„Wer ist dieser Clown?“, fragt der Gitarrist Django Reinhardt, als er den lächerlichen Mann mit dem Schnauzer auf der Leinwand sieht. Dass er Hitler in der Wochenschau nicht erkennt, sagt einiges über sein politisches Bewusstsein. Es ist immerhin das Jahr 1943. „Django“ findet für die erstaunliche Verdrängung des Musikers gleich in der ersten Szene ein deutliches Bild. In den Ardennen wird eine Gruppe von Roma, die im Wald ihr Lager aufgeschlagen haben, von Deutschen erschossen. Unter den Leuten ist auch ein blinder Musiker, der auch noch dann selbstversunken auf der Gitarre weiterspielt, als einige seiner Familienmitglieder schon tot auf dem Boden liegen.
Der französische Regisseur Etienne Comar konzentriert die Erzählung des Films auf die Jahre zwischen 1943 und 1945. Reinhardt, Sohn von Manouches, französischsprachige Sinti, wird im besetzten Frankreich als Musiker und Komponist gefeiert. Nachdem die Nazis den amerikanischen Jazz als „Negermusik“ diffamiert und aus Paris verbannt haben, rückt der weiße Reinhardt in die dadurch klaffende Lücke. Mit der Verbindung aus Jazz, französischem Musette-Walzer und der traditionellen Spielweise der Roma gilt er als der neue König des Swing. Kritischen Einwänden, er würde sich von den Deutschen hofieren lassen, begegnet er mit dem Verweis auf seine Musikeridentität: „Ich bin Künstler.“ Die immer lauter werdenden Geschichten über die Verfolgung und Ermordung von Roma dringen nicht zu ihm durch. Reinhardt sieht sich durch seine Popularität geschützt – „Die Deutschen lieben mich“.
In dunklen Sepiafarben erzählt „Django“ davon, wie der blinde Reinhardt das Sehen lernt und allmählich zu einer kollektiven Identität als Roma findet. Repressionen erlebt der Gitarrist erstmals, als er eine geplante Deutschlandtournee absagt. Er wird verhaftet und einer demütigenden medizinischen Untersuchung unterzogen. Eine Verbrennung an der Hand, die Django im Alter von 18 Jahren bei einem Wohnwagenbrand erlitten hat, ein Handicap, das ihm eine spezielle Spieltechnik aufzwang und seinen unverwechselbaren Stil hervorbrachte, wird als körperlicher Mangel in Folge von Inzest ausgelegt. 1943 versucht Reinhardt mit seiner schwangeren Frau und seiner Mutter erfolglos in die Schweiz zu gelangen; als Fluchthelferin dichtet der Film eine mondäne blonde Geliebte hinzu.
Der Geschichtsfilm in „Django“ ist überschaubar und schlicht, die Themen – die Rassenlehre der Nazis, ihre Diffamierung des Jazz und anderes – wirken immer ein wenig scherenschnittartig, überdeutlich ausformuliert, und am Ende wird auch nicht mit Pathosformeln gespart. Als Musikerbiografie tut sich der Film nicht unbedingt leichter, der Ton ist behäbig und insbesondere die erste Konzertszene leidet an einer schwerfälligen Bildauflösung, die den potenziellen dynamisierenden Kräften ungeschickt im Weg steht. Der Funke mag deshalb nicht überspringen, und der tolle Swing bleibt Behauptung. Ausgerechnet in einer fiktiven und historisch betrachtet etwas albern wirkenden Szene, in der Reinhardt bei einem Konzert die Deutschen ablenken soll, damit die Résistance einen englischen Piloten über den Genfer See schmuggeln kann, entfaltet sich die wirkungsvolle Magie seiner Musik erstmals glaubwürdig. Django bindet sich ein Schellenband ums Fußgelenk und überschreitet mit seinen Musikern schleichend jede der ihm zuvor diktierten Regeln (Dur-Harmonien, kein Blues, keine Breaks, Vermeidung von Allegro- und Presto-Rhythmen, nicht mehr als 5 Prozent Synkopen, keine Solos länger als fünf Sekunden). Die verklemmten deutschen Offizierskörper beginnen sich zu lockern und zu biegen, der ganze Konzertsaal verfällt in eine kollektive Entfesselung: „Der Mann macht alle wahnsinnig“, bricht es aus einem völlig entgeisterten Lieutenant heraus.