Es ist sicher nicht das schönste Haus, aber Garðar und Katrin mögen die Einsamkeit der verschrobenen kleinen Insel vor der isländischen Küste. Und es gibt sicher trostlosere Ecken in einer solch menschenfeindlichen Gegend, für die man ohnehin einfach geboren sein muss, um es in ihr auszuhalten. Zusammen mit ihrer Freundin Líf wollen die beiden den zweistöckigen Solitär auf Vordermann bringen. Ein Neuanfang soll es werden, um all das Dunkle, das ihre Ehe einst trübte, auf dem Festland und in der Vergangenheit zurück zu lassen.
Derweilen versucht in der Stadt die Polizistin Dagný den (Selbst-)Mord einer alten Frau zu verstehen. So etwas gibt es nicht selten in der Gegend, die sich auch hier in der „Zivilisation“ nicht viel menschenfreundlicher gibt. Aber die Umstände des Todes scheinen derart bemerkenswert, dass sie den Psychologen Freyr hinzuzieht. Während der immer mehr von seinen eigenen Dämonen geplagt wird, die mit dem seit Jahren ungeklärten Verschwinden seines kleinen Sohnes zu tun haben, scheint das Haus auf der Insel von anderem Unheil beseelt worden zu sein. Irgendetwas haust in dem noch gar nicht so alten Schnellbauhaus. Irgendetwas, das schon lange nicht mehr lebt. Katrin hat die empfindlichste „Antenne“ dafür und sieht die Schatten, hört das Scharren und findet schließlich die Falltür, die ins enge Gewölbe unter dem Haus führt, aus dem das längst Tote einen Ausweg sucht.
Eigentlich geht es in „I Remember You“ um zwei unaufgearbeitete Todesfälle; Fälle aus jüngerer und schon verblassender Vergangenheit. Mindestens für zwei Filme hätten diese ausgereicht, doch der Isländer Óskar Thór Axelsson macht sich, ganz der Buchvorlage gemäß, die verschwenderische Mühe, beide zu einen, und schafft das dramaturgisch überzeugend. So suchen die Protagonisten in langen Parallelmontagen, Buchkapiteln gleich, nach den Geistern, die ihre Welt dominieren. Dass zum Finale beide Geschichten zu einem ganzen erzählerischen Monstrum zusammen finden, gehört zu den vielen angenehmen Überraschungen eines Horrorthrillers, der über weite Strecken behutsam und rätselhaft, dabei aber trotzdem grauenhaft daherkommt.
Das mag am Stoizismus liegen, mit der hier die Isländer ihren Geistern begegnen; das mag aber auch an dem unnachahmlichen Gespür für unheimliche Situationen liegen, vor denen „I Remember You“ nur so strotzt. Die Fratzen toter Kinder, denen zu Lebzeiten nicht sonderlich wohl mitgespielt wurde, sorgen in Kombination mit dem Sounddesign und Islands auch in lichten Momenten nebelgrauer, erhabener, nasskalter Landschaft beim Zuschauer für permanentes Unbehagen. Eine dichte, beklemmende Stimmung muss hier nicht mit der Schock-Brechstange und übertriebenen Effekten erzeugt werden. Es braucht nur hier und da eine Schemengestalt – und das Grauen ist perfekt.