Ernte. Aber es ist ja nochmal gutgegangen. Vermutlich hatte das Happy End auch mit der Beschaffenheit des Ackers zu tun. Heitmann ist Bio-Landwirt im Kraichgau und legt viel Wert auf die Qualität seiner Böden. Durch akribisch eingehaltene Fruchtfolgen bemüht er sich, die Qualität des Humus auf seinem Land zu verbessern oder mindestens zu erhalten. Denn dem Humus geht es auf den meisten landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland alles andere als gut. Durch Monokulturen, Kunstdünger, Pestizide und den Einsatz schwerer Landmaschinen wurde vielen Böden das organische Leben entzogen. Weshalb sie kaum noch Wasser speichern können und der Erosion in den zunehmend heißen Sommern schutzlos ausgeliefert sind.
Klare Ansichten ohne ideologische Verbohrtheit
Der Dokumentarfilm „Unser Boden, unser Erbe“ liefert so etwas wie eine Bestandsaufnahme der deutschen Agrarflächen. Mit Heitmann besitzt der Film eine Art Hauptprotagonisten. Sein Alltag wird über die Jahreszeiten hinweg mit der Kamera begleitet. Da Heitmann sich auch sonst so seine Gedanken über die Welt und das Leben macht, gibt er seine Sicht der Dinge immer wieder mal zu Protokoll. Auch wenn er dabei bisweilen zum Hobby-Philosophen avanciert oder sich wundert, warum Stadtbewohner kaum Existenzängste haben, wo ihr Leben doch völlig vom Landbau abhängig ist, bleibt der Mann ein grundsympathischer Typ, dem trotz klarer Ansichten jede ideologische Verbohrtheit abgeht.
Was auch für den Film gilt. Ein anderer Landwirt, der seinen Hof konventionell betreibt, wird nicht an den Pranger gestellt, sondern darf in aller Ausführlichkeit darlegen, dass in Deutschland die politischen Rahmenbedingungen für eine grundsätzliche Agrarwende (noch) nicht gegeben seien.
Zu den Landwirten gesellen sich Experten aller Art, die aus wissenschaftlicher Sicht Zusammensetzung und Funktionsweise des lebenswichtigen Humus erklären, der nicht nur für das biologische Wachsen erforderlich ist, sondern auch als riesiger Kohlendioxid-Speicher fungiert. Doch damit könnte es in absehbarer Zeit vorbei sein. Denn ohne ein radikales Umdenken in der Landwirtschaft gibt der in Deutschland vorhandene Humus nach Expertenschätzungen vielleicht noch hundert Ernten her. Mehr nicht. Der Philosoph Ernst-Ulrich von Weizsäcker kritisiert, dass die Menschheit heute Probleme mit Methoden zu lösen versuche, die aus einer gänzlich anderen Zeit stammten, und die Star-Köchin Sarah Wiener konstatiert knapp: „Boden ist nicht sexy.“ Weshalb sich kaum jemand für ihn interessiere, obwohl er doch die Grundlage allen Lebens sei.
Tiere auf sattgrünen Weiden
Boden mag zwar nicht sexy sein, aber fotogen ist so ein Klumpen Erde ebenfalls nicht. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass in einem gesunden Stück Humus ein erstaunliches Gewimmel herrscht. Der Dokumentarfilmer Marc Uhlig setzt deshalb weniger auf mikroskopische Aufnahmen, als vielmehr auf – vielfach aus der Luft gefilmte – Totalen ländlicher Regionen und den Alltag auf Bauerhöfen. Dabei kommt ihm immer wieder glückliches Nutzvieh auf sattgrünen Weiden vor die Linse. Ohne Emotionen lassen sich auch noch so alarmierende Informationen über die Bodenbeschaffenheit in deutschen Landen wohl kaum kinotauglich vermitteln. Zwischendurch gibt es auch einen Besuch auf einer Traktor-Schau oder einen Abstecher auf eine Kirmes. Und während Bauer Heitmann im kalten Schuppen in aller Ruhe Kartoffeln sortiert, sieht man in der Parallelmontage hektische Städter beim Weihnachtseinkauf in einer Fußgängerzone.
In der Fülle der Dokumentarfilme, die sich ähnlicher Themen annehmen, ragt „Unser Boden, unser Erbe“ ein Stück weit heraus. Nicht weil er eine Fülle an, teils durch Schrifttafeln ergänzten Informationen liefert, sondern weil er vor allem gut gewählte und beredte Protagonisten vorweisen kann, die sich bei allem Ernst der Lage nicht in Schuldzuweisungen oder im Ausmalen apokalyptischer Horrorszenarien ergehen.