Dokumentarfilm über den Maler Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882), der durch Porträts der Familie Rothschild, aber auch durch detail- wie wirklichkeitsgetreue Genrebilder des jüdischen Lebens im 19. Jahrhundert in Deutschland bekannt wurde. Aus der Betrachtung seiner Gemälde und mit Hilfe einer Vielzahl von Gesprächspartnern zeichnet der Film über die Biografie hinaus eine optimistisch-aufklärerische Phase des deutsch-jüdischen Verhältnisses nach, in der sich Eigenstand und Integration nicht ausschlossen. Der Film lief ab 2016 international auf Festivals und in den Kinos in zwei kürzeren Fassungen (96 und 72 Minuten); für den Kinostart 2018 in Deutschland wurde 2017 eine Langfassung, der sog. "Director's Cut" (105 Min.), produziert.
- Ab 14.
Moritz Daniel Oppenheim - Der erste jüdische Maler
Dokumentarfilm | Deutschland 2016-2017 | Kino Director's Cut: 105/Festivalfassungen: 96 (auch: 72) Minuten
Regie: Isabel Gathof
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2016-2017
- Produktionsfirma
- FeinshmekerFilm
- Regie
- Isabel Gathof
- Buch
- Isabel Gathof
- Kamera
- Nicolas Mussell · Carla Muresan · Alexander Vexler
- Musik
- Christos Kessidis · Jens Troester
- Schnitt
- Isabel Gathof
- Länge
- Kino Director's Cut: 105
Festivalfassungen: 96 (auch: 72) Minuten - Kinostart
- 25.10.2018
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Eher konventionell gemachter, aber sehr informativer und lehrreicher Dokumentarfilm über den Maler Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882).
Diskussion
Am Freiheitsplatz im Zentrum der hessischen Stadt Hanau steht der Maler Moritz Daniel Oppenheim, aus Stahl gegossen, im biedermeierlichen Gehrock, rostbraun und 2,20 Meter hoch, gestaltet vom französischen Bildhauer Pascal Coupot. Die Statue schaut auf eine Konstruktion aus rostbraunen Stahlrohren, die nach oben strebt. Der Bildhauer Robert Schad bezeichnet seine kontrastreiche Gesamtkonstruktion als „skulpturales Märchen“. Bei einem abendlichen Spaziergang durch Hanau sehe Moritz Daniel Oppenheim ein großes Bild, das zu tanzen scheint: „Nichts ist darin, wie er es bisher kennt: Horizonte stürzen, Gegenstände fallen aus dem Bild heraus. Der Künstler nimmt die Erscheinung in der Erinnerung mit sich und versucht zu malen, was er sieht. Erst knapp 100 Jahre später gelingt es Malern, Bilder zu gestalten, die keine Menschen, Gegenstände und Landschaften abbilden. Oppenheim war der erste, der ein solches Bild sah, ohne es je auf Leinwand gebannt zu haben.“
Ob der am 30. Januar 1800 unweit des Freiheitsplatzes an der damaligen Judengasse geborene Moritz Daniel Oppenheim wirklich von abstrakter Malerei geträumt hat, darf getrost bezweifelt werden, denn bekannt wurde er durch wirklichkeits- und detailgetreue Genre- und Porträtmalerei. Die ebenfalls aus Hanau stammende Regisseurin Isabel Gathof verbindet in ihrem Film die Genese des Denkmals mit der Spurensuche nach dem von Zeitgenossen als „Maler der Rothschilds und Rothschild der Maler“ bezeichneten Künstler. Dabei verzichtet sie auf Off-Kommentare und lässt die Lebensgeschichte über Experten und Angehörigen erzählen. Etwa von Patricia Lewin, Oppenheims Ur-Ur-Ur-Großenkelin. Lewins Großmutter flüchtete 1939 vor den Nazis nach Paris und von dort aus nach New York. Oder Rabbi Yehuda A. Horowitz von der jüdischen Gemeinde München. Sein Ur-Ur-Großvater war zu Lebzeiten des Malers Rabbiner von Hanau. Oppenheim, so Horowitz, entstamme einer alten jüdischen Familie: „Er wusste genau, was es heißt, ein Jude zu sein. Er war kein Außenstehender, er kam von dort. Auf der anderen Seite verstand er es, der christlichen Gesellschaft die Schönheit der jüdischen Welt zu vermitteln.“
Für den Kunsthistoriker Erik Riedel vom jüdischen Museum in Frankfurt ist Oppenheim „der erste jüdische Maler mit akademischer Ausbildung“. Im Gegensatz zu anderen jüdischen Künstlern, etwa Heinrich Heine oder Ludwig Börne, ist er nie konvertiert. Bekannt wurde Oppenheim durch die Porträts der Familie Rothschild, aber auch von Heine und Johann Wolfgang Goethe. Am Erfolgreichsten aber war seine Genremalerei, die jüdische Rituale und Bräuche wie das Laubhüttenfest, die Bar Mitzwa, das Schabbat-Mahl oder den Pessach-Abend verdichtete, ganz besonders in dem 1866 von Heinrich Keller herausgegebenen Zyklus „Bilder des altjüdischen Familienlebens“. Für die Kunsthistorikerin Esther Graf ist Oppenheim daher ein Hauptvertreter der jüdisch-deutschen Populärkultur: „Moritz Daniel Oppenheim malte seine jüdischen Genrebilder in dem Bewusstsein, einen Beitrag zum christlich-jüdischen Dialog leisten zu wollen. Das ist eine Form des Religionsaustausches, die auch in unserer Zeit ungemein wichtig ist.“ Oppenheim gehörte jedoch keiner Reformgemeinde an, betont Graf: „Er zählte zu denen, die die Tradition beibehalten, sich aber gleichzeitig auch der nichtjüdischen Außenwelt öffnen wollten.“
Aus der Betrachtung von Oppenheims Bildern und der Vielzahl der Gesprächspartner ergibt sich ein facettenreiches Bild jüdischen Lebens im Spannungsfeld zwischen Tradition und Aufklärung, französischer Besatzung und Reichsgründung, napoleonischen Reformen und preußischem Patriotismus. Der Maler wird zugleich zum Zeitzeugen der beginnenden Judenemanzipation. Ein verkannter Künstler war der von den Nazarenern geprägte Maler nie. Bis zu seinem Tod am 25. Februar 1882 in Frankfurt verkauften sich seine höchst beliebten Bilder gut. Es geht dem Film aber nicht um eine kunsthistorische Bewertung von Oppenheims Lebensleistung. Vielmehr gelingt es Gathof, über dem Leben des Malers eine optimistische und aufgeklärte Phase deutsch-jüdischen Lebens zu illustrieren, in der Traditionen erhalten blieben und die Emanzipation der Juden in der christlichen Mehrheitsgesellschaft trotzdem voranschritt. „Moritz Daniel Oppenheim – Der erste jüdische Maler“ ist ein sehr informativer und lehrreicher Film, durchaus konventionell, aber vielschichtig und kurzweilig, ganz wie die detailreichen Bilder Oppenheims.
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