Oft erzählen Trailer viel zu viel über Filme. Danach hat man bisweilen den Eindruck, alle Höhepunkte schon vorab gesehen zu haben. Der Trailer von „Ben is back“ ist allerdings radikal anders. Er zeigt einen sorgfältig ausgewählten, nahezu unveränderten Ausschnitt aus dem Film: eine wortarme Sequenz ohne Handlung, die mit wenigen Dingen viel über die Protagonisten erzählt – aber doch nur so viel, dass man unbedingt wissen möchte, wie es mit den Figuren weitergeht.
In diesen Bildern sehen sich Ben und seine Mutter Holly nach langer Zeit wieder; in ihrem überraschenden Treffen an Heiligabend tritt eine ganze Palette von Gefühlen zutage: Verletzungen und Enttäuschungen aus der Vergangenheit, die unerschütterliche Liebe der Mutter, die Angst des Sohnes vor Zurückweisung – und Hollys Zweifel, ob sie das Richtige tut, indem sie Ben willkommen heißt.
Diese Sequenz zeigt exemplarisch auf, wie sehr es dem Autor und Regisseur Peter Hedges im Verbund mit den Schauspielern gelingt, familiäre Beziehungen und gemeinsame Erfahrungen sicht- und spürbar zu machen. Wie schon in den Drehbüchern zu „About a Boy oder: Der Tag der toten Ente“, „Gilbert Grape“ (nach seinem eigenen Roman) oder „Pieces of April“ beweist Hedges auch hier, dass er bei komplexen zwischenmenschlichen Verflechtungen zu höchster Form aufläuft. Dagegen lässt „Ben is back“ gegen Ende hin, wenn der Film zwischenzeitlich zu einem Ein-Personen-Stück mutiert, deutlich nach und wirkt eindimensionaler.
Problematische Rückkehr in die Familie
Zu Beginn aber sprüht das Drama regelrecht vor vielsagenden Blicken, Bemerkungen, Bewegungen innerhalb von Hollys Familie. Zu der gehören neben Bens Schwester Ivy auch Hollys neuer Mann Neal sowie zwei jüngere Halbgeschwister. Während die sich über den Überraschungsbesuch freuen, verhalten sich Ivy und Neal skeptisch bis ablehnend. Denn Ben ist drogensüchtig und gerade in einer Entzugsklinik untergebracht. Seine vorherigen Besuche endeten jeweils im Desaster, mit dramatischen Rückfällen und Streitereien.
Trotzdem setzt sich Holly durch. Ben darf 24 Stunden bleiben, wird aber von seiner Mutter überwacht; nicht einmal die Klotür darf er hinter sich schließen. Schmuck und Medikamente räumt Holly vorsorglich beiseite. Bei einem Ausflug von Mutter und Sohn blitzen Hinweise auf Bens Vergangenheit auf; ungute Ahnungen, dass es nicht so einfach wird, friedliche Weihnachten miteinander zu verbringen.
Als die Burns nach der abendlichen Weihnachtsmesse nach Hause kommen, entdecken sie einen Einbruch; auch fehlt der Familienhund Ponce. Damit beginnt ein neuer Film: Holly und Ben machen sich auf die Suche nach dem Tier, das Ben bei früheren Bekannten aus dem Drogenmilieu vermutet. Er glaubt an einen Racheakt für offene Rechnungen. Mutter und Sohn klappern in der Weihnachtsnacht deshalb Menschen ab, bei denen sich Ben früher Drogen besorgte oder für die er Rauschgift verkaufte. Diese Reise in die Vergangenheit bringt das ganze Ausmaß von Bens Sucht und die damit einhergehenden zerstörerischen Verstrickungen zum Vorschein. Sie zeigt aber auch die bedingungslose, verzweifelte Liebe der Mutter, die bis zur Selbstverleugnung reicht, Holly aber auch über sich selbst hinauswachsen lässt.
Glänzend besetzt mit Julia Roberts & Lucas Hedges
Das ist ergreifend und packend dargestellt von Julia Roberts, die in dieser starken Rolle glänzt; die unerschütterliche Liebe ihrer Figur bildet das Zentrum des Films. Lucas Hedges, der Sohn des Regisseurs, bietet ihr in der Rolle des Ben durchaus Paroli: als eine höchst ambivalente Figur, so sympathisch wie (selbst-)süchtig, weshalb man nie sicher sein kann, ob er gerade die Wahrheit sagt oder lügt. Ben ist auch hart gegen sich selbst, und er beschimpft Holly, dass sie ihm zu sehr vertraut.
Das 24-Stunden-Zeitfenster, in dem die Handlung spielt, ist dramaturgisch so geschickt gewählt wie der beschränkte Schauplatz einer mittelgroßen, austauschbar zersiedelten Stadt: Beides wirft die Protagonisten auf sich selbst zurück – und lenkt den Blick des Publikums auf die zentralen Fragen ihrer Beziehung. Mit Drugstore, Pfandhaus, Diner und Kirche wird eine prototypische US-Suburbia-Siedlung skizziert, was dem Film spürbar politische Dimensionen verleiht. Dass hier Schmerzmittel verschrieben werden wie andernorts Hustenbonbons, die Regierung die Abhängigen dann aber weitgehend sich selbst überlässt, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Drogenepidemie, die das Land auslaugt.
Intimes Familiendrama
Trotzdem ist der Film vor allem ein intimes Familiendrama. Zum Ein-Personen-Stück taugt der Film nicht so recht, was sich auch daran zeigt, als Ben abhaut, um die Dinge alleine zu regeln. Sobald Holly das Gegenüber ihrer Liebe und Fürsorge abhandenkommt, scheint ein wichtiger Bezugspunkt zu fehlen. Zugleich reduziert die Story, je mehr sie sich ihrem Endpunkt nähert, die anfangs so zahlreichen Bezüge. Irgendwann geht es nur noch darum, dass Ben überlebt. Was einerseits stimmig und auf der Ebene des Drehbuchs auch schlau konstruiert ist. Doch in der Umsetzung erscheint der Film immer „ausgedünnter“ und auch emotional deutlich eindimensionaler. Was allerdings nur ein kleiner Einwand ist angesichts der anderen Qualitäten dieses „Weihnachtsfilms“ der anderen Art.