Alles auf Anfang? 51 Jahre sind eine lange Zeit für einen kleinen Indianer und sein treues Pferd. In 40 Comics seit 1969 und 202 animierten Fernseh-Kurzepisoden seit 1983 ist der junge, draufgängerische, nie wirklich gehorchende Sioux Yakari zwar nicht gealtert, aber gereift und hat Generationen von kleinen Kindern gezeigt, wie toll es doch ist, durch die Natur zu streifen, deren Geheimnisse zu entlocken, Gefahren zu bestehen und eine längst vergangene Kultur zumindest in den Herzen der Menschenkinder am Leben zu halten. Kaum ein Junge (und auch Mädchen) ist ohne Yakari, Regenbogen und Kleiner Dachs in den letzten Jahrzehnten hierzulande groß geworden, ohne selbst beim „Cowboy und Indianer“-Spiel Yakaris Rolle spielen zu wollen. Vielleicht, weil er so toll reiten und grenzenlose Freiheit spüren darf, vielleicht auch, weil Yakari wie weiland Doktor Dolittle mit den Tieren der Prärie sprechen kann.
Alles Wichtige für einen Neueinstieg
Alles auf Anfang? Zumindest erfährt man nun auch im Kinofilm von Toby Genkel und Xavier Giacometti alles Wichtige für einen Neueinstieg, selbst wenn man nicht bereits erfahrener Comicleser oder Zeuge der 2200 Minuten „Yakari“ im Kinderkanal gewesen ist. Da spielt ein kleiner Indianerjunge mit seinem treuen Hund Knickohr auf den sommertrockenen Weiden, bis sie von einer Herde Bisons fast überrannt werden. Hier begegnet ihm auch zum ersten Mal das wilde Mustang-Fohlen, das sein Stamm ehrfürchtig „Kleiner Donner“ nennt, weil es schnell vorbeibraust und noch jedem domestizierenden Lasso entkommen ist. Den 8-Jährigen hindert das nicht, nach Kleiner Donner Ausschau zu halten, auch wenn sich sein Vater Kühner Blick und der Schamane Der-der-alles-weiß längst einig sind, auf die alljährliche große Reise zu gehen und den winterlichen Wanderwegen der Bisons zu folgen. Die Zeit wird knapp, doch das Kinopublikum wird in kurzweiligen 80 Minuten erfahren, wie Yakari und Kleiner Donner Freunde werden, wie der Junge zu seiner Fähigkeit kommt, mit Tieren zu sprechen und wie abenteuerhaft es sein kann, weit weg vom eigenen Stamm den Weg in die Heimat zu finden.
Das mag ein wenig episodenhaft klingen, doch die Geschichte ist angefüllt mit sympathischen menschlichen und tierischen Sidekicks, die alles zusammenhalten. Etwa das selbstbewusste Mädchen Regenbogen und der kräftige, mutige, aber auch ein wenig schusselige Junge Kleiner Dachs, die als Yakaris beste Freunde ein ums andere Mal brenzlige Situationen entschärfen müssen. Oder Knickohr, der als sprechender Ratgeber (und Bedenkenträger) die Welt der Tiere ein wenig verständlicher macht. Besonders viel Spaß machen indes die Biber, die Yakari auf seinen Streifzügen durch die Wildnis trifft. Allen voran Jungbiber Lindenbaum sorgt für einige treffliche Pointen, die so brillant animiert sind, dass sie auch bei älteren Betrachtern zünden.
Konflikt mit den Pumafelljägern
Wichtig für den Spannungsaufbau der Geschichte ist aber Kleiner Donner, der darauf aufmerksam macht, dass man kein wildes Tier gegen dessen Willen domestizieren dürfe. Hier ist auch der einzige Konflikt des Filmes angesiedelt, nämlich der, dass der rivalisierende Stamm der Pumafelljäger, die auf brutale Weise Pferde jagen und abrichten, nicht im Einklang mit der Natur lebt. Ein Umstand, den Yakari und Kleiner Donner nicht dulden wollen und sich damit zusätzlich in Gefahr bringen.
Alles auf Anfang? Zum Glück, denn die Macher des Kinofilms sind nicht den Kinoadaptionen von „Biene Maja“ bis „Peanuts“ gefolgt, die dem klassischen 2D-Zeichentrick-Look der Stoffe eine plastische CGI-„Frischzellenkur“ verpasst haben. „Yakari“ bleibt flächig, auch wenn das Gros der Animation aus dem Computer kommt. So gelingen dem Regie-Duo ein paar wunderbare Traumsequenzen, ohne dass diese die sympathisch altmodische Vorlage entzaubern. Jene, in dem Yakari mit Schmetterlingen tanzt oder seinen übernatürlichen „Totem“ Großer Adler trifft, gehören zu den eindrücklichsten.
Ein angenehmer Anachronismus
Sicher merkt man, dass es hier vielen Charakteren noch an Tiefe und Substanz fehlt, die man wegen möglicher Vorkenntnisse voraussetzt oder aber in bestimmt folgenden Fortsetzungen vielleicht unterfüttern wird. Doch alles in allem ist der erste Kinoausflug des jungen wilden Yakari ein angenehmer Anachronismus in einer auf immer mehr Hightech und Effektspektakel setzenden Animationsfilmbranche. Alles auf Anfang: ja, gerne!