Wut und Beats: Auf diese Formel, die vielleicht die grundsätzliche Essenz von Rock’n‘Roll darstellt, gründet der aktuelle Erfolg der Gruppe Sleaford Mods aus Sherwood bei Nottingham. Rapper Jason Williamson und der Programmierer Andrew Fearn haben die Erfolgsformel historischer Band-Modelle wie Suicide, DAF oder The Pet Shop Boys, die Mischung aus Gesang und Programmiertem, noch einmal entscheidend verdichtet.
„The smell of piss is so strong, it smells like decent bacon.“ Mit diesen Zeilen aus dem Song „Tied Up In Nottz“ begann sich auch hierzulande im Jahr 2014 eine damals noch überschaubare Fan-Gemeinde für das Duo zu begeistern, deren so konziser wie komischer Pop eine schmerzhafte Lücke schließt: klassenbewusste, aggressive Gift-und-Galle-Lyrik mit extrem hohem „Fokkin’“-Anteil zu aufreizend minimalistischen funky Beats und Loops.
Sleaford Mods künden von Wut und Frustration eines prekären Lebens, der Vernichtung des Sozialen im Zeichen des Neoliberalismus und dem Wissen, dass sich der Handlungsspielraum darauf beschränkt, den status quo voller Ingrimm zu beschimpfen. Die Band selbst beschreibt ihren Stil als „electronic munt minimalis punk – hope for the working class and under“. Auf der Bühne – Williamson mit seiner Präsenz und seinen Ticks, Fearn lächelnd und tänzelnd, stets mit der Bierdose in der Hand – reiht sich das Duo in die Post-Punk-Genealogie zorniger Männer wie Mark E. Smith oder Mark Stewart ein.
Die Dokumentaristin Christine Franz hat die Band zwei Jahre lang bei ihrem kometenhaften Aufstieg begleitet: vom Auftritt im lokalen Pub bis hin zum legendären Glastonbury Festival. Ihr ist es zudem gelungen, erstaunlich nahe an das Duo und ihren Manager Steve Underwood heranzukommen. So erlebt man ein Trio älterer Männer, die sich mit mal miesen, mal nicht so guten Jobs über Jahrzehnte hinweg eine Haltung, eine Hingabe und eine künstlerische Produktivität bewahrt haben, die sie nun davor schützt, vom plötzlichen Erfolg überrannt zu werden. Sie können ihn vielmehr genießen, insbesondere beim Heimspiel in „Nottz“, dem atmosphärischen Höhepunkt des Films.
So zornig bis heruntergekommen psychotisch sich die Sleaford Mods auf der Bühne auch geben mögen: jenseits der Bühne erscheinen sie abgeklärt und geerdet, sind geradezu liebenswert freundlich und kooperativ, haben Familie und sind vor allem mit einem Humor gesegnet, um den Verlockungen der Musikindustrie in Guerilla-Manier zu begegnen. Auch wenn die Konzerte stetig größer werden, die gealterten Musiker in teurere Mode investieren, Fearns Beats schon mal etwas weniger schroff ausfallen oder Williamson auf dem aktuellen Album „British Tapas“ in Richtung Gesang experimentiert – am Ende scheint immer noch alles unter Kontrolle. Auch wenn Williamsons Ehefrau Claire einräumt, dass es ihrem Gatten nach wochenlangen Touren die Laune verdrießt, den Geschirrspüler selbst ein- und ausräumen zu müssen.
„A Bunch of Kunst“ ist der Glücksfall einer Musikdokumentation, da die Inszenierung nachdrücklich herausarbeitet, dass hinter „Englands wütendster Band“ neben aller Authentizität auch eine gehörige Portion Kunstwille steckt. Williamson mag fluchen wie ein Rohrspatz, aber er führt Dante im Mund; seine so spontan erscheinenden Lyrics zeugen von enormer, aber gestalteter Sprachmächtigkeit.