The Wild Boys
Drama | Frankreich 2017 | 110 Minuten
Regie: Bertrand Mandico
Filmdaten
- Originaltitel
- LES GARÇONS SAUVAGES
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- Ecce Films
- Regie
- Bertrand Mandico
- Buch
- Bertrand Mandico
- Kamera
- Pascale Granel
- Musik
- Pierre Desprats
- Schnitt
- Laure Saint-Marc
- Darsteller
- Pauline Lorillard (Romuald) · Vimala Pons (Jean-Louis) · Diane Rouxel (Hubert) · Anaël Snoek (Tanguy) · Mathilde Warnier (Sloane)
- Länge
- 110 Minuten
- Kinostart
- 23.05.2019
- Fsk
- ab 16; f
- Genre
- Drama | Fantasy | Thriller
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Die wertig aufgemachte Special-Edition (DVD plus BD) ist mit einem 16-seitigen Booklet zum Film mit dem Text "Ungewiss ist die Zukunft der Geschlechter" von Olaf Möller sowie einem Interview mit Regisseur Bertrand Mandico erhältlich. Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (17 Min.) sowie die Kurzfilme "Depressive Cop" (2017, 12 Min.), "Any Virgin Left Alive?" (2015, 9 Min.), "Our Lady of Hormones" (2015, 31 Min.) und "Prehistoric Cabaret" (2014, 10 Min.). Die Edition ist mit dem Silberling 2019 ausgezeichnet.
Fünf verwöhnte reiche Übeltäter werden zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf eine bizarre Insel transportiert und machen dort die Verwandlung in Frauen durch. Eine bildgewaltige erotische Phantasie mit Anleihen bei Maya Deren, Kenneth Anger und „Herr der Fliegen“.
Gender Trouble auf Pleasure Island. Nachdem eine Gruppe von verwöhnten reichen Sprösslingen bei Proben zu einem Shakespeare-Stück ihre Lehrerin vergewaltigt hat, werden sie von ihren Eltern einem mysteriösen Kapitän (Sam Louwyck) zu einer Umerziehungs- und Besserungsreise anvertraut. Der Kapitän hat zu Protokoll gegeben, dass seine ganz besondere Form der Umerziehung bisher noch jedes Mal erfolgreich gewesen sei. Aber zunächst, zu Beginn der Reise, scheint er auf reine Gewalt zu setzen. Sein Schiff ist mit einer Apparatur versehen, die es erlaubt, jeden Jungen in die Gefahr zu versetzen, zu jedem Moment stranguliert zu werden.
Trotz seiner Härte geht von dem Kapitän eine seltsame Faszination aus, was vielleicht auch daran liegt, dass es an Bord für die kultivierten Missetäter nach der Entsorgung der mitgeführten Bücher nur noch eine Lektüre-Möglichkeit gibt: die seines tätowierten Penis. Nach der abenteuerlichen Überfahrt erweist sich ein höchst seltsames Eiland als eigentliches Ziel der Reise. Hier gibt es ein tropisches Schlaraffenland zu entdecken, wo Früchte wachsen, die haarigen Vulven ähneln, Pflanzen als Masturbationsapparate taugen und leckerer Nektar aus penisartigen Ästen spritzt. An einer Stelle heißt es: auf der Insel bewegt sich die Gruppe wie Zwerge auf dem Körper eines gigantischen lebendigen Mädchens. Hier hat Dr. Séverin(e) (Elina Löwensohn) das Sagen, die/der um das Geheimnis des Eilands nicht nur weiß, sondern deren/dessen Körper dieses Geheimnis sogar dokumentiert.
Bildgewaltige Phantasie führt zum queeren, surrealen Abenteuer
Die mysteriöse Insel, gedreht wurde auf La Réunion, transformiert toxische Männlichkeit ins friedlich Feminine. Mit „The Wild Boys“ ist dem Franzosen Bertrand Mandico eine bildgewaltige erotische Phantasie gelungen, die Elemente des klassischen Avantgardefilms einer Maya Deren oder eines Kenneth Anger mit klassischem Erzählkino im Stile von „Manuel“ oder „Herr der Fliegen“ zu einem auf allen visuellen wie narrativen Ebenen queeren und surrealen Abenteuer mischt. Lustvoll lässt Mandico seinen Phantasien freien Lauf, beschwört in mal schwarz-weißen, mal farbigen Bildern eine durch und durch sexualisierte Natur, in der alles Feuchte klebrig ist und nach Austern riecht und schmeckt, bis man glaubt, Guy Maddin habe sich nach monatelangem Studium von Marc-Almond-Alben an einem Remake von Fassbinders „Querelle“ versucht.
Und weil die jungen Vergewaltiger durchweg mit Schauspielerinnen besetzt wurden, kann der Film deren Wandlung sogar zeigen, lässt Brüste wachsen und Penisse abfallen. Durch seinen/ihren dauerhaften Aufenthalt auf der Insel wurde aus Dr. Séverin Dr. Séverin(e), der/die diese Veränderung aber gerne leugnet. Der Kapitän, ab und zu geschäftlich auf der Insel, hat nicht nur einen tätowierten Penis, sondern auch eine weibliche Brust, die er aber nicht so gerne zeigt. Doch trotz aller Trans- und Inter-Zwischenstufen, die dem Film inhärent sind, belässt es der Film letztlich dann doch bei der binären Entweder-Oder-Formel beim Gender Trouble. So queer „The Wild Boys“ sich auch geriert, wenn Frauen Männer spielen, die sich homosexuellen Phantasien hingeben und/oder sich in Frauen verwandeln oder auch schon verwandelt haben, so fällt doch auf und leider etwas störend ins Gewicht, dass Mandico sich bei der Besetzung der Rollen auf Cisgender-Darsteller*innen verlassen hat.