Die Grillen zirpen, es ist Sommer in der Nachkriegszeit. Frankreich wie im Bilderbuch. Der Alltag ist von harter Arbeit und frohen Festen geprägt. Zur Weinernte kommen Saisonarbeiter über die nahe spanische Grenze. Gabrielle lebt mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem kleinen Dorf. Es sind einfache Leute, aber Gabrielle will mehr vom Leben, sie will raus aus den engen Verhältnissen. In ihrem Kopf schwirren romantische Vorstellungen von der vollkommenen Liebe. Mit ihrer leidenschaftlichen Schwärmerei für verheiratete Männer, etwa den Dorfschullehrer, verstößt sie gegen den Moralkodex der erzkonservativen Dorfgemeinschaft. Die Eltern möchten die Tochter verheiraten und bieten sie dem spanischen Erntehelfer José als Ehefrau mit einer stattlichen Mitgift an. Der wortkarge Maurer heiratet die widerstrebende Gasthaustochter und zieht mit ihr an die Küste, wo er eine erfolgreiche Baufirma aufbaut. Gabrielle aber leidet an ihrer Ehe, sie leidet an ihrer Existenz, bis sie wirklich krank wird. Der Arzt empfiehlt einen Sanatoriumsaufenthalt in den Alpen. Hier lernt sie den jungen Offizier André kennen, der im Indochina-Krieg schwer verwundet wurde. Nach Jahren einer frustrierenden Vernunftehe steigert sich Gabrielle in eine Liebesromanze hinein. Ihr Ehemann bleibt gelassen. Sie bekommt einen Sohn, und schreibt endlose Briefe an den vermeintlichen Geliebten. Sie offenbart ihrem Mann, dass sie sich trennen muss. Aber der wortkarge Spanier bleibt immer noch gelassen.
Im Original heißt der Film einfach „Mal de pierres“, die Steinkrankheit. Er basiert auf dem höchst erfolgreichen Roman der italienischen Autorin Milena Agus. Regisseurin Nicole Garcia hat die Liebesgeschichte vom Originalschauplatz Sardinien nach Südfrankreich verlegt und führt das Schicksal der spanischen Leiharbeiter aus der benachbarten Franco-Diktatur als zusätzliches Element ein. Das Grundmotiv einer Frau, die mehr vom Leben erwartet, als ihr eine archaische Dorfgesellschaft bieten kann, ist geblieben. Gabrielle ist eine Art Madame Bovary im ländlichen Raum, die von höheren Gefühlen träumt und weder die harte Vernunft der Eltern noch die des Ehemannes erträgt. Stattdessen überträgt sie in morbider Romantik alle ihre Gefühle auf einen Sterbenden.
Parallel zur „éducation sentimentale“ der Protagonistin erzählt der Film aber auch von der Verbürgerlichung der Armut, vom langsamen Aufstieg des Tagelöhners José zum erfolgreichen Unternehmer aus der Mittelschicht. Neubauten sind plötzlich möglich, Reisen und bescheidener Wohlstand, bis hin zur musikalischen Ausbildung der Kinder. Was zunächst wie das hunderttausend Mal gesungene Lied von der unerfüllten Liebessehnsucht einer jungen Frau klingt, erhält einen psychotischen Beigeschmack, insbesondere, wenn man am Ende begreift, dass José von Anfang an um die wahren Hintergründe wusste.
In diesem Spiel zwischen Fantasie, Wahn, gesundem Menschenverstand und barmherziger Geduld, das sich intensiv im Zusammenspiel von Alex Brendemühl und Marion Cotillard spiegelt, liegt die große Stärke des Films, der nahezu beiläufig auch die Veränderung einer verarmten Agrargesellschaft zum kleinbürgerlichen Wohlstand skizziert.
Die Schwäche der Inszenierung liegt in ihrem Hang zur ausgewalzten Schönheit, von den angenehm illuminierten Landschaften in Südfrankreich und der Alpen, von der sehr hölzern inszenierten Folklore des ländlichen Frankreichs, der pittoresken Zerlumptheit der spanischen Landarbeiter, den Mützen, den Zigaretten, den immer gefüllten und schnell geleerten Rotweingläsern. Zwar fügt Nicole Garcia die Leiharbeiter in den Stoff ein, belässt Josés politische und soziale Hintergründe allerdings bei reiner Staffage.