Visitors (2013)

Dokumentarfilm | USA 2013 | 87 Minuten

Regie: Godfrey Reggio

Der für seine „Qatsi“-Trilogie („Koyaanisqatsi“, „Powaqqatsi“, „Naqoyqatsi“) bekannte Regisseur Godfrey Reggio kondensiert die zivilisationskritischen Statements seiner früheren Filme zu einer schwarz-weißen Meditation über den Zustand der Welt, die mit letzter Konsequenz auf extrem lange, meist unbewegliche Bilder von Gesichtern, Gebäuden und Landschaften reduziert ist. Der Film verlangt vom Zuschauer die Bereitschaft, sich auf die hypnotische Qualität eines unorthodoxen Experiments einzulassen, dem man keinen Gefallen tut, wenn man es als Dokumentarfilm bezeichnet. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
VISITORS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
The Vivid Unknown
Regie
Godfrey Reggio
Buch
Godfrey Reggio
Kamera
Graham Berry · Trish Govoni · Tom Lowe
Musik
Philip Glass
Schnitt
Chris Besecker · Jon Kane
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm | Experimentalfilm | Filmessay
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Godfrey Reggios neuer Film ist ein Enigma. Der Titel lässt den Besuch von Aliens erwarten; der Gorilla, der zu Anfang und Ende den Zuschauer in einer endlos scheinenden Einstellung anstarrt, weckt Erinnerungen an Kubricks „2001“ (fd 15 732). Wer Reggios filmische Vergangenheit vor Augen hat, die zwischen 1982 und 2002 entstandene „Qatsi“-Trilogie („Koyaanisqatsi“ (fd 24 271), „Powaqqatsi“ (fd 26 879) und „Naqoyqatsi“ (fd 36 050)), erwartet wahrscheinlich eine Fortsetzung seiner zivilisationskritischen Statements über die Verdrängung natürlicher Lebensweisen durch Technik und Fortschritt. Doch so wie Reggio das Publikum einst mit seinen rasanten Zeitrafferaufnahmen verblüfft hat, so tut er es nun noch radikaler mit 74 schwarz-weißen Bildern von menschlichen Gesichtern, zerfallenden Gebäuden, stillgelegten Vergnügungsparks und urzeitlich anmutenden Landschaften, deren jedes nicht sekunden-, sondern minutenlang auf der Leinwand verharrt. Eine harte Probe für Zuschauer, die schon lange, bevor ihnen der Gorilla zum letzten Mal in die Augen schaut, das Kino verlassen haben mögen. Merke: Godfrey Reggios „Visitors“ verlangt Geduld und Konzentration – und die Bereitschaft, vielleicht sich selbst in einem der Gesichter zu entdecken. „Visitors“ ist eindeutig eher ein Experimental- als ein Dokumentarfilm. Die Ambiguität des Films hat Methode. Sie verführt den Zuschauer zum genauen Hinsehen, zum Nachdenken und zur Entdeckungsfreudigkeit. Verlangt ist die Bereitschaft, sich auf die extrem langen, meist unbeweglichen Einstellungen einzulassen, so wie sich ein Patient auf die Bedingungen von Psychoanalyse und Hypnose einlassen muss. Ob die Gesichter von jungen und alten, schönen und hässlichen Menschen, die Bilder von unbewohnbar gewordenen Häusern, von Brackwassern und moosüberwachsenen Bäumen – es gibt keine Entwicklung im landläufigen Sinn in Reggios Film außer der, die mehr und mehr im Kopf des Betrachters stattfindet. Die hypnotische Qualität wird noch gesteigert durch die eindringlich repetitive Musik von Reggios Hauskomponist Philip Glass. Glass, der einst als „Minimalist“ die Musikszene betrat, sich mit mehreren Opern, zehn Sinfonien und „Oscar“-nominierten Filmmusiken einen Namen machte, bezeichnet sich selbst gern als „Jewish-Taoist-Hindu-Toltec-Buddhist“, eine Charakterisierung, die man mit gewissen Abstrichen auch auf Reggios Film übertragen könnte. Wir wohnen nicht mehr der fortschreitenden Zerstörung unseres Lebensraums und der Entgeistigung unseres Daseins bei, wie das bei den „Qatsi“-Filmen der Fall war, sondern dem Endresultat, das uns von der Fratze des Gorillas kaum mehr unterscheidet.
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