Dokumentarfilm | Deutschland 2019 | 102 Minuten

Regie: Walter Steffen

Dokumentarfilm über Legenden- und Sagengestalten des bayerischen Voralpenlandes. Viele Protagonisten erzählen Geschichten über Riesen, Berggeister, Feen und wilde Fräulein, die der Film ohne Off-Kommentar oder Wertung nebeneinanderreiht. Zusammen mit spektakulären (Luft-)Aufnahmen der Bergwelt, effektvollen Animationen historischer Materialien und Reenactment-Szenen ergibt sich ein anschaulicher Einblick ins althergebrachte Denken und Fühlen der Bergbewohner, dem etwas mehr Konzentration und Einordnung gutgetan hätte. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Konzept+Dialog Medienprod.
Regie
Walter Steffen
Buch
Walter Steffen
Kamera
Dixie Schmiedle
Musik
Titus Vollmer
Schnitt
Steffen Mühlstein
Länge
102 Minuten
Kinostart
31.10.2019
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Dokumentarfilm über Legenden- und Sagengestalten des bayerischen Voralpenlandes.

Diskussion

„Das Sichtbare ist nur ein Prozent der Wirklichkeit – 99 Prozent sind unsichtbar“, wird anfangs Albert Einstein zitiert, der dabei aber wohl kaum an bayerische Berggeister gedacht haben dürfte. Der Filmemacher Walter Steffen aber tut genau dies: Er erkundet in „Alpgeister“ die unsichtbare Welt anhand des Volksglaubens im Voralpenland.

Dazu reist er ins Berchtesgadener Land, den Chiemgau, ins obere Isartal oder das Karwendelgebirge. Hier trifft er Geschichtenerzählerinnen, Hirten, Schamanen, Ärztinnen und Autorinnen, Pfarrer, Unternehmer, Archivare, Bildhauer und Musiker. Sie alle eint die Überzeugung, dass die Welt nicht nur mit rationalen Mitteln zu erfassen ist, sondern dass es zwischen Himmel und Erde mehr Dinge gibt, als die Naturwissenschaften oder der Augenschein beglaubigen können.

Riesen, Feen und wilde Fräulein

Ohne Off-Kommentar erzählen die Protagonisten von süddeutschen Legenden- und Sagengestalten, von Riesen, Feen, wilden Fräulein, Geistern und Schutzengeln. Die „Führung“ übernimmt eine „Hirtin und Geschichtenerzählerin“ aus dem Allgäu. Mit ihrem weichen Allgäuer Idiom verbindet Bärbel Bentele die breit gestreuten Erzählungen aus der Welt des Übersinnlichen. Ihre Ausführungen über die Existenz der „anderen“ (womit sie Geister und Sagengestalten meint), sowie archaische Rituale und Traditionen und deren – früher existenzielle – Bedeutung erschaffen eine Art geistig-emotionalen Überbau.

Die Inszenierung hat keine allzu strengen Richtlinien angelegt, was den (naturgemäß eher diffusen) Gegenstand der filmischen Betrachtung betrifft. Manche der Interviewpartner stellen die weitgehend verlorengegangene Nähe zwischen Mensch und Natur oder auch die beseelte Welt ins Zentrum, etwa der Pfarrer Herbert Josef Schmatzberger, der über die Gefühle von Steinen oder die Gedanken von Bäumen spricht. Andere ordnen die Stoffe eher historisch ein; so erläutert die Gästeführerin Henriette Schübel beispielsweise, wie sich die katholische Kirche den Volksglauben an die „wilden Fräulein“ durch deren Umwidmung in Heilige zu eigen machte.

Die Aureole eines Regenbogens

Die meisten Gesprächspartner geben regionale Überlieferungen, Traditionen und Volkssagen wieder: von der in unterschiedlicher Ausprägung in ganz Europa verbreiteten „Wilden Jagd“, dem umherwandernden Geist der Werdenfelser „Weißen Frau“, dem Riesen aus dem Karwendelgebirge oder dem so genannten „Quellenfüttern“ im Allgäu und den sich gegen die brandschatzenden Panduren aus den Gräbern erhebenden Toten in Lenggries.

Dazu kommen die sehr persönlichen Erzählungen des Musikers Wolfgang Ramadan, den bei einer Bergwanderung sein „Schutzengel“ vor einem Unfall bewahrt hat – vermeintlich belegt durch Handy-Aufnahmen, die eine Regenbogen-Aureole zeigen.

Der Vorzug des chronikhaften Vorgehens entpuppt sich bisweilen aber auch als Nachteil. Denn so ansprechend die Idee auch erscheint, diese unzähligen Figuren und Erzählungen süddeutscher Imaginations- und Überzeugungskraft gleichberechtigt nebeneinander zu stellen, so führt dieses Vorgehen im Endergebnis doch zu Beliebigkeit. Ohnehin hätte dem übervollen Film eine stärkere Konzentration oder eine Vertiefung der einzelnen Episoden gut getan, um die meist spannenden Protagonisten und Erzählungen besser zur Geltung zu bringen.

Mit Feen auf du und du

Die Resonanz von „Alpgeister“ hängt sehr von der individuellen Offenheit oder Skepsis gegenüber übersinnlichen Erscheinungen ab, aber auch von der Bereitschaft, sich auf solche Phänomene und Denkmuster einzulassen. Viele der Protagonisten lassen offen, ob sie selbst an die berichteten Legenden „glauben“.

Der Architekt und Historiker Magnus Peresson, der mit rationaler Herangehensweise die Drachen aus der Füssener Magnus-Legende als Bild für „die ungezähmten Kräfte der Natur“ interpretiert, ist allerdings eher die Ausnahme; eine (psychologisch oder anderweitig motivierte) Interpretation des Geisterglaubens findet eher weniger statt. Daneben stehen Protagonistinnen wie die Ärztin Hildegard Ringsgwandel, die in ihrem Sprechen über „Feen“ so klingt, als würde sie deren Existenz für eine kaum von der Hand zu weisende Tatsache halten.

Bei allem Bemühen um geistige Offenheit hätte ein wenig mehr Distanz oder zusätzliche Einordnungen gut getan. Dennoch ist es das große Verdienst von „Alpgeister“, den weiten Raum der voralpenländischen Glaubens- und Geisteswelt aufzuzeigen und mit spektakulären (Luft-)Aufnahmen der Bergwelt, effektvollen Animationen historischer Materialen und Reenactment-Szenen einen anschaulichen Einblick ins (teils bis heute fortbestehende) archaische Denken und Fühlen der süddeutschen Bergbewohner zu geben.

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