Biopic | Großbritannien 2020 | 115 Minuten

Regie: Andrew Levitas

Ein biografischer Film über den US-Fotografen W. Eugene Smith, der 1971 im japanischen Küstenort Minamata Bilder von Menschen schoss, die von der „Minamata“-Krankheit gezeichnet waren, verursacht durch die Umweltverschmutzung eines ortsansässigen Chemiekonzerns. Die öffentliche Aufmerksamkeit durch die Fotos half den Betroffenen, einen juristischen Sieg gegen den Konzern zu erstreiten. Eine Mischung aus Künstlerporträt und Umweltdrama über den Fotografen, den der Hilferuf der Minamata-Aktivisten in einer persönlichen und beruflichen Krise erreicht. Dank sensibler Regie und Kamera gelingt eine feine Balance zwischen aufrüttelnder Drastik und Respekt gegenüber den leidenden Menschen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MINAMATA
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Metalwork Pict./HanWay Films
Regie
Andrew Levitas
Buch
David K. Kessler · Andrew Levitas · Jason Forman · Stephen Deuters
Kamera
Benoît Delhomme
Musik
Ryûichi Sakamoto
Schnitt
Nathan Nugent
Darsteller
Johnny Depp (W. Eugene Smith) · Hiroyuki Sanada (Mitsuo Yamazaki) · Bill Nighy (Robert "Bob" Hayes) · Jun Kunimura (Junichi Nojima) · Minami (Aileen)
Länge
115 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic | Drama | Politthriller
Externe Links
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Mischung aus Umweltdrama und Künstlerporträt über den US-Fotografen W. Eugene Smith, der 1971 mit Aufnahmen der von der „Minamata“-Krankheit Betroffenen im Kampf gegen einen Chemiekonzern half.

Diskussion

Das Foto von „Tomoko Uemura in Her Bath“, das der US-Fotograf W. Eugene Smith 1971 im japanischen Küstenort Minamata schoss, erinnert ein wenig an eine Pièta. In Schwarz-weiß sieht man darauf ein von der sogenannten „Minamata“-Krankheit schwer gezeichnetes Mädchen, das in einer Badewanne in den Armen seiner Mutter ruht. Nach der Veröffentlichung der Aufnahme im „Life“-Magazin avancierte es zu einer der berühmtesten Pressefotografien des 20. Jahrhunderts.

Das Bild ist Teil einer Fotoreihe, mit der Smith die Umweltverschmutzung des Chemiekonzerns Chisso, der die Gewässer vor Minamata jahrzehntelang mit Quecksilber vergiftete, und deren verheerende Auswirkungen auf die Menschen vor Ort dokumentierte. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die die Fotos auf den Fall lenkten, half den Betroffenen, einen juristischen Sieg gegen den scheinbar übermächtigen Konzern zu erstreiten.

„Das war eine Geschichte, die erzählt werden musste“, so Schauspieler Johnny Depp, der W. Eugene Smith spielt und die filmische Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte der Fotografien auch mitproduziert hat. Der Fall „Minamata“ mag mittlerweile historisch sein; das Thema der aus wirtschaftlichen Interessen geborenen Skrupellosigkeit gegenüber Umwelt und Mitmenschen ist es jedoch nicht und in Zeiten des Klimawandels drängender denn je.

Herausforderung an die künstlerische Integrität

Der Film von Andrew Levitas porträtiert Smith, den Johnny Depp gänzlich uneitel als verwahrloster, dem Alkohol verfallenen Mann gespielt, zu einem Zeitpunkt, als dessen Karriere und Privatleben an einem Tiefpunkt angelangt sind. Der Hilferuf aus Japan, mit seinen Bildern die Minamata-Aktivisten gegen den Chemiekonzern zu unterstützen, wird für den Fotografen zur letzten großen Herausforderung. In den 1940er-Jahren hatte er für „Life“ unter anderem Schlachten im Pazifik dokumentiert und war mit wegweisenden Fotoreportagen zu einem Star seiner Zunft geworden. Doch diese Zeiten sind vorbei; seine Exzentrik und sein zur Obsession gesteigerter Perfektionismus haben ihn allmählich ins Abseits gedrängt. In Japan muss Smith nun seine Integrität als Künstler noch einmal behaupten, und zwar gegen den finanzstarken und politisch einflussreichen Konzern, der den Fotografen mit allen Mitteln von seinem Vorhaben abbringen möchte. Smiths Fähigkeiten als Bildermacher müssen sich derweil daran messen lassen, den leidgeprüften Menschen von Minamata gerecht zu werden. Wobei es nicht ums technische Können geht, sondern um Empathie und den zwischenmenschlichen Umgang, denn um bei den betroffenen Familien fotografieren zu dürfen, muss Smith zunächst deren Vertrauen gewinnen, was sich wegen der kulturellen Differenzen zwischen dem US-Amerikaner und dem japanischen Taktgefühl als schwierig erweist.

Die Verantwortung von Bildermacher und Betrachter

Regisseur Andrew Levitas hat den Film nach dem Ort des Geschehens benannt; nichtsdestotrotz ist der vor allem eine Hommage an Smith. Und muss sich als solche den Vorwurf gefallen lassen, über die „Minamata“-Krankheit und den Kampf gegen Chisso-Konzern primär aus der westlichen „White Savior“-Perspektive zu erzählen. Zwar räumen Levitas und seine Co-Autoren auch den japanischen Protagonisten Raum ein, vor allem der Vermittlerin Aileen Mioko (Minami), die Smith für das Projekt gewinnt, ihm als Übersetzerin zur Seite steht, zum wichtigen Korrektiv für ihn im Umgang mit den Einheimischen wird und damit auch ein Stück weit zur Mitschöpferin der Fotoreihe. Verhindern, dass die Menschen aus Minamatas, in deren Kampf Smith mehr und mehr involviert wird, letztlich Nebenfiguren in einem prominent besetzten Bio-Pic bleiben, kann das aber nicht.

Trotzdem besitzt Levitas’ Blick auf den von Smith an die Weltöffentlichkeit gezerrten „Minamata“-Fall durchaus seine Meriten. Kameramann Benoît Delhomme gelingt in Anlehnung an die Originalfotografien von W. Eugene Smith eine feine Balance zwischen aufrüttelnder Drastik und Respekt gegenüber den leidenden Menschen. Seine Stärken entfaltet „Minamata“ vor allem als Reflexion über die Verantwortung der Bildermacher wie auch der Betrachter, die aus dem, was Kamera und Auge erfassen, im besten Fall Konsequenzen ziehen – auch wenn diese manchmal unzureichend bleiben. „Minamata“ endet mit dem desillusionierenden Hinweis, dass die für die Betroffenen erstrittenen Entschädigungen vom Konzern nie ganz beglichen wurden. Im Abspann sind obendrein Bilder anderer menschengemachter Umweltkatastrophen aus späteren Jahrzehnten zu sehen, die eine Linie von Minamata zur umfassenden Vergiftung der Umwelt ziehen, gegen die aktuell die „Fridays for Future“-Bewegung aufbegehrt.

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