Sie hat eine breite Nase, weit auseinanderstehende Augen, lange, graue Haare – und sie ist riesig. Diese Katze sieht eigentümlich aus. Wie ein gerupfter Löwe. Ihr Name sei „Defekt“, eröffnet Mina freudestrahlend ihrem Mann Kian.
In ihrem Langfilmdebüt „Die defekte Katze“ erzählt die HFF-München-Absolventin Susan Gordanshekan die Geschichte einer arrangierten Ehe: der von Mina und Kian. Kian ist wenig begeistert von dem Tier, das Mina da anschleppt und von ihrem „eigenen Geld gekauft“ hat. Es habe vermutlich einen Gen-Defekt, erklärt er; außerdem sei „Defekt“ kein Name.
Mina hat Kian über eine Heiratsvermittlerin in ihrer Heimat Iran kennengelernt. Oder genauer: Sie lernen sich erst kennen, als sie bereits verheiratet sind und Mina zu Kian nach Deutschland zieht. Er ist dort aufgewachsen, arbeitet als Arzt in einem Klinikum. Beide sind Mitte 30; Mina galt wegen ihres Alters bereits als schwer vermittelbar. Sie hat Elektrotechnik studiert; in Deutschland besucht sie jetzt erst einmal Sprachkurse.
Ein Einkaufsbummel bei Ikea skizziert zu Beginn recht humorvoll die interkulturellen und sonstigen Schwierigkeiten, die beide womöglich erwarten. Über das Sofa werden sie sich nicht einig. Mina plädiert temperamentvoll für eine farbenfrohe Variante, während Kian sich genötigt sieht, ihr deutsche Lebensart und deutschen Geschmack anhand eines großen grauen Sofas auseinanderzusetzen. Das wird später auch geliefert – und passt nicht durch die Wohnungstür.
Bei Ikea treffen sie auch auf ein mit Kian befreundetes deutsches Paar, das ein wenig wie ein Gegenentwurf erscheint: modern, deutsch, von überkommenen Rollenbildern abgekoppelt. Während die Frau als Ärztin zusammen mit Kian arbeitet, versorgt der Mann das gemeinsame Kind zu Hause und kommt mit seiner Doktorarbeit nicht voran.
Auch diese beiden haben ihre Probleme; ebenso wie Mina und Kian, die immer mehr in dysfunktionale Beziehungsmuster hineinrutschen. Als Mina sich langsam emanzipiert, die neue Heimat für sich entdeckt, im Bikini schwimmen und tanzen geht, sich mit Leuten aus ihrem Sprachkurs trifft und einmal zu viel Alkohol trinkt, regen sich bei Kian patriarchale Besitzansprüche.
Die Regisseurin Susan Gordanshekan erzählt jenseits von Klischees und mit viel Sinn für Zwischentöne; ebenso vielschichtig interpretieren die beiden Hauptdarsteller Pegah Ferydoni und Hadi Khanjanpour ihre Figuren. Kian ist kein Vorzeige-Macho, sondern von einem antiquierten, kulturell tradierten Männerbild geprägt; der Film porträtiert ihn als sensiblen, ebenso überarbeiteten wie überforderten Mann, der zwischen zwei Kulturen steht und permanent mit unterschiedlichen Ansprüchen jongliert – denen seiner Eltern und seines Oberarztes, von Mina, vor allem aber den eigenen hohen Erwartungen an sich selbst. Am Ende erweist sich Kian fähig zur Selbsterkenntnis, bereit zur Veränderung.
Zunächst erforscht der Film, was in Beziehungen schiefgehen kann, unabhängig davon, wie sie zustande gekommen sind; die aus dem Iran stammenden Eltern der Regisseurin haben sich selbst über eine Heiratsvermittlung kennengelernt. Die Inszenierung verdeutlicht aber auch, wie viel Einfluss die Gesellschaft, in der man lebt, aber auch die Kultur, aus der man kommt, auf eine Beziehung hat. Der Film plädiert jedoch zugleich dafür, dass jeder selbst auch maßgeblich Beziehungen mitbestimmt, da man sich voneinander weg-, aber auch aufeinander zubewegen kann.
Minas seltsame Katze fungiert dabei als Spiegel der Beziehung. Als das Tier Kians Garderobe verwüstet, sperrt er es ein. Die Katze würde sonst ja nie lernen, was sie tun darf und was nicht. Irgendwann ist sie dann plötzlich verschwunden.