Biopic | USA/Großbritannien 2018 | 110 Minuten

Regie: Matthew Heineman

Die französische Journalistin Marie Colvin (1956-2012) zählte zu den berühmtesten Kriegsreporterinnen der Welt. Jahrzehntelang berichtete sie aus Krisengebieten in Sri Lanka, dem Irak, in Libyen und zuletzt in Syrien. Das Drama zeichnet ihre Einsätze chronologisch nach, insbesondere während der Belagerung von Homs im Jahr 2012, wobei vor allem die Persönlichkeit der Reporterin in den Mittelpunkt rückt. Der vielschichtige, in der Hauptrolle brillant gespielte Film arbeitet die innere Zerrissenheit Colvins heraus, die unter den Kriegswirren leidet, aber nicht anders kann, als das Schicksal der Betroffenen öffentlich zu machen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
A PRIVATE WAR
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Acacia Filmed Entertainment/Savvy Media Holdings/Thunder Road/Denver and Delilah/Kamala
Regie
Matthew Heineman
Buch
Arash Amel
Kamera
Robert Richardson
Musik
H. Scott Salinas
Schnitt
Nick Fenton
Darsteller
Rosamund Pike (Marie Colvin) · Jamie Dornan (Paul Conroy) · Tom Hollander (Sean Ryan) · Stanley Tucci (Tony Shaw) · Corey Johnson (Norm Coburn)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Biopic | Kriegsfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Special-Edition (2 DVDs) und die BD enthalten im Bonusmaterial den Dokumentarfilm „Under the Wire“ (95 Min.) von Chris Martin, der Marie Colvin vor allem mittels Interviews mit Wegbegleitern und Kollegen porträtiert; vor allem ihr langjähriger Fotograf Paul Conroy kommt darin zu Wort.

Verleih DVD
Ascot Elite (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Ascot Elite (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion

Biografischer Film über die Kriegsreporterin Marie Colvin (1956-2012), die jahrzehntelang aus den Krisenregionen der Welt berichtete, ehe sie 2012 während eines Einsatzes in Syrien ums Leben kam. Ein fesselndes Porträt einer ebenso bemerkenswerten wie schwierigen Frau, das zugleich die Bedeutung der Arbeit unabhängiger Berichterstatter betont.

Marie Colvin (1956-2012) zählt zu den bekanntesten Kriegsreporterinnen der Welt. Nach den Angriffen auf Libyen war sie 1986 die erste, die Muammar al-Gaddafi interviewte. Jahrzehntelang berichtete sie von den Konflikten in Sri Lanka, den beiden Golfkriegen, im Libanon oder im Kosovo. Anfang des neuen Jahrtausends wurde sie mit dem British Press Award als beste Auslandskorrespondentin ausgezeichnet. In „A Private War“ erzählen Regisseur Matthew Heineman und Drehbuchautor Arash Amel auf der Basis des Vanity-Fair-Artikels „Marie Colvin’s Private War“ die Geschichte einer Frau, die in den Kriegsgebieten nicht nur ihr Leben aufs Spiel gesetzt hat, sondern darüber hinaus auch viel mit sich selbst zu kämpfen hatte.

Der Film begleitet Colvin (Rosemund Pike) gleich zu Beginn bei einem Einsatz in Sri Lanka im Jahr 2002, bei dem sie schwer verletzt wurde und ihr linkes Auge verlor: ein drastisches Beispiel für die persönlichen Kosten ihrer Arbeit, um die es in „A Private War“ immer wieder geht. Die schwarze Augenklappe wird zu ihrem Markenzeichen. Von da aus rollt das Kriegsdrama chronologisch ihre Einsätze in den folgenden Jahren aus: Colvin berichtete von Massengräbern im Irak, vom Afghanistankrieg und vom Bürgerkrieg im libyschen Misrata. 2012 macht sie sich zusammen mit dem Fotografen Paul Conroy (Jamie Dornan), ihrem langjährigen Mitstreiter, nach Syrien auf, um aus der belagerten Stadt Homs zu berichtet. Dort kam die Journalistin am 22. Februar 2012 bei einem Artillerieangriff ums Leben.

Die Menschen im Mittelpunkt

Regisseur Matthew Heineman, der sich bislang mit Dokumentarfilmen wie „Cartel Land“ einen Namen gemacht hat, verzichtet weitgehend auf große Kampfszenen, um von den Kriegen zu erzählen. Auch die großen politischen Zusammenhänge der Konflikte, über die die Journalistin berichtet, werden nur am Rande beleuchtet. Stattdessen interessiert er sich für das, was auch Colvin in den Mittelpunkt rückte: die Menschen. Während die Kriegsreporterin am liebsten die Schicksale Einzelner protokollierte – „Menschen interessieren sich für Menschen“, sagt sie in einer Szene –, rückt der Film sie selbst in den Mittelpunkt. Bombardements und Angriffe erlebt der Zuschauer so als persönliche Momente, in denen Colvin Staub ums Gesicht fliegt oder die Geschosse um sie herum einschlagen.

