„Man bezahlt mich fürs Liefern. Ich liefere.“ Die Worte kommen so lässig aus dem Mund des Protagonisten, dass man sich in einem Film noir wähnt. Dabei geht es doch nur um einen Pizzalieferanten, der seinen eintönigen Job ausübt. Aber in einer Metropole wie Dark Meat City kann selbst dies ein lebensgefährliches Unterfangen sein. Schon am Ende der ersten Szene hat es Lino erwischt. Der Zusammenprall mit einem Lkw kostet ihn beinahe das Leben und verändert alles. Seitdem hat Lino Wahrnehmungsstörungen und sieht in den Schatten vieler Menschen tentakelähnliche Auswüchse. Kurze Zeit später nimmt eine schwer bewaffnete Spezialeinheit die Wohnung auseinander, in der Lino mit seinem Kumpel Vinz lebt – und Lino scheint plötzlich Superkräfte zu haben. Was ist hier los?
„Mutafukaz“ macht sich einen Spaß daraus, die absurden Entwicklungen seiner Geschichte mit riesigen Textinserts in reißerischen, comicähnlichen Schriftarten zu kommentieren und bezieht sich damit immer wieder auf seine literarische Vorlage. Ausgangspunkt für diesen wilden Animationsfilm ist die gleichnamige fünfbändige französische Comic-Reihe von Guillaume Renard, die unter dessen Künstlernamen Run entstand und die Renard nun gemeinsam mit dem Anime-Regisseur Shôjirô Nishimi für die Leinwand adaptiert hat. Sichtlich profitiert der Film von der Expertise des Anime-Studios 4°, in dem bereits der atemberaubend-aberwitzige „Mind Game“ (2004) sowie die wilde Manga-Adaption „Tekkonkinkreet“ (2006) entstanden. In allen erdenklichen Variationen imitiert die Bildgestaltung die Stilmittel des realen Actionkinos, während die (animierten) Kamerafahrten fließend Zeit und Raum auflösen, wie es nur in Animationsfilmen möglich ist. Französische Einflüsse lassen sich eher in der dialoglastigen Umsetzung entdecken – wo in japanischen Filmen oft vielsagend geschwiegen wird, herrscht in „Mutafukaz“ Dauergeplappere, das manchmal recht anstrengend wirkt; der frankophile Einfluss zeigt sich aber auch im Character Design der Protagonisten; wie normale Menschen sehen Lino, Vinz und ihr Kumpel Willy keineswegs aus.
Lino ist ein kleiner Kerl mit pechschwarzem Kopf und riesigen Augen, Vinz hat anstelle eines normalen Gesichts einen Totenkopf, über dem eine Flamme wabert, und Willy sieht wie eine Katze aus – mit Zahnlücke und Grills. Inmitten der ansonsten von menschlichen Figuren bevölkerten Dystopie, die ungemein düster und detailreich gezeichnet wurde, könnten sie Karikaturen sein. Doch sie werden schnell als „normal“ wahrgenommen und laden zur Identifikation ein. Lino und Vinz sind sympathische Loser, Außenseiter schon auf den ersten Blick, die sich durchs Leben hangeln und nie ihre Freunde verraten.
Der Film verstrickt sie in eine skurrile Science-Fiction-Geschichte, wobei sie zu Gejagten werden, hinter denen mal Agenten, mal Gangs unterschiedlichster Couleur, mal Außerirdische her sind. Es gibt tentakelähnliche Aliens, die ihr wahres Gesicht hinter menschlichen Hüllen verbergen, schwarz gekleidete Männer mit kantigen Gesichtern, eine Kakerlakenarmee, Weltenretter aus der Wrestling-Szene und sogar eine Femme Fatale. „Mutafukaz“ lebt von seinem Figurenensemble und den aberwitzigen Situationen, in die der Film sie verwickelt. Die Seitenhiebe auf den amtierenden US-Präsidenten oder den Klimawandel verleihen dem Film eine satirische Note, sollten aber nicht überbewertet werden. Denn der Film ist vor allem bestechend animiertes Actionkino, das durch seine Schauwerte beeindruckt und durch die schrägen Figuren einen Hauch Underground mit sich bringt. Dass Lino, Vinz und Willy oberflächlich bleiben, passt zum Stil. „Mutafukaz“ ist Zeichentrick-Pulp mit hohem Unterhaltungswert.