Wie können Menschen unterschiedlicher Religion friedlich zusammenleben? Davon handelt „Ein Licht über den Wolken“.
Der Hirte Besnik wohnt in einem abgelegenen albanischen Gebirgsdorf und lebt seinen muslimischen Glauben mit Inbrunst. Vielleicht aus einer göttlichen Eingebung heraus fällt sein Blick eines Tages auf eine poröse Stelle in der Wand der Moschee. Er bricht ein Stück heraus, so dass das Loch verputzt werden muss. Bevor er jedoch mit der Kelle selbst Hand anlegen kann, steht der staatliche Denkmalschutz in Gestalt von zwei Restauratorinnen vor der Tür, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Zum großen Erstaunen der muslimischen Gläubigen legen sie unter dem Putz ein Christusbild frei und klären die Gemeinde über dessen Herkunft auf: Die Moschee war vormals eine christliche Kirche, die nach der Eroberung durch das Osmanische Reich zur Moschee umfunktioniert wurde. Für eine Übergangszeit hatten die neuen Machthaber den Christen aber gestattet, dort weiterhin ihre Gottesdienste abzuhalten. Nun entbrennt eine Diskussion, wie mit diesem religiösen Erbe umzugehen sei.
Die Idee der religiösen Toleranz
Der ungewöhnliche Film „Ein Licht zwischen den Wolken“ von Robert Budina beschäftigt sich eindringlich mit der Frage, ob dieser Fall religiöser Toleranz aus der Vergangenheit als Vorbild für die Gegenwart taugen kann. Oder vielleicht sogar als Modell für Gesellschaften in Frage kommt, die durch Zuwanderung religiös immer vielfältiger werden.
Während sich der Protagonist in „Ein Licht zwischen den Wolken“ dafür einsetzt, die liberale Tradition aus alter Zeit wieder aufleben zu lassen, zeigt der Film anschaulich und mit konzentrierter Langsamkeit, warum diese Idee immer wieder scheitern muss.
Budina hat den Schauplatz in ein Dorf verlegt, in dem sowohl Muslime als auch Christen leben. Hier ist das Beziehungsgefüge noch überschaubar. Über den Widerstand in der muslimischen Gemeinde ließe sich sachlich verhandeln, wenn alle Menschen so offen wären wie Besnik. Der Film zeichnet ihn als einen einnehmenden Sonderling, dem der Schauspieler Arben Bajraktaraj großen Nachdruck verleiht. Besnik ist sensibel, verletzlich und künstlerisch begabt. Er versenkt sich in Gott und ist mit dem zufrieden, was er besitzt. Seine Arbeit verrichtet er ernst und konzentriert, persönliches Leid bewältigt er symbolisch, indem er aus Holzstöcken Figuren schnitzt.
Die Weite der Natur
Zumeist hält sich der Hirte in der freien Natur auf, die sein Wesen geformt hat. Ihre meditative Weite und Erhabenheit fängt Marius Pandurus Kamera überzeugend ein und setzt sie in Kontrast zu den beengten, kommunikationsarmen Lebensverhältnissen in den meist dämmrig gehaltenen Häusern. Ganz ähnlich steht es um die Herzen der Menschen.
Besniks Erscheinung hingegen steht für gelebte religiöse Toleranz. Er verkörpert mit seiner Vorstellung von Gottes Barmherzigkeit nicht nur eine liberale Richtung des Islams, sondern erinnert zugleich an zentrale Gestalten des Christentums. Mit ihm wird auf das Bild von Christus als gutem Hirten verwiesen; der lange Filzmantel, das asketische Leben und der Zeige-Gestus lassen auch an Johannes den Täufer denken.
Um die dörfliche Abwehr gegen Besniks Einstehen für religiöse Kommunikation begreiflich zu machen, entfacht der Film einen zweiten Konfliktherd. Durch Besniks Augen beobachtet der Film, ähnlich wie Lessings Ringparabel, präzise, aber auch ein wenig wehmütig das Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen in seiner eigenen Familie, wo sich das öffentliche Geschehen im Privaten spiegelt und fortspinnt. Denn in Besniks Familie müssen verschiedene Weltansichten miteinander auskommen. Sein Vater ist überzeugter Kommunist, die verstorbene Mutter war Katholikin. Die Geschwister könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Bruder wohnt mit seiner Familie in Griechenland, wo er den orthodoxen Glauben annahm, während die verschleierte Schwester mit ihrer Familie der konservativen Richtung des Islams folgt.
Sehnsucht nach Liebe
Beide Geschwister kehren nach Hause zurück, weil sie ein letztes Mal den todkranken Vater sehen, sich aber auch ihren Teil des Familienerbes sichern wollen. Im Streit darum setzt sich der sorgfältig komponierte Film damit auseinander, wie sich Begierde, Ungleichheit, Verteilungsgerechtigkeit und religiöse Abgrenzungsbestrebungen gegenseitig bedingen.
Allerdings wächst dort, wo Streit und Zwietracht wüten, auch die Sehnsucht nach Liebe. So entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen der Restauratorin Vilma und dem Ziegenhirten Besnik. Die Seelenverwandten kommen sich im Gespräch über ihr Leben und die Kunst näher. Denn Wahrheit, Schönheit und Barmherzigkeit sind Werte, die zwischen Menschen Verbindung stiften.