Das Schicksal eines Mädchens, das im Alter von fünf Jahren von Guerilla-Truppen aus Phnom Penh vertrieben und nach dem Tod seiner Eltern in einem Waisenlager zur Kindersoldatin ausgebildet wurde, basierend auf den Memoiren der kambodschanischen Menschenrechtsaktivistin Loung Ung. Dabei geht es weniger um eine historische Lehrstunde über die damaligen Ereignisse und politische Zusammenhänge, auch wenn entsprechendes Archivmaterial eingeflochten ist; vielmehr bemüht sich der Film erfolgreich darum, über zunehmend fragmentarische Eindrücke ein Gespür für die Erlebnisse der Protagonistin und die universellen Verheerungen des Krieges zu schaffen.
- Ab 16.
Der weite Weg der Hoffnung
Biopic | Kambodscha/USA 2017 | 136 Minuten
Regie: Angelina Jolie
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Filmdaten
- Originaltitel
- FIRST THEY KILLED MY FATHER: A DAUGHTER OF CAMBODIA REMEMBERS
- Produktionsland
- Kambodscha/USA
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- Netflix/Jolie Pas
- Regie
- Angelina Jolie
- Buch
- Loung Ung · Angelina Jolie
- Kamera
- Anthony Dod Mantle
- Musik
- Marco Beltrami
- Schnitt
- Xavier Box · Patricia Rommel
- Darsteller
- Srey Moch Sareum (Loung Ung) · Kompheak Phoeung (Vater Ung) · Socheata Sveng (Mutter Ung) · Kimhak Mun (Kim) · Dara Heng (Meng)
- Länge
- 136 Minuten
- Kinostart
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- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Biopic | Drama | Historienfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Geisterhaft spiegelt sich ein Mädchen in den Nachrichtenbildern, wie ein schwacher Schatten liegt es über Aufnahmen von Soldaten und Kriegsmaschinen, die widerstandslos durch die vom Licht zurückgeworfene Hülle seines Körpers gleiten. Wie gefangen scheint es im Fernseherapparat, gefangen in einer Realität, die es als ferne Fiktion erlebt. Doch nur wenige Schritte trennen es vom Balkon, über den gerade wirklich Militärhubschrauber hinwegdonnern.
Diskussion
Geisterhaft spiegelt sich ein Mädchen in den Nachrichtenbildern, wie ein schwacher Schatten liegt es über Aufnahmen von Soldaten und Kriegsmaschinen, die widerstandslos durch die vom Licht zurückgeworfene Hülle seines Körpers gleiten. Wie gefangen scheint es im Fernseherapparat, gefangen in einer Realität, die es als ferne Fiktion erlebt. Doch nur wenige Schritte trennen es vom Balkon, über den gerade wirklich Militärhubschrauber hinwegdonnern. Es hebt die Hand, als könne es einen erhaschen, doch die Welt des Kriegs, der Roten Khmer, des Genozids, ist nicht zu (be-)greifen. Noch nicht.
So beginnt Angelina Jolies fünfte Regiearbeit „Der weite Weg der Hoffnung“, basierend auf den gleichnamigen Memoiren der kambodschanischen Menschenrechtsaktivistin Loung Ung (gespielt von Sareum Srey Moch), die im Alter von fünf Jahren von Guerilla-Truppen aus Phnom Penh vertrieben und nach dem Tod ihrer Eltern in einem Waisenlager zur Kindersoldatin ausgebildet wurde. Die ersten Bilder sind bezeichnend für Jolies Herangehensweise: Tief taucht sie in die Erlebniswelt ihrer Hauptfigur ein und blickt durch Kinderaugen auf Gewalt und Schrecken.
Historische Fakten und subjektive, impressionistische Traumbilder werden gleichwertig nebeneinandergestellt. Jolie gibt sich – im Gegensatz zu ihren bisherigen, eher schwachen Filmen wie „In the Land of Blood and Honey“ und „Unbroken“ – nicht der Nivellierung des konventionellen Prestigekinos hin: Statt politische Umwälzungen mit großmütiger Geste aufzubereiten, sucht sie das Fiktive des Historischen. Trotz Archivmaterial von Richard Nixon und Lon Nol taugt „Der weite Weg der Hoffnung“ nicht als Lehrfilm oder Reportage, dafür ist er zu unbeständig und traumwandlerisch.
Hollywood-Momente weichen ruhig ausgebreiteten Naturaufnahmen, gerade im späteren Verlauf fragmentiert die Erzählung, wird elliptisch. Loung und die Kamera erforschen Orte und fangen Stimmungen ein. Was uninteressant oder unerträglich ist, wird an den Rand der Wahrnehmung gedrängt und verschwindet in der Unschärfe. Das ist kein gänzlich naives Beobachten, doch viele Szenen entfalten sich, als würden sie nicht auf einen exakten Endpunkt zusteuern. Immer wieder verharrt die Kamera auf vermeintlich unbedeutenden Details, die doch in der Summe die menschliche Erinnerung konstituieren: die orangefarbene Frucht, mit der Loungs Schwester ihr weißes Kleid befleckt; das herzlose Lächeln eines alten Soldaten, später das solidarische eines sehr jungen, Loungs bunte Kleider und langen Haare, die ihr um der Gleichheit aller Menschen willen geraubt werden. Es sind Splitter, die von einem Trümmerleben geblieben sind und sich nie ganz fügen wollen.
Oft subjektive Nah- und Detail-aufnahmen werden im Schnitt gegen Panoramen geworfen, gern aus der gottgleichen Drohnen-Perspektive, in denen plötzlich doch vage Zusammenhänge deutlich werden. Eine Reinheit der Erinnerungen wird nie behauptet, gerade in solchen Szenen blitzt das spätere Verstehen durch, das die Erinnerung an das Erlebte prägt. Loung und ihre Familie reisen mit anderen Vertriebenen in eine Richtung, Mönche werden in die andere getrieben, wohl für die Exekution. Krieg und Welt erscheinen als Summe von Menschenströmen und geometrischen Vektoren.
Die schwächsten Momente des Films sind Emphasen, in denen sich eine lähmende Ergriffenheit Bahn bricht. Die sonst eher als knirschend-seufzendes Soundbett angelegte Musik schwillt dann an, Tränen fließen. Doch meist versagt sich der Film überzogene Sentimentalität: Rührende Abschiede enden plötzlich und verebben im Alltäglichen. Der Notstand wird bittere Normalität.
Angelina Jolie muss sich nicht hinter ihrer Protagonistin verschanzen, sondern nutzt sie geschickt als Vehikel für die Suche nach den universellen Verheerungen des Kriegs. In ihr humanitäres Engagement wird oft messianische Selbstüberhöhung hineingedeutet, doch aus „Der weite Weg zur Hoffnung“ spricht nur Eines: der Wille zu verstehen.
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