Geronimo - Eine Legende

Western | USA 1993 | 115 Minuten

Regie: Walter Hill

Eine entscheidende Phase aus dem Leben des Apachenhäuptlings Geronimo (sein Ausbruch aus dem Reservat und seine jahrelange Verfolgung) dient als Vorlage für ein von früheren Hollywood-Ressentiments befreites Bild des Kampfes zwischen Indianern und amerikanischem Militär. Ein eher unterkühlter als enthusiastischer Film, der versucht, Heroisierung auf beiden Seiten zu vermeiden. Kraftvoll und ohne sentimentale Ablenkungen inszeniert. (Videotitel: "Geronimo - Das Blut der Apachen") - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
GERONIMO: AN AMERICAN LEGEND
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Columbia
Regie
Walter Hill
Buch
John Milius · Larry Gross
Kamera
Lloyd Ahern
Musik
Ry Cooder
Schnitt
Freeman Davies · Carmel Davies · Donn Aron
Darsteller
Jason Patric (Lt. Charles Gatewood) · Gene Hackman (General Crook) · Robert Duvall (Al Sieber) · Wes Studi (Geronimo) · Matt Damon (Lt. Britton Davis)
Länge
115 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Western | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl., DS dt.)
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Diskussion
Legenden müssen offenbar auch auf der Leinwand von jemandem erzählt werden. Der Legenden-Erzähler ist es, dem die Aufgabe obliegt, das Publikum für die Geschichte zu interessieren. Mit ihm, nicht mit dem Helden der Story, wird der Pakt der Glaubwürdigkeit geschlossen. Weil dem so ist, haben die Legenden-Erzähler im amerikanischen Kino Weiße zu sein, auch wenn es eigentlich um Indianer geht. Bei aller Anstrengung, den Konventionen des Hollywood-Westerns alter Prägung und seinen Stereotypen zu entraten, verfangen sich auch die fortschrittlichsten Filmemacher in dem Klischee des weißen Legenden-Erzählers. Das war schon so bei "Der mit dem Wolf tanzt" (fd 29 749) und ist hier nicht anders. Hat man diese störende und ärgerliche Konzession an weiße Überheblichkeit erst einmal überwunden, so überrascht "Geronimo" mit einem erstaunlich unpathetischen und unparteiischen Geschichtsbild. Zwar stimmen weder Alter noch Aussehen des aufsässigen Apachenhäuptlings (der wahre Geronimo war zur Zeit der geschilderten Ereignisse um die 60 und von eher winziger Statur), zwar haben sich die aus dramaturgischen Gründen zusammengedrängten Vorgänge in Wirklichkeit während einer Zeitspanne von etlichen Jahren abgespielt, doch der historischen Wahrheit des Kampfes zwischen Militär und Urbevölkerung kommt dieser "Geronimo" näher als die meisten anderen Filme über die Indianerkriege.

Genrebezeichnungen aus früheren Tagen folgend, wäre Walter Hills Film als "Kavallerie-western" zu kategorisieren, denn die Handlung entwickelt sich aus der Perspektive eines jungen Leutnants, und die Hauptakteure (außer Geronimo) sind Offiziere, deren Aufgabe es ist, der aufständischen "Rothäute" habhaft zu werden. An ihrer Spitze stehen General Crook (eine ebenfalls historische Figur), der mit seiner Sympathie für die Indianer deren Einweisung in unfruchtbare Reservate nicht verhindern kann, und Lieutenant Gatewood, dem die Aufgabe zufällt, den aus der Verbannung ausgebrochenen Geronimo auszukundschaften und zur Kapitulation zu bewegen. Anders als die meisten Kavalleriewestern leistet sich dieser kaum jemals den Luxus der Abschweifung in andere Milieus. Er wartet weder mit den naiven Wigwam-Idyllen früherer Filme des Genres auf noch mit Ausflügen in landläufige Western-Szenerien. Sowohl die sonst zur romantischen Aufbereitung kaum jemals ausgelassenen züchtigen Damen als auch die gern herbeigezauberten Prostituierten fehlen, von Familienbanden ist nur am Rand die Rede, und die sich sonst zur Erheiterung herumtummelnden Outlaws sind konsequent aus dem Geschehen verbannt. Es ist eine Auge-in-Auge-Geschichte zwischen Militär und Indianern, die beide nicht heroisiert und beide nicht diffamiert werden, ohne daß Ausgewogenheit als oberstes Prinzip der Dramaturgie erscheint.

Das Erstaunlichste an dem Film ist, daß er keine seiner Gestalten zur Identifikationsfigur aufbaut und daß er jeder emotionalen Abschweifung entsagt. Dem Publikum wird die Anteilnahme dadurch nicht leicht gemacht. Der Film ist eher unterkühlt als enthusiastisch, eher nüchtern als aufbauschend. Doch das ist gleichzeitig sein Vorzug, durch den er sich von einer ganzen Generation ähnlicher Vorgänger unterscheidet. Walter Hill behält sein Thema stets klar im Auge. Selbst in den Schlachtenszenen verliert er sich nicht ausufernd ins kriegerische Getümmel. Seine Einstellungen sind präzis, sein Schnitt ist schnell, er bedarf sogar keiner detailgenauen Grausamkeiten, um die Sache auf den Punkt zu bringen. Und seine Figuren, zunächst mehr Repräsentanten einer Seite (nicht einer Ideologie), brauchen den ganzen Film lang, um allmählich persönliches Profil zu gewinnen. Der Zuschauer kennt sie eigentlich erst richtig, als sie sterben, ihren Abschied nehmen oder - wie Geronimo und der ihn aufstöbernde Leutnant - gegen ihren Willen in die Verbannung geschickt werden.

Die Handlung, die im Detail zu berichten überflüssig ist, weil man sie aus Dutzenden ähnlicher Filme kennt, spielt sich vor der grandiosen Kulisse des amerikanischen Südwestens ab. Die bizarre Landschaft weckt manche Erinnerungen an John Ford (der auch oft in der Gegend von Moab, Utah, gedreht hat), doch der Blickwinkel hat sich verändert. Noch immer verlieren sich Verfolger und Verfolgte vor dem überwältigenden Hintergrund einer gigantischen Natur, aber in Naheinstellungen nähert sich ihnen die Kamera mehr mit der Neugier des Dokumentaristen. In einer Szene schlägt Walter Hill denn auch sehr schön den Bogen zu seinen Vorgängern im 19. Jahrhundert, als er einen "Kriegsfotografen" die historische Begegnung zwischen Genera] Crook und Geronimo einfangen läßt und die Filmeinstellung der tatsächlich überlieferten Fotografie des Ereignisses Reverenz erweist.
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