Das Filmplakat legt bereits eine erste Spur. Der Betrachter schaut von oben auf Jessica Brown Findlay, die Darstellerin der Bella Brown, herab. Sie hat den Kopf in den Nacken geworfen und blickt frech zurück. Schwarze Haare, akkurater Pagenschnitt und große Augen lassen fast zwangsläufig an Audrey Tautou denken, die ähnlich schelmisch für „Die fabelhafte Welt der Amélie“
(fd 34 999) warb. Das ist natürlich Absicht, denn auch hier geht es märchenhaft und unwirklich zu. Ähnlich wie Amélie ist auch Bella ein wenig anders. Für jeden Tag der Woche besitzt sie eine eigene Zahnbürste; in Einmachgläsern sammelt sie kleine Dinge des Alltags, Münzen etwa oder Gummibänder. Und wenn sie das Haus verlässt, überprüft sie mehrmals akribisch, ob die Tür auch richtig verschlossen ist. Ordnung und Sicherheit gehen ihr über alles. Für Menschen wie sie gibt es eigentlich nur einen Beruf: Bella ist Bibliothekarin.
Die Handlung kommt in Gang, als Bellas Vermieter mit der Kündigung droht, wenn die junge Frau nicht binnen eines Monats ihren verwilderten Garten auf Vordermann bringt. Jetzt kommt ihr unfreundlicher Nachbar Alfie Stephenson ins Spiel. Der Zuschauer kennt bereits seine Stimme, da er Bella aus dem Off wortreich vorgestellt hat. Alfie verfügt nicht nur über einen grünen Daumen, sondern beschäftigt auch einen begnadeten Koch namens Vernon. Der ist es leid, von seinem kratzbürstigen Arbeitgeber Alfie ständig herumkommandiert zu werden. Kurzerhand quartiert sich der Witwer mit seinen Zwillingstöchtern bei Bella ein, die fortan keine Konserven mehr essen muss. In der Bibliothek hingegen fällt Bella ein junger Mann auf, der ein Erfinder ist und darum auch anders als die anderen tickt.
Küche und Garten: Das ist die einfache Formel, mit der einer einsamen, etwas sonderbaren jungen Frau zur Lebensfreude verholfen wird. Für Bella ist die Natur ein Graus; sie bedeutet Willkür und Chaos, das sie nicht beeinflussen kann. Das Kochen hingegen ist eine lästige Pflicht, zeitraubend und kompliziert. Dass Gartenpflege und Essenszubereitung auch Spaß machen, ein schöner Garten und ein leckeres Menü sogar ein Genuss sein können, muss Bella erst noch lernen.
Zu den schönen Ideen des Films zählt, dass sich andere Menschen um Bella kümmern und dass aus distanzierten Nachbarn Freunde werden. Nach und nach enthüllt der Film die Gründe für Alfies große Verletztheit, und auch Vernon hat als Witwer einen Verlust zu beklagen. Das sind allesamt zwar kauzige, aber sehr lebendige Figuren, die trotz der fantastischen Prämisse – „This Beautiful Fantastic“ heißt der Film im Original – eine runde Kohärenz besitzen. Wie „Amélie“ feiert auch „Der wunderbare Garten der Bella Brown“ das Anderssein, das Sonderbare, das Besondere. Jeder hat hier eine Qualität, die ihn von den anderen unterscheidet und heraushebt.
Das Märchenhafte wird durch Bellas Herkunft unterstrichen: Sie wurde als Baby an einem See ausgesetzt und von Enten beschützt, ehe sie auf dem Gepäckträger eines greisen Fahrradfahrers landete. Mit dem Tempo und dem Einfallsreichtum, mit den überbordenden Ideen und der Detailfreudigkeit von „Amélie“ können diese Szenen allerdings nicht mithalten: Die Liebesgeschichte ist zu schematisch und vorhersehbar inszeniert, ihr fehlt der romantische Zauber des Vorbilds.
Vielleicht ist ein solcher Vergleich aber auch ungerecht. „Der wunderbare Garten der Bella Brown“ steht auf eigenen Füßen und erzählt anspruchsvoll von einer Einzelgängerin, die sich dem Leben zuwenden muss. Am Schluss kontrolliert Bella nicht mehr, ob die Haustür geschlossen ist. Sie hat gelernt loszulassen.