Glory (2016)
Drama | Bulgarien 2016 | 101 Minuten
Regie: Kristina Grozeva
Filmdaten
- Originaltitel
- SLAVA
- Produktionsland
- Bulgarien
- Produktionsjahr
- 2016
- Produktionsfirma
- Abraxas Film/Graal Films/Screening Emotions/Aporia Filmworks/Red Carpet
- Regie
- Kristina Grozeva · Petar Valchanov
- Buch
- Kristina Grozeva · Petar Valchanov · Decho Taralezhkov
- Kamera
- Krum Rodriguez
- Musik
- Hristo Namliev
- Schnitt
- Petar Valchanov
- Darsteller
- Margita Gosheva (Julia Staykova) · Stefan Denolyubov (Tzanko Petrov) · Kitodar Todorov (Valeri) · Milko Lazarov (Kiril Kolev) · Ivan Savov (Minister Kanchev)
- Länge
- 101 Minuten
- Kinostart
- 04.01.2018
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
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Heimkino
Groteske Parabel über das Gute inmitten einer korrupten Umwelt
Würde Bertolt Brecht heutzutage Filme drehen, sähe das Ergebnis vermutlich ähnlich wie „Glory“ von Kristina Grozeva und Petar Valchanov aus. Ein kleines, sozialkritisches Drama mit parodistischem Einschlag und einer klaren Botschaft: als Einzelner kommt man gegen die Ungerechtigkeiten einer moralisch degenerierten Gesellschaft nicht an. Wer etwas ändern möchte, muss das Ganze in den Blick nehmen. Tzanko heißt der „gute Mensch“ in „Glory“. Er lebt nicht in Sezuan, sondern in einer muffig-kleinen, dunklen Wohnung irgendwo in Bulgarien. Als der Bahnarbeiter wie jeden Morgen pünktlich seiner Arbeit auf den Gleisen nachgeht, findet er dort einen Sack voller Geldbündel. Doch anstatt das Geld einzustecken, wie es seine schmierigen Kollegen tun würden, meldet er den Fund bei den Behörden. Schon wenig später wird er in den Medien als Held gefeiert – während ihn die anderen Eisenbahner zum „Trottel des Jahres“ küren. Tzanko ist allerdings kein „ganz normaler Held“. Er stottert heftig, trägt einen ungepflegten zotteligen Bart, den er aus religiösen Gründen nicht stutzt, und seine halblangen Haare schimmern fettig. Julia Staikova, die taffe Leiterin der PR-Abteilung im bulgarischen Verkehrsministerium, hat alle Mühe, die vermeintlich zurückgebliebene Witzfigur, die sie und ihre Mitarbeiter, aber auch die meisten User in den sozialen Netzwerken in Tzanko sehen, als vorbildlichen Helden zu verkaufen. Es gelingt ihr am Ende aber derart gut, dass sie die erfolgreiche Story mit ihrem Team ausgelassen feiert. Zumindest so ausgelassen, wie es der randvolle Terminkalender einer Karrierefrau zulässt, und das reicht gerade für ein Gläschen im Stehen. Zwischen ihren Terminen hetzt Julia mit ihrem Partner in die Kinderwunschklinik oder injiziert sich im Büro eine Spritze für die künstliche Befruchtung, wobei sie sich notdürftig hinter einer Flagge versteckt. Figuren und Situationen werden gezielt überzeichnet, ohne dadurch unglaubwürdig zu werden. Der visuelle Kontrast zwischen Hochglanzoptik und grau versupptem Naturalismus könnte kaum augenfälliger sein. Dennoch spiegelt der Film einen realen Gesellschaftskonflikt wider. Zwangsläufig nimmt das Aufeinandertreffen der gegensätzlichen Lebenswelten einen tragischen Verlauf. Das ist lehrreich, wirkt aber nicht belehrend. Es ist im Grunde vorhersehbar, im Detail jedoch oft überraschend und insgesamt stimmig. Bei einer öffentlichen Ehrung durch den Verkehrsminister bekommt Tzanko eine billige Digitaluhr geschenkt. Während der Übergabe berichtet der Arbeiter dem Minister von Unterschlagungen und Diebstählen bei der Bahn. Der eitle Politiker, der in Socken neben Tzanko steht, weil seine Füße im Bildausschnitt ja nicht zu sehen sind, will davon nichts wissen. Nach der Ehrung stellt sich allerdings heraus, dass Julia Tzankos alte Uhr, in die eine Widmung seines Vaters eingraviert ist und die ihm seit Jahrzehnten treue Dienste leistet, verschlampt hat. „Slava“ heißt Tzankos Uhrenmarke, und so lautet auch der Originaltitel des Films. Übersetzt bedeutet das so viel wie Ruhm oder eben „Glory“. Beides wird Tzanko im Lauf der Handlung genommen: seine Uhr und seine Ehre, aber mehr noch seine menschliche Würde. Als er hartnäckig darauf besteht, die ihm wertvolle Uhr zurückzuerhalten, lässt Julia sich am Telefon verleugnen und jubelt ihm später einen billigen Ersatz unter; natürlich ohne Gravur. Verzweifelt wendet sich der Bahnarbeiter schließlich an einen regierungskritischen Journalisten, der seinerseits eine große Story wittert und Tzanko dafür rücksichtslos verheizt. Tzanko, der bescheidene, einfache, ehrliche Arbeiter und Held wider Willen, bekommt nun die gnadenlose Härte eines zynisch-korrupten Staatsapparats zu spüren. Mit „Glory“ wagt das Regie-Duo Grozeva und Valchanov einen sorgsam austarierten Balanceakt zwischen grotesker Medien- und Politsatire und eindringlicher Sozialstudie. Dass dieser überzeugend gelingt, liegt auch an den beiden Hauptdarstellern, die ihre Figuren bis an die Grenzen der Karikatur treiben, ohne sie ihrer Seelen zu berauben.