Kleine Helden (2016)

Dokumentarfilm | Frankreich 2016 | 80 Minuten

Regie: Anne-Dauphine Julliand

Dokumentarfilm über fünf Kinder, die mit so schweren Krankheiten kämpfen, dass ihre Leben nicht lange währen werden. Doch es geht nicht um ihr Leiden, sondern um die Kunst, wie sie ihr kompliziertes Schicksal meistern. Der auf Augenhöhe der Kinder in fünf parallelen Strängen erzählte Film konzentriert sich auf die kostbaren Momente und handelt trotz seines tieftraurigen Themas von Freude, Spaß und Glück. Seine unsentimentale Lebensbejahung hat auch mit den Erfahrungen der Regisseurin zu tun: Sie war selbst Mutter eines schwerkranken Kindes. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
ET LES MISTRALS GAGNANTS
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Incognita Films/TF1 Droits Audiovisuels/
Regie
Anne-Dauphine Julliand
Buch
Anne-Dauphine Julliand
Kamera
Laurent Brunet · Katell Djian · Matthieu Fabbri · Alexis Kavyrchine · Isabelle Razavet
Musik
Robin Coudert
Schnitt
Lilian Corbeille · Mathieu Goasguen · Emmanuel Julliard
Länge
80 Minuten
Kinostart
20.09.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Little Dream/Lighthouse
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Diskussion

Französische Filmemacher sind immer wieder für unorthodoxe Filme gut, die dank außergewöhnlicher Qualität und entsprechender Mundpropaganda ein breites Publikum gewinnen. So faszinierte Christophe Barratier in „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ (fd 36 671) im Jahr 2004 mit der Geschichte eines Lehrers, der an einem Internat mit Hilfe der Musik das Vertrauen seiner Schüler gewinnt. Der Film fand in Frankreich mehr als sechs Millionen Zuschauer und erreichte in Deutschland immerhin auch über eine Million Besucher.

Ein ähnlich bemerkenswertes Projekt, das erneut Kinder in den Fokus rückt, stammt von Anne-Dauphine Julliand. Ihr Dokumentarfilm „Kleine Helden“ beobachtet fünf Individuen im Alter von fünf bis neun Jahren, die an so schwerwiegenden Krankheiten leiden, dass ihr noch so junges Leben nicht lange währen wird. Die Krankheiten, mit denen Ambre, Camille, Charles, Imad und Tugdual zu kämpfe haben, werden kurz benannt. Aber sie sind nicht das Thema des Films. Julliand begibt sich mit ihren Kameramännern vielmehr auf Augenhöhe der Kinder und lässt sie in fünf parallel montierten Strängen von ihrem Alltag erzählen.

Die kleinen Helden kommen dabei nicht nur zu Wort, sondern zeigen auch, wie sie ihr kompliziertes Leben meistern. Mehr noch, wie sie jeden kostbaren Moment ihres Daseins in vollen Zügen genießen. So findet etwa der Naturbursche Tugdual, der beinahe jeden Grashalm mit Namen kennt, beim Klavierspiel von Beethovens „Für Elise“ Erfüllung; Ambre, die Badminton liebt, steht leidenschaftlich gern (als Prinzessin) auf der Bühne.

Die kaum getrübte Lebensfreude äußert sich in kleinen Dingen, etwa Ambres inniger Umarmung mit ihrem kleinen Schwesterchen, dem Gewaltmarsch von Charles durch unendlich lange Krankenhausgänge auf der Suche nach seinem besten Freund, oder dem herzhaften Lachen des schmächtigen Camille, wenn er beim Fußballspiel endlich auch mal den Fuß ans Leder bekommt. Gleichzeitig aber konfrontiert Camille ganz beiläufig mit einer erschütternden Weisheit: „Wenn ich tot bin, bin ich nicht mehr krank“.

Es ist viel Kluges, was man von den „kleinen Helden“ zu hören bekommt. Einen Höhepunkt erreichen die Sinnsprüche wohl in der Bemerkung, „Wer krank ist, hört nicht auf, glücklich zu sein.“ Dass dieser Film trotz Chemotherapie, Dialyse und Transplantationen eine enorme (Lebens-)Kraft verströmt, hat weniger mit filmischer Fachkompetenz als mit Julliands eigenen Erfahrungen zu tun. Die Regisseurin, die eigentlich Journalistin ist, war selbst Mutter eines schwerkranken Kindes und hat ihre Erlebnisse 2011 in dem auch auf Deutsch erschienenen Buch „Deine Schritte im Sand“ verarbeitet.

Im Original heißt der Film „Et les mistrals gagnants“, nach dem gleichnamigen, in Frankreich äußerst populären Chanson des Liedermachers Renaud. Darin geht es um den „mistral gagnant“, ein Bonbon, in dem sich früher ein Gewinnlos befand. Der Song handelt aber auch davon, für den Augenblick zu leben und selbst den absurdesten Dingen etwas Positives abzugewinnen. Ein perfekter Titel, der in Deutschland jedoch nicht funktioniert hätte, weil man hier weder Lied noch Bonbon kennt. Der deutsche Verleihtitel „Kleine Helden“ trifft allerdings nur einen Teil der Wahrheit, da er die „poetische“ Komponente des Films völlig außer Acht lässt. In Frankreich hat der mitreißende, das Herz berührende Film mehr als 225.000 Zuschauer erreicht. Das ist für einen Film, der mit Tabus bricht und sich auch sonst um keine Konventionen schert, ein beachtliches Ergebnis.

Dass „Kleine Helden“ trotz seines im Grunde tieftraurigen Themas genau das Gegenteil, nämlich Glück, Freude und Spaß evoziert, ist auch den Jurys unterschiedlichster Institutionen nicht verborgen geblieben. So gab es für den Film den Publikumspreis in Emden, den Jurypreis des Giffoni Film Festival sowie den „César“ für den besten Dokumentarfilm in Frankreich

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