Ägypten während des Arabischen Frühlings. Die Fernsehbilder künden vom bevorstehenden Aufruhr der Bürger, doch die Institutionen geben sich noch gelassen. Der Polizist Noredin geht seinen alltäglichen Geschäften nach. Desinteressiert kurvt der Kettenraucher mit seinem alten Auto durch die Stadt. Nachdem er sich von einem jungen Angestellten in einem Internet-Café über Facebook informieren lässt, treibt er auf der Straße Schmiergeld ein. Das bunkert der einsame Mann im Kühlschrank seines unwirtlichen Heims, wo ihn niemand erwartet. Seine Ehefrau ist verstorben; sein pflegebedürftiger Vater, der in einem anderen Haus wohnt, zerrt an seinen Nerven und hält beständig moralische Predigten. Mit wenigen Strichen wird ein marodes System skizziert: Ägypten ist korrupt und traditionsvergessen, die Familienbande sind blutleer und zweckorientiert, die Behörden bedienen sich feudaler Mittel, statt moderne Technologien oder die Neuen Medien einzusetzen. In dem Maße, wie die Demonstranten frischen Wind in die stickigen Amtsstuben blasen, kommt auch Noredins Leben in Bewegung. Im Nile-Hilton-Hotel wird die Sängerin und Prostituierte Lalena im Nile-Hilton-Hotel mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Doch seine Vorgesetzten wollen die Tat vertuschen. Deshalb macht sich Noredin eigenmächtig an die Auflösung des Falls. Regisseur Tarik Saleh siedelt seinen Film über einen politischen Umbruch in einer Epoche an, deren Folgen in Europa mit großem Interesse, aber auch Sorgen beobachtet wurden. Der Sturz des Polizeistaates unter Mubarak und die anschließenden Machtkämpfe stellten die verbreitete Einschätzung infrage, dass es sich dabei um einen demokratischen Aufbruch im Sinne westlicher Freiheitsvorstellungen handelte. Saleh interessiert sich jedoch nicht für die politischen Auseinandersetzungen, sondern konzentriert sich auf die Stützen der Gesellschaft. Er beleuchtet ein moralisch verdorbenes System, das die Mächtigen deckt, die sich die Taschen füllten, während die Bevölkerung mit brutaler Gewalt kleingehalten wird. Formal knüpft die Inszenierung an den Film noir und den Polizeifilm an. Darin spiegeln sich die Abgründe einer Gesellschaft, die Unsicherheit und Konfusion der Zeitgenossen, indem die dunklen, schwer durchschaubaren und rätselhaften Seiten ins Zentrum rücken. Allerdings verschenkt der Film durch die Konzentration auf den Polizeiapparat und dessen Verflechtung mit der politischen Elite einen beträchtlichen Teil seines Potenzials. Der korrupte Noredin scheint durch seine Ermittlungen sogar auf die Seite der Guten zu rutschen, als eine Art Repräsentant der vorwärts gerichteten Kräfte im Apparat; am Ende wird er sogar zur tragischen Figur. Das kann man durchaus als Kritik an allzu kategorischen Urteilen verstehen. Dennoch bleibt Noredin eine zwiespältige Figur, deren ambivalente Motivation zwischen Handlager und Widerständler nicht ausreichend vertieft wird. Der Protagonist agiert in einem Raum, der trotz aller politischen Widersprüche keine bezwingende Dichte kreiert, obwohl sich der Film inszenatorisch auf Klassiker des Genres bezieht. Dies ist auch einer sprunghaften Montage geschuldet. Der Versuch, die unsichere, undurchsichtige Stimmung der tagsüber von einem Dunstschleier überzogenen Großstadt oder die Rastlosigkeit des Protagonisten zu unterstreichen, verhindert zugleich den emotionalen Nachhall des Geschehens.