Vom Krieg gezeichnet

Doch der Krieg spielte sich nicht nur in den Krisenregionen der Welt ab. Wie der Filmtitel „A Private War“ schon andeutet, hat Colvin auch einen eigenen Krieg, wenn nicht sogar viele Kriege, zu kämpfen. Das Drama zeichnet sie als eine Frau, die vom Krieg schwer gezeichnet ist, aber ohne ihn nicht mehr leben kann. „Ich hasse es, in Kriegsgebieten zu sein. Aber ich fühle mich gezwungen, es mit meinen eigenen Augen zu sehen“, sagt sie einmal – eine Getriebenheit, die etwas Selbstzerstörerisch-Obsessives hat, zugleich aber auch einem bedingungslosen Berufsethos und dem unerschütterlichen Glauben an den aufklärerischen Wert ihrer Arbeit entspringt. Der Film unterstreicht ihre Überzeugung, als Journalistin dorthin gehen zu müssen, wo Unrecht geschieht und Menschen zu anonymen Kollateralschäden von Machtkämpfen werden, ihnen sozusagen eine Stimme zu leihen und die Weltöffentlichkeit aufzurütteln.

Der Preis dafür ist bitter. Colvins innere Belastung verbildlicht der Film mit Montagen, in denen sich Bilder aus dem privaten Umfeld und denen bei ihren Einsätzen vermischen. Wirklich hinter sich lassen kann die Reporterin das, was sie sieht, nie; am glücklichsten sei sie mit einem Wodka Martini in der Hand, scherzt sie einmal auf einer Party, was eine harmlose Umschreibung für ihr Suchtproblem und die psychischen Probleme ist, die Colvin nicht zur Ruhe kommen lassen.

Eine herausragende Rosemund Pike

Rosemund Pike verkörpert diese komplexe Figur, ihren Ehrgeiz und ihre Zerbrechlichkeit, ihren Mut und ihre psychischen Abgründe herausragend, was der Schauspielerin eine Nominierung für den „Golden Globe“ als beste Hauptdarstellerin einbrachte. Zudem verblüfft ihre Hingabe, mit der sie sich das reale Vorbild Colvins regelrecht anverwandelt hat: Schon in einer kurzen Archivaufnahme, in der die echte Marie Colvin zu sehen ist, zeigt sich, wie sehr sich Pike die Rede- und Bewegungsweise der Reporterin zu eigen machte. Noch stärker und eindrucksvoller wird dies durch die Dokumentation „Under the Wire“ erkennbar, die sich als Bonus auf der DVD und der Blu-ray des Films befindet. Darin berichten Paul Conroy sowie weitere Kollegen über den Einsatz in Homs und die letzten Tage von Colvin.

Eindeutige Antikriegs-Haltung

Der im Vergleich zum Spielfilm noch drastischere und beklemmendere Dokumentarfilm entwirft das Bild einer „nicht normalen Journalistin“, die „das Menschliche nie außer Acht ließ“, wie einer ihrer Wegbegleiter, der Iraker Ma’el, betont. Auch aufgrund ihrer Erlebnisse scheint sie kein einfacher Mensch gewesen zu sein. Eine Kollegin beschreibt sie als „unhöflich“, ein Fotograf beendete die Zusammenarbeit mit ihr. Erst zu Conroy baute sie ein enges Vertrauensverhältnis auf, das der Spielfilm deutlich herausstellt.

Beide Filme, „A Private War“ wie „Under the Wire“, sind vielschichtige Werke über eine komplexe Persönlichkeit, die mit ihrer Arbeit entschieden gegen den Krieg kämpfte. Colvin wollte deutlich machen, dass dort, wo Bomben und Schüsse fallen, es immer einzelne Menschen sind, die darunter leiden, was im Streit der politischen Interessen allzu oft vergessen wird. Das zeigen beide Filme wie auch das Werk von Marie Colvin.

Zugleich sind beide Filme flammende Plädoyers für das Handwerk professioneller Reporter in den Krisenregionen der Welt. Was für Journalisten lebensgefährlich und für Medienhäuser teuer und aufwendig ist, sichert die Möglichkeit, objektive Informationen über Konflikte und ihre Opfer zu bekommen.

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