„If you really know it and you really wanna show it, be the way to go – Hey yoh! Go and grab somebody, move you body“, singt die kenianische Sängerin Muthoni Drummer Queen im Intro von „Rafiki“, einer bunten und quicklebendigen Collage aus Straßenszenen und Animationen. Der Dancehall-Song setzt den Ton: Wie in „Suzie Noma“, so der Titel des Songs, geht es auch in „Rafiki“ um starke Frauen, Frauenfreundschaften, um weibliche und afrikanische Selbstermächtigung. „Ich will all die Orte besuchen, an denen sie wahrscheinlich noch nie eine Afrikanerin gesehen haben. Einfach auftauchen: Hier bin ich. Ich bin Kenianerin, aus Afrika.“ So sagt es Ziki, eine der beiden Protagonistinnen in der hinreißenden lesbischen Liebesgeschichte von Wanuri Kahiu.
Auf der Basis der Kurzgeschichte „Jambula Tree“ (2008) der ugandischen Autorin Monica Arac de Nyeko erzählt „Rafiki“ eine im Grunde sehr einfache Geschichte. Sie spielt in einem quirligen Viertel von Nairobi, wo die dauerflirtenden Jungs mit ihren aufgepimpten Motorrädern schaufahren, eine klatschsüchtige Imbissbesitzerin über alle Ereignisse des sozialen Lebens wacht und zwei konkurrierende Lokalpolitiker Wahlkampf führen.
„Aus dir wird mal eine gute Ehefrau“
Hauptfiguren aber sind ihre beiden Töchter. Die eine, Kena, ist eine tomboyhafte Frau, die von einer Ausbildung als Krankenschwester träumt, weil sie an ein Medizinstudium gar nicht erst zu denken wagt. Bei den Jungs genießt Kena nicht nur wegen ihrer Fähigkeiten im Fußball hohes Ansehen. „Aus dir wird mal eine gute Ehefrau“, meint ihr bester Freund Blacky. Auch Kenas Mutter, die die gesellschaftlichen Beschränkungen als Frau schmerzhaft zu spüren bekommt, weil sie für die Untreue ihres Ehemanns verantwortlich gemacht wird, wünscht sich für ihre Tochter nichts mehr als einen „netten reichen Arzt“.
Ziki, die aus einer sozial besser gestellten Familie stammt, ist eine schillernde Erscheinung mit bunt lackierten Fingernägeln, regenbogenfarbenen Rastazöpfen, wild gemusterten Kleidern und Kniestrümpfen mit Blockstreifen. Der Film hält sich erst gar nicht damit auf, die gegenseitige Anziehung der beiden Frauen aufzuschieben oder zu verschleiern. Schon die erste Begegnung – Kena beobachtet, wie Ziki und ihre Freundinnen Wahlplakate ihres Vaters abreißen – signalisiert sofortige Verliebtheit. Doch auch wenn schnell klar ist, dass Kena und Ziki zusammenfinden werden, nimmt sich die Inszenierung viel Zeit für intensive Blicke und lange Redepausen, für eine scheue, aber dennoch unbedingt entschiedene Annäherung.
Das geschlechterpolitisch repressive Klima thematisiert eine frühe Szene, in der ein Freund Kenas einen schwulen jungen Mann homophob beschimpft. Auch der Priester wettert im Gottesdienst gegen die gleichgeschlechtliche Liebe. Als die heimliche Beziehung zwischen Kena und Ziki auffliegt, wird das Paar von einem aufgebrachten Mob verprügelt, der ausgerechnet von einer Frau – Mama Atim, der Gossip-Queen – angestachelt wurde. Auch wenn sich Kena anschließend einem exorzistischen Ritual aussetzen muss und Ziki von ihrer Familie nach London geschickt wird, verfällt der Film nie in einen dramatischen Tonfall.
„Rafiki“ – der Titel bedeutet auf Suaheli „Freund(in)“ – ist ein grundoptimistischer Film, der auf die Ausstrahlung, Stärke und Schönheit der Frauen setzt – auch wenn die Zeit für (sexuelle) Freiheiten noch längst nicht angebrochen sein mag.
Homosexualität steht unter Strafe
Die Behörden in Nairobi verboten den Film, der als erster kenianischer Beitrag zum Festival nach Cannes eingeladen wurde – Homosexualität steht in dem Land unter Strafe. Die Regisseurin Wanuri Kahiu konnte immerhin durchsetzen, dass „Rafiki“ eine Woche lang in ihrem Heimatland gezeigt wurde, um die Anforderungen für die Einreichung zu den „Oscars“ zu erfüllen. Das Publikumsinteresse war riesengroß.
Afro-Bubblegum, so der Name des Mediennetzwerkes, das unterhaltsame und progressive afrikanische Kunst wie „Rafiki“ fördert und produziert, ist für Kahiu zu einer Art Genre-Begriff geworden, der fröhliche Geschichten aus Afrika bezeichnet. Die 1980 in Nairobi geborene Kahiu gilt als Stimme einer neuen Generation afrikanischer Filmemacherinnen, die mit dieser, nicht zuletzt dekolonialisierend wirkenden Sprache die vorherrschenden Bilder von Afrika als leidvollem „Herz der Finsternis“ bekämpfen will.
Tatsächlich ist man in „Rafiki“ durchaus mit den eigenen limitierten Vorstellungen eines „afrikanischen Kinos“ beschäftigt, wenn man sich angesichts der exzessiven candyfarbenen Ästhetik die Augen reibt. Dass die Geschichte mitunter ein wenig vorhersehbar ist, stört wenig. Denn mit ihrer Verbindung aus Feminismus, afrofuturistischen Elementen, lokalen Traditionen, Pop und Bubblegum, etwa in dem tollen Mix aus traditionellen afrikanischen Stoffen und moderner, eher mit Hiphop assoziierter Streetwear – kreiert Kahiu eine neue, emphatische Ästhetik – „Be the way to go“.