B12 - Gestorben wird im nächsten Leben

Dokumentarfilm | Deutschland 2018 | 93 Minuten

Regie: Christian Lerch

Dokumentarfilm über ein Rasthaus an der oberbayerischen Bundesstraße B12. Kommentarlos sieht der Film den Betreibern und Stammgästen bei ihrem bierseligen Dasein zu, woraus Szenen voller grandioser Komik, aber auch großer Tristesse resultieren. Ein Kaleidoskop des Lebens, mit mehr Tiefen als Höhen. Dem Unbill setzen die Protagonisten die bayerische Dreifaltigkeit aus Bier, Schweinefleisch und Granteln sowie ein solidarisches Miteinander entgegen. Gelegentlich schrammt der Film an der Grenze zum Voyeurismus entlang, bewahrt sich aber einen warmherzigen Blick auf die gebeutelten Gestalten. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Südkino Filmprod.
Regie
Christian Lerch
Buch
Christian Lerch
Kamera
Johannes Kaltenhauser
Musik
Sepalot
Schnitt
Peter König
Länge
93 Minuten
Kinostart
19.07.2018
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Heimkino

Verleih DVD
Arsenal (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Dokumentarfilm über ein Rasthaus an der oberbayerischen Bundesstraße B12, der ein Kaleidoskop des Lebens, mit mehr Tiefen als Höhen, zeichnet.

Diskussion
Was für ein Film! Lustig und zugleich tieftraurig, kaputt und warmherzig, derb und poetisch. Bevölkert ist der Dokumentarfilm von so viel skurrilem, vom Leben gebeugtem und hemmungslos der bayerischen Dreifaltigkeit aus Bier, Schweinefleisch und Granteln huldigendem Personal, dass das Ganze als Fiktion nicht erträglich wäre, weil höchste Klischeegefahr drohte. Regisseur Christian Lerch, der bei „Wer früher stirbt ist länger tot“ (fd 37 745) als Co-Autor mitwirkte und 2012 mit der makabren Heimatkomödie „Was weg is, is weg“ (fd 40 965) sein Regiedebüt gab, gelingt in „B12 – Gestorben wird im nächsten Leben“ ein kleines Wunder. Das Vertrauen, mit dem sich die Protagonisten arglos in Lerchs Hände begeben haben, muss grenzenlos gewesen sein. Offensichtlich durfte er so gut wie immer und so gut wie alles drehen und später dann auch im Film verwenden. Das schrammt bisweilen an der Grenze zum Voyeurismus entlang. Doch Lerchs Blick ist niemals verurteilend oder gehässig; ganz im Gegenteil. Der Film entwirft ein fast zärtliches Porträt der Menschen vom Rasthaus an der B12. Die Protagonisten sind der ewig jammernde, knapp 90-jährige Lenz, der sich mehrmals täglich seinen Tod herbeiwünscht, bei einer Leberknödelsuppe aber doch wieder gute Laune bekommt. Sein Sohn Manfred hat vom Vater die Raststätte samt einer Menge Schulden übernommen; dazu gesellen sich Manfreds stets gut gelaunte Lebensgefährtin und eine Stammtisch-Runde, die sich Tag für Tag in dem etwas heruntergekommenen Lokal an der oberbayerischen Bundesstraße versammelt: der betagte Mane, der den LKW-Fahrern ihren Parkplatz zuweist, ansonsten aber stoisch schweigend zehn „Halbe“ Bier am Tag trinkt; der fröhliche Franz, der die ewigen Vorwürfe seines Freundes Lenz mit erstaunlichem Gleichmut an sich abperlen lässt und gerne Tipps für gesunde Ernährung gibt, etwa rohe Eier und gekochte Schweineköpfe; der Wortführer Konrad, der sich als einstiger Womanizer inszeniert und über makabre Todesfälle kaputtlacht. Hinzu kommt der italienische Gastronom Giuseppe, der in einem Nebengebäude ein Restaurant einrichtet, bei dem es am Abend der Neueröffnung aber nichts zu essen gibt, weil ständig der Strom ausfällt; sehr viel besser läuft das Lokal aber auch in den folgenden Monaten nicht. Diese Figuren bilden ein Kaleidoskop des Lebens, allerdings eines mit mehr Tiefen als Höhen. Doch alle haben ihren Weg gefunden, damit umzugehen: Lenz mit seinem Gejammere, seinen echten und seinen vermeintlichen Wehwehchen, Mane mit seinem Stoizismus, Manfred mit Tatendrang und Geschimpfe auf den Vater oder Giuseppe mit seiner tiefenentspannten Art. Bier spielt bei der Problembewältigung ebenfalls eine zentrale Rolle. Mit leicht lallendem Zungenschlag formuliert Manfred im Rückblick auf sein bisheriges Leben: „Wenn i ehrlich bin, hob i’s packt weil i a bissl wos trunken hob. Andere brauchen Tabletten oder werden depressiv, andere haben Burnout…“ Die Protagonisten sind allerdings keine Randexistenzen, sondern in ihre Umgebung sozial fest eingebunden, etwa über Feste oder einen Veteranenverein. Kommentarlos und ohne betonte Dramaturgie sieht der Film den Menschen bei ihrem Dasein zu, als wären sie leicht wunderliche, aber faszinierende Wesen. Dabei entstehen Szenen von grandioser Komik, aber auch von großer Tristesse. So lebt es sich also, 30 Kilometer östlich von München, wenn das Geld für Bier, Kesselfleisch und den Spielautomaten, aber eben nicht zu viel mehr reicht. Wenn Lebensträume zerplatzt sind. Und Männer fast nur unter Männern sind. Wenn im Hintergrund ständig LKWs und PKWs vorbeirauschen, die meisten mit einem anderen Ziel als diese Raststätte. Man ist geneigt, diesen Zustand als Allegorie auf das vorbeirauschende Leben zu lesen. Doch es wäre zu kurz gegriffen, wenn man den Film ausschließlich unter dieser Rücksicht interpretieren würde. Denn das Leben findet hier durchaus vor Ort statt, in den Beziehungen untereinander, im Sich-Abfinden oder eben auch gerade im Sich-Nicht-Abfinden mit der jeweiligen Lebenssituation, im solidarischen Miteinander. Die äußert sich beispielsweise darin, dass bei der Renovierung eines Nebengebäudes Freunde und Bekannte mitanpacken. Dass dabei am Ende die Fenster alle verkehrt herum eingesetzt sind, regt keinen so richtig auf – ein Feierabendbier gibt’s trotzdem.
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